die Erleuchtung der Kuppel und das Feuerwerk vom
Kastell gesehn. Die Erleuchtung ist ein Anblick wie ein ungeheures
Märchen, man traut seinen Augen nicht. Da ich neuerdings nur die
Sachen und nicht wie sonst bei und mit den Sachen sehe, was nicht da
ist, so müssen mir so große Schauspiele kommen, wenn ich mich
freuen soll. Ich habe auf meiner Reise etwa ein halb Dutzend gezählt,
und dieses darf allerdings unter den ersten stehn. Die schöne Form der
Kolonnade, der Kirche und besonders der Kuppel erst in einem
feurigen Umrisse und, wenn die Stunde vorbei ist, in einer glühenden
Masse zu sehn, ist einzig und herrlich. Wenn man bedenkt, daß das
ungeheure Gebäude in diesem Augenblick nur zum Gerüste dient, so
wird man wohl begreifen, daß etwas ähnliches in der Welt nicht sein
kann. Der Himmel war rein und hell, der Mond schien und dämpfte das
Feuer der Lampen zum angenehmen Schein, zuletzt aber, wie alles
durch die zweite Erleuchtung in Glut gesetzt wurde, ward das Licht des
Mondes ausgelöscht. Das Feuerwerk ist wegen des Ortes schön, doch
lange nicht verhältnismäßig zur Erleuchtung. Heute abend sehen wir
beides noch einmal.
Auch das ist vorüber. Es war ein schöner klarer Himmel und der Mond
voll, dadurch ward die Erleuchtung sanfter, und es sah ganz aus wie ein
Märchen. Die schöne Form der Kirche und der Kuppel gleichsam in
einem feurigen Aufriß zu sehen, ist ein großer und reizender Anblick.
Rom, Ende Juni.
Ich habe mich in eine zu große Schule begeben, als daß ich geschwind
wieder aus der Lehre gehen dürfte. Meine Kunstkenntnisse, meine
kleinen Talente müssen hier ganz durchgearbeitet, ganz reif werden,
sonst bring' ich wieder euch einen halben Freund zurück, und das
Sehnen, Bemühen, Krabbeln und Schleichen geht von neuem an. Ich
würde nicht fertig werden, wenn ich euch erzählen sollte, wie mir auch
wieder alles diesen Monat hier geglückt ist, ja, wie mir alles auf einem
Teller ist präsentiert worden, was ich nur gewünscht habe. Ich habe ein
schönes Quartier, gute Hausleute. Tischbein geht nach Neapel, und ich
beziehe sein Studium, einen großen kühlen Saal. Wenn ihr mein
gedenkt, so denkt an mich als an einen Glücklichen; ich will oft
schreiben, und so sind und bleiben wir zusammen.
Auch neue Gedanken und Einfälle hab' ich genug, ich finde meine erste
Jugend bis auf Kleinigkeiten wieder, indem ich mir selbst überlassen
bin, und dann trägt mich die Höhe und Würde der Gegenstände wieder
so hoch und weit, als meine letzte Existenz nur reicht. Mein Auge
bildet sich unglaublich, und meine Hand soll nicht ganz zurückbleiben.
Es ist nur ein Rom in der Welt, und ich befinde mich hier wie der Fisch
im Wasser und schwimme oben wie eine Stückkugel im Quecksilber,
die in jedem andern Fluidum untergeht. Nichts trübt die Atmosphäre
meiner Gedanken, als daß ich mein Glück nicht mit meinen Geliebten
teilen kann. Der Himmel ist jetzt herrlich heiter, so daß Rom nur
morgens und abends einigen Nebel hat. Auf den Gebirgen aber, Albano,
Castello, Frascati, wo ich vergangene Woche drei Tage zubrachte, ist
eine immer heitre reine Luft. Da ist eine Natur zu studieren.
Blick vom Pincio in Rom. Zeichnung von Goethe
Bemerkung
Indem ich nun meine Mitteilungen den damaligen Zuständen,
Eindrücken und Gefühlen gemäß einrichten möchte und daher aus
eigenen Briefen, welche freilich mehr als irgendeine spätere Erzählung
das Eigentümliche des Augenblicks darstellen, die allgemein
interessanten Stellen auszuziehen anfange, so find' ich auch
Freundesbriefe mir unter der Hand, welche hiezu noch vorzüglicher
dienen möchten. Deshalb ich denn solche briefliche Dokumente hie
und da einzuschalten mich entschließe und hier sogleich damit beginne,
von dem aus Rom scheidenden, in Neapel anlangenden Tischbein die
lebhaftesten Erzählungen einzuführen. Sie gewähren den Vorteil, den
Leser sogleich in jene Gegenden und in die unmittelbarsten
Verhältnisse der Personen zu versetzen, besonders auch den Charakter
des Künstlers aufzuklären, der so lange bedeutend gewirkt, und, wenn
er auch mitunter gar wunderlich erscheinen mochte, doch immer so in
seinem Bestreben als in seinem Leisten ein dankbares Erinnern
verdient.
Tischbein an Goethe
Neapel, den 10. Juli 1787.
Unsere Reise von Rom bis Capua war sehr glücklich und angenehm. In
Albano kam Hackert zu uns; in Velletri speisten wir bei Kardinal
Borgia und besahen dessen Museum, zu meinem besondern Vergnügen,
weil ich manches bemerkte, das ich im ersten Mal übergangen hatte.
Um drei Uhr nachmittags reisten wir wieder ab, durch die pontinischen
Sümpfe, die mir dieses Mal auch viel besser gefielen als im Winter,
weil die grünen Bäume und Hecken diesen großen Ebenen eine
anmutige Verschiedenheit geben. Wir fanden uns kurz vor der
Abenddämmerung in Mitte der Sümpfe, wo die Post wechselt.
Während der Zeit aber, als die Postillons alle Beredsamkeit anwendeten,
uns Geld abzunötigen, fand ein mutiger Schimmelhengst Gelegenheit,
sich loszureißen und fortzurennen; das gab ein Schauspiel, welches uns
viel Vergnügen machte. Es war ein schneeweißes schönes
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.