Isabella von Aegypten | Page 8

Achim von Arnim
Tritte der
schimmernden Füße hinziehend zu ihm, aus ihren unzähligen Locken
tausend Glückslose auf ihn taumelnd in tausend süßen Blicken, bis der
Mund sich nicht mehr halten konnte und auf den Mund des Prinzen
niedersank. Bis jetzt war ihr alles gelungen, der Prinz aber, von dem
Kusse erweckt, vor den erschreckten Augen von tausend Phantomen
seines Traumes wie mit glühenden Kugeln umstürmt, sprang mit
höchstem Ungestüme auf und stürzte atemlos schreiend in das
Nebenzimmer; seine Pistole, seinen Degen, alles hatte er vergessen,
solch ein Grauen wohnt in der Tiefe des hochmütigsten Menschen vor
der unnennbaren Welt, die sich nicht unsern Versuchen fügt, sondern
uns zu ihren Versuchen und Belustigungen braucht. Bella war so
entsetzt von seinem Abscheu, daß sie sich stumm und willenlos der
Alten überließ, die sie rasch durch die versteckte Tapetentüre in die
Kammer trug. Bald darauf kam der Prinz mit Cenrio und einigen
Soldaten zurück, die in Wahrheit alle größere Lust hatten, draußen zu
bleiben, als einzudringen. Wer so etwas nicht empfunden hat, wird es
nicht glauben, aber ein Gespenst schlägt eine ganze Armee in die
Flucht, denn was einem braven Manne übermächtig furchtbar ist, das
ist es im Durchschnitte für alle. Der Prinz zeigte noch den meisten Mut;

er schwur laut: "So schrecklich die schwarzen Schlangen an dem
Haupte waren, ein schöneres Antlitz habe ich nie gesehen, ungeachtet
der ungeheuren Größe in dem besten Verhältnisse, einen glühenden
Knopf trug es an der Brust; aber jetzt ist nichts hier bei der heiligen
Mutter Gottes, leuchtet nur unter das Bette; will keiner dran, so muß
ich's selbst tun: hier auch nichts; so war's denn doch ein Gespenst,
Cenrio, und ich habe meinen Türkensäbel an Euch verloren, Cenrio;
wüßte ich nur, was das liebe Gespenst verlangt hätte, bei Gott, ich
bleibe hier, seht, es fällt mir erst jetzt alles wieder ein. Sind meine
Lippen nicht verbrannt? ich schwöre Euch, es hat mich geküßt, daß mir
vor Seligkeit das Herz stieg. Cenrio, ich will hier bleiben, will es fragen,
was es von mir begehrt!"
Cenrio schwur, daß er es nach diesem Schrecke des Prinzen seiner
Gesundheit wegen nicht zugeben dürfe, der Prinz selbst ließ sich nicht
lange bitten, diese harte Probe seiner Herzhaftigkeit aufzugeben. Er war
nicht beschämt, da alle bleich und erschreckt umhersahen und beim
leisesten Geräusch zusammenfuhren, auch konnte er jetzt noch, ohne
daß Adrian, der bei seinen Büchern saß, etwas davon gemerkt hätte,
nach Hause kommen. Die Alte war nicht ganz zufrieden mit dem
Entschluß, indessen wußte sie das Gute davon doch noch vollständig zu
nutzen, um sich und den ihrigen das Haus zu sichern, denn kaum war
die Haustüre von den rasch auswandernden Gästen verlassen, so sprang
sie zum Schrecken der guten Bella wie eine Rasende aus der Kammer,
schlug mit allen Türen heftig auf und zu, warf alle Tische um, daß die
Abziehenden in stiller Angst ihre Pferde bestiegen und, ohne sich
umzublicken, nach der Stadt ritten, wo sie auf ewige Zeiten durch
vergrößernde Erzählungen den Geisterruf des Gartenhauses bestärkten.
Der Prinz mußte noch in derselben Nacht mit einem Fieber für sein
Wagestück büßen. Der liebliche Kopf der Bella schwebte ihm darin vor,
das Fieber verriet ihn, indem es ihm eine falsche Wahrheit zeigte, und
er beichtete es mit großer Betrübnis am anderen Morgen dem Adrian,
wie er in ein Gespenst verliebt sei. Das war eine köstliche Gelegenheit
für diesen, dem Kaiser Maximilian die Sorge für das Lateinlernen
seines Enkels besonders übertragen hatte, ihm zur Buße eine große
Menge Vokabeln aufzugeben, die auch der Prinz mit einigem Erfolge
gegen den nächtlichen Eindruck brauchte.
Die arme Bella in ihrer Einsamkeit mußte ihre erste Zuneigung härter

büßen. Nachdem es ihr ein paar Tage genügt hatte, statt zu schlafen, an
ihn zu denken und nachts von allen Seiten umzuschauen, ob er nicht
wieder zum Besuche in ihr Geisterhaus kommen würde, nachdem
Braka sie ernstlich ausgescholten hatte, daß sie so törichten Gedanken,
die sie vor der Zeit bleichten, ihre frischen Tage hingebe, nachdem sie
sich diesen und andern Rat gar oft wiederholt hatte und doch immer
wieder vergaß und in den beliebten fremden Gedanken abgleitete,
fragte sie einmal Braka, ob es denn kein Mittel gebe, wie man
unsichtbar werden könne, um in der Stadt herumwandern zu dürfen.
Braka lachte und sprach: "Ich weiß kein anderes, als viel Geld zu haben,
da kann man eingehen, wo man will, das ist der wahre Hauptschlüssel,
die wahre Springewurzel, bei deren Berührung die Türen aufspringen.
Dein Vater mochte noch wohl andre Künste gewußt haben, aber wenn
sie nicht in seinen Büchern stehen, so sind sie verloren!" Bella behielt
diese Nachricht still vor sich, sie fiel ihr ins Gemüt, als ob sie dieselbe
nie vergessen könnte; kaum war die Alte wieder auf den Erwerb
ausgegangen, so suchte sie die Bücher wieder hervor, die seit dem
Besuche des Prinzen in einem Winkel gerastet hatten; sie sah bei
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