Huttens Letzte Tage | Page 7

Conrad Ferdinand Meyer
gehüllt,
Bis

oben an den Rand mit Geist gefüllt.
Statt eines Briefs hat der Bequeme mir
Geschickt das Fläschchen
Rüdesheimer hier.
Dank! Einmal solche würz'ge Labe noch!
Ihr Gutes hat die
Pfaffengasse doch.
Der Arzt verordnet mir den Wasserstrahl,
Wohlan, ich zeche heut
zum letzten Mal!
Nicht brauch' ich dich zu schwenken, du bist rein,
Du kommst vom
Brunnen, hölzern Becherlein!
Herr Rüdesheim, was gibt's am Rhein? Wie geht's
Der Klerisei von
Mainz? Sie durstet stets?
Erlaucht, auf Schweizerboden keinen Stolz!
Bequemet Euch in dies
Gefäß von Holz!
Lab' ich allein mich aus dem Zauberquell?
Liegt nirgend hier im Gras
ein Zechgesell?
Allein zu trinken ist mir schwer verhaßt,
Ein Mönchlein selber wär'
mir recht als Gast.
Ein Mönchlein! Wäre nur der Luther hier,
Mit Feuerzungen sprächen
beide wir!
Ihn traf der Frundsberg auf der Dornenbahn
Zu Worms mit einem
vollen Humpen an
Und sprach ihm zu: "Mach dir die Kehle naß!
Dann rede frisch! in
vino veritas."
Im Weine Wahrheit! Doch auch du bist hie,
Anmut'ge Lüge, Traum
und Poesie!

Aus meinem Becher steigt ein Reigen klar
Und lächelnd grüßt mich
eine Geisterschar.
Voraus die ewig junge Lebenslust,
Sie legt den Lockenkopf mir an
die Brust
Und schaut zu mir mit hellen Augen auf:
"Du wirst genesen, Hutten!
Zähle drauf!"
Und hier die Blasse mit dem süßen Schein
Der trauten Blicke muß
die Liebe sein!
Sie flüstert das beseligende Wort:
"Noch hüte, Hutten, ich dir einen
Hort!"
Mit beiden Armen winkt sie Heil mir zu:
"Es ist die Schönste, Hutten!
Traue du!"
Und der Poet in meinem Herzen singt,
Von holder Erdefreuden Chor
umringt,
In tausend Melodieen ein Getön:
O Erde, du bist lustig, du bist
schön!...
Verbleiche, Reigen! Sinnentanz, erlisch!
Herr Reformator Hutten, auf
vom Tisch!
Des Weines Hälfte blieb, die heb' ich auf
Dem Freunde, kehrt er müd
vom Arzteslauf.
Drei Züge noch, das ist die heil'ge Zahl!
Drei Sprüche noch und
sonder lange Wahl!
Den ersten Trunk dem heil'gen röm'schen Reich!
Möcht' es ein
weltlich deutsches sein zugleich!
Den zweiten meinem Kaiser! Möcht' er sein,
Der fünfte Karl, so echt,

wie dieser Wein!
Den dritten bring' ich jedem auf der Welt,
Der sich und seinen Becher
wacker hält!
XXX Der Uli
Gelassen schreitet dort im Ackerfeld
Ein rüst'ger Mann, der späte
Saat bestellt.
Schön ist ein jedes Werk, das Jahr entlang,
Am
liebsten doch ist mir des Säers Gang...
Mein wackrer Albrecht Dürer, mal mir heut
Den lieben Heiland, wie
er Körner streut,
Mit einem deutschen Himmel frisch und klar
Und deutscher
Landschaft--für den Fronaltar...
Als ich mit Zwingli jüngst am Mahle saß,
Erzählt' er etwas, das ich
nicht vergaß.
Er sprach: "Das wilde Tal, das mich gebar,
Bringt weder Wein noch
Frucht im wärmsten Jahr.
So kam's, daß ich gelebt der Jahre zehn,
Bevor ich Egge, Pflug und
Saat gesehn.
Da nahm der Vater mich zu Tale mit,
Die Säer drunten zählten Schritt
um Schritt
Und streuten edeln Wurfs, geheimen Winks
Die wundersamen
Körner rechts und links.
Ich schaute die Gebärden allesamt,
Streng und gemessen, wie beim
heil'gen Amt,
Und endlich frug ich mit erstauntem Wort:
'Vater! Was tun die
Männer Frommes dort?'

Er lachte: 'Solches sahst du nie zu Haus!
Sie streun das Brot des
lieben Gottes aus.
Was ist dir, Uli? Weinst du? Schäme dich!'
'Ei, Vater, es ist gar so
feierlich.'"
XXXI Die deutsche Bibel
Ein frommer Tag, da ich, gestreckt ins Gras,
Die "Schrift, verdeutscht
durch Martin Luther" las.
Gern hör' ich deiner Sprache, Luther, zu,

Wer braucht das Wort gewaltiger als du?
Auf einer grün umwachsnen Burg versteckt,
Hast du die Bibel und
das Deutsch entdeckt.
Ich las und alte Mär aus Morgenland
In Fleisch und Blut verwandelt
vor mir stand.
Den Heiland hör' ich, der mich traulich lehrt,
Aus einem Fischerboot
mir zugekehrt.
Und plaudert' hier am Brunn im Schattenraum
Mit einem Weiblein er,
mich wundert's kaum.
Vielleicht dortüben wandelt am Gestad
Durchs hohe Korn er auf
verdecktem Pfad...
Der Rittersmann, der Knecht im Bauerkleid
Vernimmt von ihm den
Weg zur Seligkeit--
Auch seine Henker tragen deutsche Tracht,
Zu Köln wird er im
Dornenkranz verlacht
Und spottend geht an seinem Kreuz vorbei
Ein Chorherr aus der
Mainzerklerisei....
Leer steht das Holz. Ein Zettel flattert dran
Mit got'scher Schrift. Es

hebt die Predigt an.
Die Feuerzungen wehn. Fest Pfingsten flammt.
Martinus tritt in das
Apostelamt.
Der Sturm erbraust und jede Sprache tönt--
Wie tief das Erz der
deutschen Zunge dröhnt!
XXXII Luther
Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,
Je mächt'ger rührt er unsre
Menschlichkeit.
Der selber ich der Zelle früh entsprang,
Mir graut,
wie lang der Luther drinnen rang!
Er trug in seiner Brust den Kampf verhüllt,
Der jetzt der Erde halben
Kreis erfüllt.
Er brach in Todesnot den Klosterbann--
Das Große tut, nur wer nicht
anders kann!
Er fühlt der Zeiten ungeheuren Bruch
Und fest umklammert er sein
Bibelbuch.
In seiner Seele kämpft, was wird und war,
Ein keuchend hart
verschlungen Ringerpaar.
Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet--
Mich wundert's nicht,
daß er Dämonen sieht!
XXXIII Die Vorrede
Heut übermochte mich--seit langer Zeit
Zum ersten Mal--ein Sturm
von Lustigkeit.
Ich lag im Gras. Da blitzt' mir durch den Sinn,
Wie
mit dem Papst ich umgesprungen bin.
Unbändig lacht' ich in der grünen Saat
Und freute mich der frechen
Jugendtat.

In einer Widmung
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