Huttens Letzte Tage | Page 4

Conrad Ferdinand Meyer
Gespensterwelt.
Der Kurfürst setzte sich. Ihm stand ich links.
Der bleiche Magier
harrte seines Winks.
Natürlich ging die erste Frage da
Nach der erlauchten Bübin Helena.
Er rief der Leda Kind. Es zeigte sich
Ein blanker Fuß und tanzte
wunderlich.
Das leere Gaukelspiel, das mich verdroß,
Entzückte den vernarrten
Pfaffentroß.
Was schiert die Metze mich? Herr Nekromant,
Seid Ihr mit edlern
Toten nicht bekannt?
--"Wen fordert Ihr?" Den Kaiser Constantin!
Er rief. Ein
Purpurtragender erschien.
Ich frage Majestät, ob ihr gedenkt,
Daß sie dem Papst die ew'ge Stadt
geschenkt?
"Ja", nickte das Gespenst. Wie? Wo? Und wann?
Ein Märchen ist's,
das Eigennutz ersann!
Es ist Betrug und das beweis' ich stramm
Mit scharfer Kunst, die
nennt man Criticam.
Du bist ein Pfaffengeist! Zur Hölle fort!
Der Lügenkaiser schwand
vor meinem Wort.

XV Das Hütlein
Es war in Brüssel vor dem Ständehaus.
Die Sage ging: "Der Kaiser
reitet aus!"
Noch hatt' ich nie das junge Haupt geschaut,
Dem wir
des Reiches höchstes Amt vertraut.
Ein edles Roß ist unsre Zeit. Es stampft.
Es wiehert mutig. Seine
Nüster dampft.
Ob er die Zügel klug und kühn ergreift?
Ob er's bewältigt? Ob's ihn
wirft und schleift?
Da wir Poeten abergläubisch sind,
Erdacht' ich ein Orakel mir
geschwind:
Für diesen Kaiser gelte fort und fort
Das erste seinem Mund entfallne
Wort!
Er kam. Ein Hütlein trug er, meiner Treu,
Mit Reiherfedern,
funkelnagelneu!
Der Himmel macht' ein mißvergnügt Gesicht,
Sich selber fragend:
Regn' ich oder nicht?
Jetzt klatschten Tropfen auf das Pflaster schwer,
Die junge Stirne
legt' in Falten er
Und lugte sorgend zu den Wolken auf.
"Mein altes Hütlein!" rief er,
"Kämmrer, lauf!"
Ich aber sprach zu mir: Das wird nicht gut!
Sein erster Ruf geht nach
dem alten Hut.
XVI Das Kindlein in Mainz
O Mainz, du lust'ger Sitz, du traute Stadt,
Die Huttens Feder oft
belobet hat!
Der Mainzer Albrecht war mir redlich hold
Und bot

mir manchen Trunk in purem Gold.
Er lauschte meinen kühnen Scherzen gern,
Ich nannt' ihn meinen
Freund und meinen Herrn.
Ich spottete vor seinem Ohre dreist,
Er zürnte nicht, er ist ein freier
Geist;
Doch in der Stunde der Versuchung, ach,
Der Geist war willig und
das Fleisch war schwach.
Ihm hielt ich Treue, bis er mich verstieß.
Wo lebt der Freund, den
Hutten je verließ?
Die Kanzelei von Rom schrieb Brief um Brief,
Bis mich der Albrecht
nicht mehr zu sich rief.
Geächtet wurde Luther und gebannt...
Ich lebte von der Faust und
streift' im Land.
Ein treuer Rüde, stahl ich wieder hin
Zum Mainzer mich und still
umschlich ich ihn.
Ich blickt' ihm ins Gemach; er saß beim Mahl,
Landfremden Pfaffen
bot er den Pokal.
Gemunkel ging: mit Luther sei's vorbei,
Der eingetan und aufgehoben
sei.
Die langen welschen Nasen nickten fein
Und freuten sich an ihren
Schelmerein.
Er lächelte! Mir gab es einen Stich--
Mein Edelfalke, Gott behüte
dich!
Ade, mein Albrecht, mein verlorner Hort!...
Ich schlich betrübt mich
in die Krone fort,

Wo einst bei Becherklang ich manche Nacht
Mit witzigen Gesellen
durchgelacht.
Hier setzt' ich mich zu einem Kruge Bier,
Des Wirtes Kind gesellte
sich zu mir.
Das Mägdlein, mein' ich, stand im vierten Jahr,
Ich fuhr ihm durch
das blonde Ringelhaar:
Sag mir dein Nachtgebetlein, wie du's weißt!
Das Kind hub an: "Gott
Vater, Sohn und Geist,
Dein Name sei gelobt! Hüt uns vor drei:
Vor Wassernot und Brand
und Kriegsgeschrei!
Den Schiffern gnade Du in Nacht und Sturm!
Sei Bruder Martins
Burg und fester Turm!
Umschleicht ihn mit dem Dolch ein Mörder wild,
So deck ihn, Herr,
mit Deinem starken Schild!
Und leidet Dein Gerechter Hungersnot,
So schick ihm Du durch
Deine Raben Brot!"
Wer lehrte dich, mein Kindlein, dies Gebet?
--"Die Mutter heißt
mich's beten früh und spät."
Nun mein' ich aber, daß kein Leid geschieht
Dem Mann, für den in
Mainz ein Kindlein kniet.
XVII Die Mainzerspieße
Sie machten mir ein Kämmerlein bereit,
Doch mied der Schlaf mich
drinnen lange Zeit.
Ich hörte, wie das Pflaster dumpf erklang:
Die
Mainzer Scharwach schritt mit schwerem Gang.
Mich heimelt's aus den alten Zeiten an,
Denn oft mit diesem Heer

gedieh mir Span,
Wann nächtlich ich, vom Humpen übermocht,
Mit ihnen auf der
Gasse klirrend focht.
Versuchte Männer sind's von Schluck und Hand,
Geworben rings in
Hoch--und Niederland.
Ich lauscht' im Finstern heiter und mir schien:
Die Spieße sangen
etwas vor sich hin.
Ein alter Bierbaß sang gemütlich vor
Und zehen Bässe brummten
nach im Chor:
"Das reine Wort sie sollen lassen stan
Und dafür keinen Dank noch
Löhnung han.
Gerichtet ist der Fürste dieser Welt,
Uns tut er nichts, wie saur er
auch sich stellt--"
Ich, von den Mainzerspießen auferbaut,
Sang mit in meiner dunkeln
Kammer laut:
"Drum fürchten wir uns wahrlich nicht zu sehr,
Denn unser Gott ist
eine starke Wehr."
XVIII Die Gebärde
's war in der Krone, daß mich einer fand,
Der mich in meinem ersten
Flaum gekannt.
Der Ott von Gemmingen. Er drückte sich
Durch
das Gelag und rückte neben mich.
"He da!" Utz! Lieber Utz! Was ward aus dir?
Bist du am Hof von
Mainz ein großes Tier?
Bist Doctor juris utriusque du?
Des Kaisers Schreiber oder Rat dazu?

Nein? Nun, was bist du denn? Des Hofgerichts?"
Ich aber sagte
trocken: Ich bin nichts.
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