Huttens Letzte Tage | Page 6

Conrad Ferdinand Meyer
genug.

Die Kunst des Knaben hab' ich nicht verlernt,
Doch sind die Ufer
weiter hier entfernt.
Ich schlug als Kind in übermüt'ger Lust
Den sanften Main und trat
ihn auf die Brust.
Da hab' ich unter mir zu sehn geglaubt
Ein schilfbekränztes, göttlich
mildes Haupt.
Es war mir immer nur zu nah das Land,
Mich warf der Flußgott
scherzend auf den Sand.
Was einst des Knaben Spiel und Freude war,
Wird nun dem Mann
zur Arbeit und Gefahr.
Er weiß es, wenn er ringt und wenn er strebt,
Daß er auf einer
Todestiefe schwebt!
XXIV Was die Glocken sagen
Heut geht am See ein endlos Glockenspiel,
Mir scheint, die taufen
und begraben viel.
Wann Menschenblut in neuen Adern kreist,

Erneuert sich der träge Menschengeist.
Das Glöcklein sagt, das dort so kläglich schallt:
Ein Päpstler steigt ins
Grab vergilbt und alt.
Das Glöcklein sagt, das hier so lustig schellt:
Es kam ein kleiner
Protestant zur Welt.
XXV Astrologie
Ihr lieben Sterne tröstet allezeit,
Wer dächte, daß ihr arge Zwingherrn
seid!
Ihr seid's! Als sich die Erde mir erhellt,
Ward mir ein widrig
Horoskop gestellt.
Weil, als ich kam, der Widder just geglüht,
Bin ich von

unverträglichem Gemüt.
Ein flackernd Himmelsirrlicht trägt die Schuld
An meiner Wanderlust
und Ungeduld.
Gewissen, lasse fürder mich in Ruh!
Den Sternen schreib' ich meine
Sünden zu.
Doch überleg es Hutten! Dreimal nein!
Ein Sklave willst du nie
gewesen sein.
Du bist ein Feind von jeder Tyrannei
Und deine Sünden auch
begingst du frei!
XXVI Homo sum
Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht
Und werde doch vom
Teufel scharf versucht.
Ich möchte meiner Seele Seligkeit
Und bin
mit Petri Schlüsselamt im Streit.
Am Tisch der Fugger speist' ich dort und hie
Und schimpfte weidlich
Pfeffersäcke sie.
Den Städterhochmut haßt' ich allezeit
Und hätte gern ein städtisch
Kind gefreit.
Auf ehrenfeste Sitten geb' ich viel
Und fröne dem verdammten
Würfelspiel.
Ich bin des Kaisers treuster Untertan
Und riet dem Sickingen
Empörung an.
Das plumpe Recht der Faust ist mir verhaßt
Und selber hab' ich wohl
am Weg gepaßt.
Ich bete christlich, daß es Friede sei,
Und mich ergötzen Krieg und
Kriegsgeschrei.

Der Heiland weidet alle Völker gleich--
Nur meinen Deutschen gönn'
ich Ruhm und Reich!
Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch,
Ich bin ein Mensch mit
seinem Widerspruch.
XXVII Ariost
Die Feder leg' ich weg. Heut ist ein Tag,
Da keine Zeile mir geraten
mag!
Wie wend' ich ab der langen Weile Fluch?
Ein Buch, Herr
Pfarrer! Ein ergötzlich Buch!
--"Zu Dienst, Herr Ritter! Wenn Ihr Welsch versteht?"
Ich konnt' es
einst und meine noch, es geht.
Woher das Buch?--"Ein welscher Architekt
Las drinnen hier und hat's
nicht eingesteckt."
Roland in Furie. Verse, welscher Gauch?
Nun, Verse machen kann
der Hutten auch.
Nur keinen Schwulst, mein Dichter, keinen Frost!
Dein Name lautet?
Ludwig Ariost.
Mir unbekannt. Dein Erstling, junges Blut?
Respekt! Ich bin ein Alter!
Zieh den Hut!
Du hoffst, daß ich dich lese? Wahn! mein Kind.
Ich sause durch die
Blätter, wie der Wind.
Verwunschene Prinzessen--Drachenbrut--
Das tolle Zeug ist für die
Kinder gut.
Was soll uns noch die bunte Wunderzeit?
Wir fußen jetzt in harter
Wirklichkeit.
Ein frisches Bild! Nun ja--ein feiner Spruch!
Ei Zauber! Üppig Grün

entsprießt dem Buch!
Da setzen zwei Verliebte sich hinein,
Das Blatt gewendet und sie sind
allein.
Es kracht! Ein Ritterpaar, das Lanzen bricht!
Die Splitter fliegen auf
zum Sonnenlicht
Und fallen nieder, schwärzlich angebrannt,
Auf die Behelmten, die
sich umgerannt.
Hanswurst, gemach! Das lohn' der Teufel dir!
Verspottest du das
löbliche Turnier?
Wes Geistes Kind? Laß sehen! Blättre, Hand!
Ein Feldgeschütz
erobert Held Roland
Und flucht der Kugel und dem Pulverknall,
Als wären sie des
Rittertums Verfall--
Der Sickingen erfuhr's, den, ach, ein scharf
Gezielter Schuß zum
Sterben niederwarf!
Gewiß, viel änderte der Pulverblitz!
Und hier--das ist ein kapitaler
Witz--
Hier läuft ein Kerl und schwingt die Halebard,
Der's nicht bemerkt,
daß er getötet ward!
Bei meinem Bart! Das Bild der alten Zeit,
Die noch die Waffe führt
und schilt und schreit,
Den jungen Tag bekämpft mit Trutz und List
Und nicht bemerkt, daß
sie verstorben ist!
Ich wittre, Welscher, deinen Schlich und Brauch,
Des Witzes
scharfen Bolzen schoß ich auch:

Aus wunderbaren Mären seh' ich braun
Und lachend eines Schalkes
Augen schaun.
Vor einer Fabelwelt verbeugst du dich
Und grüßest hübsch--und
machst sie lächerlich.
Was ich befehdet mit des Herzens Kraft,
Zerstörst du mit des
Scherzes Meisterschaft.
Ich reich' dir über das Gebirg die Hand,
Mein Meister Ludowig im
welschen Land!
In deines Maskenscherzes Fröhlichkeit
Bist du, wie ich, ein echtes
Kind der Zeit.
XXVIII Bin ich ein Dichter?
Das Lied des Welschen wandelt voller Glanz,
Es schwebt wie
Musenschritt und Grazientanz.
Der Reim des Welschen hat ein hell
Geläut--
Ob ich ein Dichter bin? Das plagt mich heut.
Du zweifelst, Hutten? Hat dich eines Tags
In Augsburg nicht gekrönt
der Kaiser Max?
Das gilt!... Auch neben diesem welschen Lied?
Wär' ich am Ende
bloß ein Verseschmied?
Ich bin ein Verseschmied! So nenn' ich mich!
Am Feuer meines
Zornes schmiedet' ich
Rüstung und Waffen zu des Tags Bedarf
Und wahrlich, meine
Schwerter schneiden scharf!
XXIX Der letzte Humpen
Herr Konrad der Comtur vergaß mich nicht
Und seine Sendung lacht
wie Sonnenlicht.
Sie ist, ob auch in schlichtes Stroh
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