Huttens Letzte Tage | Page 3

Conrad Ferdinand Meyer

Ein schöner Mensch, mit dem das Glück gedahlt,
Hat dunklem
Schicksal schweren Zoll bezahlt.
Fortunens Liebling war der Vetter
Hans,
Der mich an Lebenskraft verdunkelt ganz.
Oft dacht' ich, dem die Wange früh gebleicht:
In einem solchen
Körper lebt sich's leicht!
Das Haupt mit dem gepflegten Bart, er trug's
Siegreich und war von
schlankem Edelwuchs.
Er ritt und focht und tanzte meisterhaft,
War aller Fraun und
Mädchen Leidenschaft.
Er freite flink. Das junge Weib gefiel
Dem Herzog und der Teufel trat
ins Spiel.
Der Herzog sank vor Vetter Hans aufs Knie:
"Dein Weib! Nicht leben
kann ich ohne sie!"
Das fand der Vetter Hans ein komisch Wort
Und er bespottet's
weidlich hier und dort:
"Der Herzog wendet an den Rechten sich!
Den Mann ums Weib zu
bitten! Lächerlich."
Das Lachen ward dem Herzog hinterbracht
Und Vetter Hans hat sich
zu Tod gelacht.
XI Der Ritter ohne Furcht und Tadel

Als in Pavia ich studierte, ward
Mir dort gezeigt der tapfre Held
Bayard.
Der "Ritter ohne Furcht", der nie geflohn,
Befehligte die
welsche Garnison.
Nach längst verschollnen Moden trug er sich,
Er und sein Knappe
schritten feierlich.
Die abgekommne Cortesie erhob
Er hoch und seufzt': "Das junge
Volk ist grob!"
Entgegen hielt den Spiegel zücht'ger Zeit
Er unsrer heut'gen
Ungebundenheit.
Zu Grabe werde, gab er zu verstehn,
Mit ihm der letzte wahre Ritter
gehn.
Lang, hager, würdevoll, galant mit Fraun,
Dabei ein bißchen komisch
anzuschaun,
Hob er den Zeigefinger, wann er schalt,
Als eine unvergleichliche
Gestalt.
Man grüßte tief und raunte sich ins Ohr,
Der "Ritter ohne Tadel" sei
ein Tor.
Doch, daß ich sein gespottet, reut mich schwer;
Denn, Hutten, bist du
nicht ein Tor wie er?
Ins Abendgold hat er zurückgeschaut--
Dein Auge späht, wo kaum
der Morgen graut.
Dein Ohr vernimmt durch Nebel und durch Nacht
Den Siegesjubel
einer künft'gen Schlacht.
Wie Mittagsglut hast du den Strahl verspürt,
Der kaum der Berge
Spitzen noch berührt.

Bayard sah das Entschwundene verschönt,
Bayard, den du mit
manchem Witz verhöhnt!
Er war ein Narr der eignen Phantasie--
Die Zukunft aber, Hutten,
kennst du die?
Wer weiß, erlebst du noch die neue Welt,
Ob sie dem fränk'schen
Edelblut gefällt!
Wer weiß, ob nicht das Ziel, drob du verscherzt
Der Erde Güter, ist's
errreicht, dich schmerzt?
Bayard, der ohne Furcht und Tadel war,
Vergib! Reich mir die Hand!
Wir sind ein Paar.
Wir sind ein fahrend Ritterpaar, Bayard,
Und taugen beide nicht zur
Gegenwart.
XII Romfahrt
Erwerben wollt' ich fremder Muse Gunst,
Den edlen Kranz der alten
Redekunst.
Latein gedrechselt hab' ich manches Jahr
Und ein
Latein, das schlank und zierlich war.
Nun blieb mir die Rotunde noch zu sehn,
Als Pilger auf das Capitol
zu gehn.
Am Wege traf ich manchen Lorbeerstrauch
Und Myrtenbusch und
manchen Fladen auch.
Gewölk und schneid'ger Wind und Tannenduft
Bekommt mir besser
als die welsche Luft.
Die Trümmer sah ich alter Römerpracht
Zur Festung dienen einer
Priestermacht.
Entartet und verheuchelt sah ich da
Den Kopf des Claudiers und der

Claudia.
Ich sah ein Weib, das mit sich handeln ließ,
Die man die "allgemeine
Kirche" hieß.
Ich fand von feiler Schreiberschar entweiht
Die ciceronische
Beredsamkeit.
Ich sah, wie man in dieser Pfaffenstadt
Uns ohne große Kunst zum
Narren hat,
Sah unsrer Väter Glauben in der Hand
Ungläub'ger Priester als ein
Gängelband.
Sag' ich es kurz und klassisch, was ich sah
Am Tiberstrom? Cloaca
maxima!
Mich freute Tempel nicht, noch Monument.
Mein Volk verachtet
sehn! Das würgt und brennt!
Mir den Geschmack zu bilden hofft' ich dort
Und bitter war der Mund
mir immerfort.
Mir gor das Blut, die Galle regte sich,
Ich sprach: Jetzt, Hutten, schilt!
sonst tötet's dich.
Vor Petri neuem Tempel höhnt' ich laut:
Der Simon hat's mit unserm
Geld gebaut!
Was soll die übermüt'ge Pfarre da
Mit Zinne, Porticus und Statua?
Wir wissen es, wer hier zu Miete saß:
Der unverschämten Hölle
frechster Spaß!
Der Stier im Wappen sagt: Hie hat gehaust
Der Borgia Lust, davor's
dem Teufel graust!

Der zehnte Leo nun verkauft den Geist,
Der über seinem roten
Käppchen kreist!
Du malest, Raphael, zu seinem Glanz?
Freund! Mal ihm einen
dreisten Totentanz,
Damit der Unfehlbare nicht vergißt,
Daß er, wie wir, ein armer
Sünder ist.
Ich ging. Mit einem derben Kohlenstrich
Beschrieb des Vaticanes
Mauer ich:
"In diesen tausend Kammern thront der Trug!
Ein Deutscher kam
nach Rom und wurde klug."
XIII Die Ablaßbude
Und, sieh, da wälzte sich das Rad der Zeit,
Wir traten mit der
welschen Macht in Streit.
Ich schrie: Ihr Männer, geht mir an die
Hand:
Des Papstes Ablaßbude wird berannt!
Erkaufen Gold und Silber Seelenheil,
So steht es bald auf allen
Märkten feil.
Die Ware wird von Jung und Alt gesucht
Und nur der arme Schlucker
bleibt verflucht.
Die Tasche wende jeder! Ist sie leer,
So trete keck in unser Lager er!
Das rat' ich dir, du heilsbedürft'ger Mann,
Der keinen Ablaßzettel
lösen kann!
Wir greifen nach dem Himmel unverwehrt!
Uns wird die Seligkeit
umsonst beschert!
Ich sprach ein rauhes Deutsch in Hast und Zorn,
Es dröhnte wie vom
Turm das Wächterhorn.

Antwort erscholl wie Sturm und Meergebraus:
"Herr Hutten, fasset
an und räumet aus!"
XIV Lügengeister
Der Zaubrer Faust erschien am Hof zu Mainz,
Er liebt der Kardinäle
Purpur, scheint's.
Verhangen ward ein Saal und blaß erhellt
Für die
Besuche der
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