dieser
Gelegenheit, daß die Alte ihr den ganzen Vorrat seltener heilender
Kräuter und Wurzeln fortgetragen hatte, und diese Untreue brachte sie
zu dem Entschlusse, ihr nichts mehr von allem zu entdecken, wozu sie
die geheimen Kräfte ansprechen wollte. Aber welcher neue Ekel war
ihr in diesen Büchern vorbereitet, viel geheime Regeln, Zeichnungen,
von denen sie nichts verstand, den Stein der Weisen zu finden, Geister
zu zitieren, Krankheiten zu beschwören, das Vieh zu verzaubern,
endlich auch ein Mittel, Gold zu machen, aber dies Mittel so
weitläufig,.als müßte man zwei Monden anspannen, um zur Sonne zu
fahren. So verging ihr eine Woche nach der andern, bis sie in einer
Nacht ganz ermüdet auf eine ausführliche Nachricht traf, wie Alraunen
zu bekommen, und wie diese dienstbar Geld und was ein weltliches
Herz sonst begehre, mit stehlender, untrüglicher Listigkeit zuführten.
Aber welche Schwierigkeit, sie zu gewinnen, und doch war es die
leichteste von allen Zaubereien; die Zauberei braucht die härteste
Schule; wer sie aushalten kann, möchte auch wohl in den
gewöhnlichsten Geschäften ohne alles Geheimnis zu zaubern scheinen.
Wer kennt jetzt nicht die Bedingungen, einen Alraun zu gewinnen, und
wer möchte sich ihnen noch unterziehen, wer könnte sie erfüllen? Es
wird ein Mädchen gefordert, das mit ganzer Seele liebt, ohne Begierde
zur Lust ihres Geschlechtes, der die Nähe des Geliebten ganz genügt:
eine erste, unerläßliche Bedingung, die vielleicht in Bella zum
erstenmal wahrgeworden war, weil sie von den Zigeunern, die sie
bisher kennen gelernt, immer als ein Wesen höherer Art behandelt
worden und sich dafür anerkannt hatte; die Erscheinung des Prinzen
war ihr aber so heilig rein, wie der Körper des Allerheiligsten in der
Messe, vorübergegangen, zu schnell, um ihre Betrachtung zu wecken.
In solchem Mädchen, das so mächtig von der Phantasie in allen Segeln
angehaucht wird, soll gleichzeitig der übermännliche Mut wohnen,
nachts in der eilften Stunde mit einem schwarzen Hunde unter den
Galgen zu gehen, wo ein unschuldig Gehenkter seine Tränen aufs Gras
hat fallen lassen; da soll sie ihre Ohren mit Baumwolle wohl verstopfen
und mit den Händen suchen, bis sie die Wurzel erreicht, und trotz allem
Geschrei dieser Wurzel, die keineswegs natürlicher Art, sondern ein
Kind der unschuldigen Tränen des Erhenkten ist, ihr das Haupt
entblößen, einen Strick aus ihren eignen Haaren umlegen, den
schwarzen Hund daran spannen, dann fortlaufen, so daß der Hund, im
Wunsche ihr zu folgen, die Wurzel aus der Erde zieht, wobei er von
einer erblitzenden Erschütterung des Bodens unfehlbar erschlagen wird.
Wer in diesem Augenblicke, dem entscheidendsten, seine Ohren nicht
wohl verstopft hat, kann von dem Geschrei auf der Stelle unsinnig
werden. Bella war wiederum die einzige seit Jahrtausenden, bei der
sich alle diese Erfordernisse vereinigten; wer war unschuldiger, als das
teure Haupt ihres Vaters Michael, der in rastloser Tat für sein armes
Volk, in steter Mühe und Not für die Seinen, um das Unbedeutendste
einem Reichen zu entfremden, allzu ehrlich und stolz gewesen war.
Welches Mädchen hätte Mut gehabt, in der Mitternacht einen solchen
Weg mit Überlegung zu machen, als Bella, die nun schon seit vier
Jahren, wo ihre Mutter gestorben, ein verstecktes, nächtliches Leben
geführt hatte und mit dem Laufe des Mondes, mit den Sternen zu
vertraulich bekannt war, um in der Nacht noch eine besondre
Einsamkeit und Traurigkeit wahrzunehmen. Welches Mädchen hatte
wie sie einen schwarzen Hund, aus dessen Augen mehr blickte, als sein
Mund ausbellen konnte, und wiederum welchem Mädchen war dieser
einzige Gesellschafter so verhaßt, wie ihr, die ihn seit früher Zeit, wo er
sie gebissen, nicht leiden konnte und ihn jetzt noch mehr verachtete,
nun er ihr mit einer widrigen Demut diente und sie doch auf allen
Wegen belauerte und, wenn sie recht zärtlich mit einer Puppe aus alten
Kleidern wie mit dem Prinzen sprach, sie auslachte; auch hatte der
Vater immer behauptet, es stecke der böse Feind in dem Hunde.
Welches Mädchen hatte endlich so langes Haar, wie Bella, um es zu
Stricken flechten zu können, und welche mochte es, wie sie, ruhig zu
dem Versuche hingeben; sie aber wußte nichts von ihren Schönheiten,
es war ihr lieb, daß sie künftig nicht so lange an ihren Haaren zu
kämmen hätte, und so sank ihr Haar, in dessen glatten Locken sich oft
die Sterne wie im Haupthaar der Berenize gespiegelt hatten, im raschen
Schnitt einer Schere wie ein schwarzer Schleier auf den Boden rings
um sie her, ihrem Hund Simson eine Kette daraus zu flechten, die ihm
den Tod brächte. Sie merkte bald, daß er alles, was sie gesprochen,
vernommen habe, denn statt daß er sich sonst kleine Vorräte an
Knochen und Brot im Garten vergrub, so öffnete er jetzt nach und nach
alle diese vergrabenen Schätze und fraß unersättlich. Hätte jenes sie
rühren können, so empörte sie dies noch mehr; übrigens schien er nicht
traurig, aber er sah sie spöttisch an, und als der erste Freitag kam, denn
ein Freitag
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