Huttens Letzte Tage | Page 8

Conrad Ferdinand Meyer
und Praefatio
Schrieb ich an unsern heil'gen Vater
so:
"Die dir im Amt vorangegangen sind,
Die taugten nichts. Das weiß
ein jedes Kind.
Sie fälschten, stahlen, raubten allezeit,
Ein beßrer Mensch ist deine
Heiligkeit.
Sie waren Schelme. Meinst du nicht? Verglich'
Ich dich mit ihnen, es
betrübte dich!
Du billigst meine Rede, weiß ich schon,
Doch gib es, bitt' ich,
schriftlich deinem Sohn!
Verkünd es aller Christenheit und gib
Ein Breve: "'Ulrich Hutten ist
mir lieb!'"
Ich muß es mir bekennen dann und wann:
Nicht völlig ungerecht bin
ich im Bann.
XXXIV Erasmus
Frau Schwermut setzt sich heute neben mich
Und raunt mir zu: "Die
Menschen lassen dich.
Du bist ein halbzertrümmert Kriegsgerät,
An
dem man achtungslos vorübergeht.
Die Freunde wenden sich von dir mit Scheu,
Nur deine Feinde
bleiben dir getreu.
Du warst zu kühn und, streckst du dich erbleicht,
So wird es dir und
wird den andern leicht"...
Der Schiffer kommt. Freund! Was ist dein Gesuch?
--"Hier, Ritter,
bring' ich etwas wie ein Buch."
Versiegelt ist's. Von wem? Ich weiß es nicht.
Die Hand, sie zaudert,

die das Siegel bricht.
Schickt, Büchlein, dich ein Freund, mich zu erfreun?
Ein Feind, mir
alte Wunden zu erneun?
Ich, sonst so kampfgewöhnt und wetterhart,
Auf dieser stillen Insel
werd' ich zart
Und dessen Hand so rasch zum Schwerte fuhr,
Friedselig werd' ich
hier wie die Natur.
Wie? Hutten zagt? Enthieltst du Gottes Spruch
Und Urtel selbst, ans
Licht, verhülltes Buch!
"Erasmus gegen Hutten. Offner Brief."
Recht! Hutten und Erasmus
wäre schief.
Latein ist gut! Latein verdient ein Lob!
Glatt, elegant... Potz Blitz, da
wird es grob!
"Zerlumpter Ritter!" redest du mich an,
Betitelst mich "verkommener
Kumpan!"
"Zerlumpter Ritter!" Ein erbaulich Bild!
Mißgönnt der Bankert mir
das Wappenschild?
Ich Hutten weiß, wieviel die Tinte tut,
Doch mehr vermag ein dreister
Reutersmut!
Der Römling, der in unsern Landen haust,
Erbleicht vor der
geschienten Edelfaust!
"Potator, aleator"... Geht's auf mich?
Du munkelst, deutelst,
heuchelst--schäme dich!
Und hier... und hier--nicht möglich! Büchlein, schweig!
Ein
Musenliebling! Und so schlecht und feig!

Erasmus rät den Zürchern--niedrig Tun--
Mir zu verbieten, hier mich
auszuruhn.
Mich aufzunehmen in des Gastes Recht,
Gefährlich sei's! Du kennst
die Zürcher schlecht!
Das alles, weil ich, der du brav mir schienst,
Dich werben wollte für
der Freiheit Dienst.
Mann, wären nicht gezählt die Tage mir,
Zu Basel auf die Bude stieg'
ich dir!
Ich zöge dich mit diesen Armen, glaub
Es mir, hervor aus deinem
Bücherstaub.
Doch zittre nicht! dir sollte nichts geschehn,
Ich würde nur dir Aug in
Auge sehn.
Dein edles Wissen, spräch' ich, liegt dir tot,
Du bietest Gold und wir
bedürfen Brot!
Die Menge hungert, ahntest du es nie?
Hervor mit deinen Schätzen!
Sätt'ge sie!
Dein Denken, spräch' ich, ist ein eitler Traum,
Wächst drangvoll nicht
daraus ein Lebensbaum...
Was willst du? Weihrauch? Ehrerbietung? Gern.
Du bist ein großes
Licht, ein heller Stern!
Vor deinem Ruhme beugt der Hutten sich--
Nun aber, großer Mann,
ermanne dich!
Die Satyrmaske lege sie beiseit--
Ein offnes Antlitz fordert unsre
Zeit.
Freund--alles ist vergeben, rede frei!
Ich schütze dich vor Papst und

Klerisei!
Du kennst die Wahrheit, übe nicht Verrat,
Gib Zeugnis! Wage eine
Mannestat!
Bekenn, Erasme, ob du ein Papist,
Ein Römer oder evangelisch bist!
Kein Drittes! Gib in großem Stile dich!
Du kneifst die Lippen--bist
du unser? Sprich!...
Dein schlaues Auge blickt mich spöttisch an?...
Vale, Erasme! Tot
und abgetan!
XXXV Das Huttenlied
Der Ufenau vorüber glitt ein Kahn
Ganz nah. Fast stieß er an das Ufer
an.
Von fahrnden Schülern war der Nachen voll,
Ein Lied aus
zwanzig jungen Kehlen scholl.
Im Buchenlaub verborgen, unsichtbar,
Lag nahe zum Berühren ich
der Schar.
Das Ruder schlug den Takt der Melodie,
Entlang das Inselufer sangen
sie:
"Behüte Christ das edel fränkisch Blut!
Es schreibet uns viel kostlich
Bücher gut!
Aus Treuen tut's der Ritter, ohne Lohn,
Die Treu verspürt die
deutsche Nation!
Der Römer schickt dir Mörder vor die Tür,
Ach edler Hut aus
Franken, sieh dich für!"¹
Sie brachen Zweiglein ab vom Buchenhag
Und keiner ahnte, wer
dahinter lag.

0. Huttenlied.
XXXVI Deutsche Libertät
Ein lustig Trommeln zieht den Strand entlang
Mit gellen Pfeifen und
mit Kriegsgesang.
Sie lösen ihre Stücke. Rauch und Dampf.
Er
lichtet sich. Standarten, Roßgestampf.
Gewalt'ge Körper! Es ist eine Lust,
Wie sie daher stolzieren
selbstbewußt.
's ist Schwyzerboden. Üppig fließt der Sold,
Wild, immer wilder
brennt der Durst nach Gold.
Die Älpler haben Lebensüberfluß
Und starkes Blut, daß man sie
schröpfen muß.
Wem ziehn sie bei? Die Lilien seh' ich wehn,
Zu König Franz wird
dieser Reislauf gehn.
Nicht treibt der Schweizer seinen bösen Lauf
Allein. Der
Landsknecht nimmt es mit ihm auf.
Der deusche Ritter auch, er ficht und rauft
Für jeden fremdem König,
der ihn kauft.
Fürst, Pfaffe, Bauer, Städte, Ritterschaft,
Ein jedes trotzt auf eigne
Lebenskraft!
Zum Henker eine Freiheit, die vergißt,
Was sie der Reichesehre
schuldig ist!
Zum Teufel eine deutsche Libertät,
Die prahlerisch in Feindeslager
steht!
Geduld! Es kommt der Tag, da wird gespannt
Ein einig Zelt ob allem
deutschen Land!

Geduld! Wir stehen einst um ein Panier
Und wer uns scheiden will,
den morden wir!
Geduld! Ich kenne meines Volkes Mark!
Was langsam wächst, das
wird gedoppelt stark.
Geduld! Was langsam reift, das altert spat!
Wann andre welken,
werden wir ein Staat.
XXXVII
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