Japanische Märchen | Page 5

Karl Alberti
sie in die Hand, ging bis zum Wasser und setzte das Tier ins Meer, indem er sagte:
?Armes Tierchen, nicht um dich der Freiheit zu berauben, sondern dir die Freiheit wiederzugeben, habe ich dich gekauft; nun schwimme hin und sei in Zukunft vorsichtiger, damit du nicht wieder in b?ser Buben H?nde f?llst!? Er blieb noch ein Weilchen stehen und sah zufrieden l?chelnd der schnell im Wasser dahinschwimmenden Schildkr?te nach, bis er sie nicht mehr erblickte; dann nahm er sein Fischereiger?t und seine Fische und ging wohlgemut in seine Hütte.
Am andern Morgen ging er wie gew?hnlich seinem Handwerk nach. Als er mit seinem Kahne auf dem Meer war und seine Netze ausgeworfen hatte, h?rte er pl?tzlich ein zartes Stimmchen rufen:
?Urashima sama!?[3]
Erstaunt sah er sich um, konnte aber nicht entdecken, woher die Stimme ert?nte und wer seinen Namen rief. Da ert?nte es abermals:
?Urashima sama!?
Jetzt merkte er, da? die Stimme aus dem Wasser kam und er beugte sich über den Rand seines Bootes und erblickte die kleine Schildkr?te, die er am Tage vorher aus den H?nden der Buben befreit hatte. Im ersten Moment war er erschrocken; doch fa?te er sich ein Herz und fragte: ?Warst du es, die mich rief??
?Gewi?!? antwortete das Tierchen. ?Ich bin gekommen um euch meinen Dank für euere gestrige edle Tat zu sagen. Und weil ihr mir meine Freiheit gegeben habt, m?chte ich euch etwas recht Sch?nes zeigen! Habt ihr Lust, so folget mir!?
Urashima dachte: Was kann es wohl sein, das mir dieses unscheinbare Tier zeigen k?nnte? Doch nichts Besonderes. Aber das macht auch nichts, es will sich mir dankbar erweisen und so will ich ihm auch die Freude nicht verderben. Nachdem er sich so ein Weilchen bedacht hatte, fragte er doch vorsorglich:
?Dauert es auch nicht lange? Ich will dir gerne folgen, aber ich habe nicht viel Zeit zu vers?umen. Wohin soll es denn gehen??
?Garnicht weit von hier. Ich beabsichtige nur, euch zum Palast unserer Meeresk?nigin Otohime zu führen und euch dort Wunderdinge zu zeigen!?
?Das ist ganz unm?glich?, erwiderte Urashima, ?denn ich kann nicht so schnell schwimmen und nicht so gut tauchen wie ihr und was schlie?lich die Hauptsache ist, ich kann ja im Wasser nicht atmen und dich deshalb nicht auf den Meeresgrund begleiten!?
?Macht euch deshalb keine Sorge, Urashima?, entgegnete die Schildkr?te, ?steigt auf meinen Rücken und das weitere werdet ihr sehen!?
?Aber mein Boot -- --? meinte Urashima bedenklich.
?Das findet ihr hier wieder, ich führe euch zurück!? unterbrach ihn das Tier.
?Aber du bist so klein, du kannst mich nicht tragen!? rief Urashima noch immer bedenklich.
Da rauschte es im Wasser, die Schildkr?te dehnte und streckte sich und staunend sah Urashima, wie sie sich immer mehr vergr??erte, bis sie die gleiche Gr??e des Bootes hatte, dann fragte sie lachend:
?Nun? -- Bin ich noch zu schwach für dich?? Da schwanden Urashima alle Bedenken, flugs stieg er aus seinem Boote, nachdem er dasselbe sicherheitshalber verankert hatte und nahm auf dem Rücken des Tieres Platz.
?Halte dich nur recht fest und fürchte dich nicht!? Nach einiger Zeit rief die Schildkr?te: ?Nun schlie?e fest die Augen und ?ffne sie nicht eher, als bis ich es dir sage. Auch halte ein Weilchen den Atem an, es dauert nicht lange!?
Urashima tat, wie ihm gehei?en und dann fühlte er, wie das Tier im Wasser versank; das Wasser rauschte und brauste um seine Ohren; ?ngstlich klammerte er sich mit beiden H?nden an das Schild seines sonderbaren Reitpferdes; aber eingedenk der Mahnung behielt er die Augen geschlossen und hielt den Atem?an.
Schon glaubte er, es ginge mit ihm zu Ende; da ert?nte der Ruf: ?Jetzt!?
Da ?ffnete er seine Augen und sah sich auf dem Grunde des Meeres, dessen feiner Sand aus lauter Perlen bestand. In der Ferne sah er ein riesiges Geb?ude in blendendem Glanze schimmern, auf das die Schildkr?te mit ihrem Reiter zuschwamm. Endlich kamen sie an und standen vor einem gro?en Tore, das aus purem Golde mit Edelsteinen verziert war. Zwei gro?e unheimliche Meerdrachen lagen vor dem Tore und glotzten Urashima mit fürchterlich rollenden Augen an, so da? ihm ganz ?ngstlich wurde. Als die Drachen aber die Schildkr?te erblickten, lie?en ihre drohenden Blicke nach und sie versuchten freundlichere Gesichter zu machen.
?Nun steige ab und warte hier!? sagte die Schildkr?te und ging dann, nachdem Urashima abgestiegen war und sich auf den Boden gesetzt hatte, durch das Tor.
Urashima sah sich dann um und wunderte sich sehr, da? er, obgleich er sich auf dem Meeresgrunde befand und das Meerwasser ihn umgab, doch ganz trocken war und ohne Beschwerden atmen konnte, ja die Luft kam ihm sogar viel reiner und würziger vor, als die oben auf der Erde.
Es dauerte gar nicht lange, da kehrte die Schildkr?te zurück; ihr folgte eine gro?e Anzahl Fische in allen Gr??en, Formen und Farben, wie sie der Ozean birgt; nur trugen alle ein ganz lichtes Gewebe in blauer Farbe, wie ein Kleid, und hatten silberne Aufschl?ge. Sie umringten Urashima,
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