Japanische Märchen | Page 4

Karl Alberti
verschönte ihr
Glück. Diesem Knaben hatten sie den Namen Dokyo[3] gegeben.

Eines Tages war Yasuna im Walde gewesen und kehrte erst spät abends
zurück. Als er vor seinem Hause ankam, war er nicht wenig überrascht,
vor der Tür seine Schwiegereltern mit seiner Frau stehen zu sehen, die
sich lebhaft unterhielten; er trat näher, begrüßte sie und fragte, warum
sie nicht in das Haus gingen, sondern vor der Tür ständen.
Sein Schwiegervater aber fuhr ihn zornig an, was das heißen solle, daß
er sich die ganzen Jahre lang nicht um seine Braut bekümmert habe und
jetzt mit einem andern Weibe zusammenlebe.
Yasuna wußte nicht, was er zu solcher Rede sagen sollte und war noch
mehr verwundert, als auch seine Braut ihm die gleichen Vorwürfe
machte. Er öffnete kurzer Hand die Tür des Hauses und lud alle ein
einzutreten. »Wir können uns da drinnen weiter darüber unterhalten,
was eure Vorwürfe bedeuten sollen; hier auf der Straße ist nicht der Ort
dazu!« sagte er und wollte vorangehen, prallte aber zurück, denn im
Zimmer saß seine Frau und nähte! -- Hier draußen stand aber auch
seine Frau; die aber behauptete, noch nicht seine Frau zu sein, sondern
nur seine Verlobte! Wer war die richtige, wer die falsche Kuzunoha? --
Er schloß nun ganz lautlos die Tür, trat zurück und sagte zu seinen
Schwiegereltern: »Wartet hier einen Augenblick, ich komme gleich
zurück!«
Dann trat er in sein Haus, begrüßte seine Frau und sagte ihr: »Deine
Eltern sind angekommen, rüste dich, sie zu empfangen! In einer Stunde
sind wir wieder hier!«
Nachdem die Frau zugesagt halte, alles aufs beste zu besorgen, ging
Yasuna zu den Schwiegereltern zurück und bat sie mit ihm einen
Spaziergang zu machen, nach einer Stunde würde er sie in sein Haus
führen.
Auf dem Wege erzählten ihm die Schwiegereltern, daß das bei ihnen
befindliche Mädchen tatsächlich ihre Tochter Kuzunoha, seine Braut
sei und daß diese untröstlich darüber, daß Yasuna in der langen Zeit
nichts habe von sich hören lassen, ihre Eltern veranlaßt habe, die weite
Reise mit ihr zu machen. Jetzt angekommen, müßten sie zu ihrer
großen Betrübnis sehen, daß bereits eine andere Frau im Hause sei!

Yasuna erzählte sein Abenteuer und seine glückliche Ehe.
Unter diesem Gespräch war die Stunde vergangen, alle kehrten zurück
und gingen ins Haus; aber es war keine Frau zu sehen, nur das Kind lag
auf seinem Lager und weinte, jubelte aber der Kuzunoha zu, die den
Knaben auf den Arm nahm und mit ihm scherzte. Dann erzählte der
Knabe ihr einen sonderbaren Traum, den er gehabt habe und fragte,
was er bedeute. Er sagte zur Kuzunoha: »Vorhin, als ich schlief, sagtest
du zu mir, daß du gar kein Mensch, sondern eine verzauberte Füchsin
seiest. Der Vater habe dir einmal das Leben gerettet und deshalb habest
du menschliche Gestalt angenommen und seist ihm in Gestalt seiner
Braut erschienen um ihm zu danken. Jetzt sei aber die wirkliche Braut
gekommen und so müssest du scheiden. Ich solle dies dem Vater
erzählen und ich soll brav und gut werden und bleiben. Ein dummer
Traum, nicht wahr!«
Alle sahen sich erstaunt an, war doch jetzt das Rätsel geklärt. Die
wirkliche Kuzunoha blieb nun im Hause als rechtmäßige Gattin
Yasunas und erzog den kleinen Dokyo zu einem tüchtigen Menschen,
der klug und tapfer wurde.
Von der weißen Füchsin hat man nie wieder etwas gehört.
[Anmerkung 1: Shimoda = Ort auf der Halbinsel Izu, nahe bei
Yokohama.]
[Anmerkung 2: Kumamoto = Stadt und Provinz im Süden Japans nahe
bei Nagasaki.]
[Anmerkung 3: Dokyo = Mut.]

[Verzierung]
Urashima Taro.[1]
In einem Fischerdorfe, nahe dem heutigen Yokohama lebte vor vielen,
vielen Jahren ein junger Fischer namens Urashima Taro. Als er eines

Abends vom Fischfang zurückkehrte und recht zufrieden und guter
Dinge war, weil er gute Beute gemacht hatte, sah er am Strande eine
Schar Knaben, die eine kleine Schildkröte gefangen hatten und sie an
einer an einem ihrer Vorderbeine befestigten Schnur im Kreise
herumschwangen und quälten[2]. Urashima, der die Tiere gern hatte
und jede Quälerei harmloser Tiere verabscheute, fühlte auch jetzt
wieder Mitleid mit dem armen Tierchen und ging auf die Kinder zu.
Indem er seiner Stimme einen energischen Ton gab, schalt er die
Kinder. »Was ist das für eine Bosheit«, rief er empört aus, »dieses
schuldlose und hilflose Tier so zu quälen! Wißt ihr nicht, daß Gott im
Himmel solche böse Kinder bestraft, die arme Tiere mißhandeln? Zeigt
einmal her, wem gehört denn diese Schildkröte?«
»Dieses Tier gehört niemandem!« entgegnete der älteste der Knaben
und fügte noch unverschämt hinzu: »Wir können machen, was wir
wollen; und wenn wir ein Vergnügen daran haben das Tier zu töten, so
ist das unser freier Wille und geht keinen anderen etwas an!«
Urashima sah ein, daß er diesem frechen Bengel nicht mit Morallehren
kommen dürfe; denn auf solche harte Herzen haben Worte keinen
Einfluß; er änderte also seine Taktik
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