Huttens Letzte Tage | Page 2

Conrad Ferdinand Meyer
zum Pfarrer:
Ziere mir die Wand.
--"Da meine Brief' und Helgen! Hutten, schaut,


Was Euch belustigt oder auferbaut!
Ergötzt Euch "Ritter, Tod und Teufel"¹ hier?
Nehmt hin das Blatt!
Der Ritter, Herr, seid Ihr."
Das sagst du, Pfarrer, gut. Ich häng' es auf
Und nagl' es an mit meines
Schwertes Knauf.
Dem garst'gen Paar, davor den Memmen graut,
Hab' immerdar ich
fest ins Aug geschaut.
Mit diesen beiden starken Knappen reit'
Ich auf des Lebens Straßen
allezeit,
Bis ich den einen zwing' mit tapferm Sinn
Und von dem andern selbst
bezwungen bin.
0. Der berühmte Kupferstich Albrecht Dürers.
V Consultation
Gib deine Weisheit kund! Was ist der Schluß,
Mein Gastfreund,
Seelenhirt und Medicus?
Berichtet hab' ich dir, was ich vermocht,

Du hast mir lauschend an die Brust gepocht.
Wie steht's? Sag an!--"Herr Hutten, Eure Kraft
Erliegt dem Stoß der
Herzensleidenschaft
Und Euer Geist, das scharfe Schwert, zerstört
Den Leib, die Scheide,
die zum Schwert gehört.
Des Leibes strengstes Fasten tut es nicht,
Solang die Seele noch die
Fasten bricht.
Beschränket Euch auf dieses Eiland hier!
Horcht nicht hinaus, horcht
nicht hinüber mir!
Vergesset, Ritter, was die Welt bewegt
Und Euch in jeder Fiber

aufgeregt!
In dieser Bucht erstirbt der Sturm der Zeit:
Vergesset, Hutten, daß Ihr
Hutten seid!"
Für deinen weisen Ratschlag habe Dank!
Ich sehe schon, ich bin zum
Sterben krank.
Wie? Wenn der Papst die Christenheit betrügt,
So ruf' ich nicht: Der
arge Römer lügt?
Wie? Wirft die Wahrheit auf ihr kühn Panier,
So jubl' ich nicht auf
meiner Insel hier?
Wie? Springt ein deutsches Heer in heißen Kampf,
So atm' und
schlürf' ich nicht den Pulverdampf?
Wie? Sinkt der Sickingen, bedeckt mit Blut,
So brennt mich's nicht,
wie eigner Wunde Glut?
Freund, was du mir verschreibst, ist wundervoll:
Nicht leben soll ich,
wenn ich leben soll!
Das Buch der Vergangenheit
VI Das Geflüster
Erinnrung plaudert leise hinter mir
Auf diesen stillen Inselpfaden hier.

Sie rauscht im Eichenlaub, im Buchenhag,
Am Ufer plätschert sie
im Wellenschlag,
Und mag ich schreiten oder stille stehn,
So kann ich ihrem Flüstern
nicht entgehn.
Da streck' ich lieber gleich mich aus ins Gras!
Erinnrung, rede laut!
Erzähle was!

Hier lagre dich, zeig dein Geschichtenbuch!
Und wir ergötzen uns an
Bild und Spruch.
VII Gloriola
Wir malten eine Sonnenuhr zum Spaß,
Als ich in Fuldas
Klosterschule saß.
Ringsum ein Spruch gedankentief und fein
Und
schlagend mußte nun ersonnen sein.
Herr Abbas sprach: "Zwei Worte sind gegönnt,
Ihr Schüler, sucht und
eifert, ob ihr's könnt!"
Hell träumend ging ich um, mich mied der Schlaf,
Bis mich wie
Blitzesstrahl das Rechte traf:
"Ultima latet." Stund um Stunde zeigt
Die Uhr, die doch die letzte dir
verschweigt.
Herr Abbas sprach: "Das hast du klug gemacht.
Es ist antik und
christlich ist's gedacht."
Manch Kränzlein hab' ich später noch erjagt,
Wie dieses erste hat mir
keins behagt;
Denn Süßres gibt es auf der Erde nicht
Als ersten Ruhmes zartes
Morgenlicht.
VIII Der Stoff
Als ich von hoher Schule Weisheit troff,
Bat ich die Muse: Jungfrau,
gib mir Stoff.
"Wohlan, Herr Ritter", sagte sie, "bedenkt,
Ob etwa
jemand Euch das Herz gekränkt?"
Ich sprach: Die Lötze schenkten mir Gewand
Und nahmen's wieder
mir mit Räuberhand.
Zornmütiger Querelen zweimal zehn
Ließ gegen Sohn und Vater ich

ergehn.
Was, Muse, nun? Gib Stoff! Hilf ab der Not!
Sie sang: "In Schwaben
rinnt ein Bächlein rot."
Da rannt' ich wütend Herzog Ulrich an,
Der Vetter Hansen
schimpflich abgetan.
Und wieder sprach ich zu der Muse nun:
Ich bin der starke Knecht.
Frau, gib zu tun!
Sie lachte. "Ritter, mäßigt Euren Sturm!
Sonst singt Ihr um den
Steckelbergerturm."
Gib, Muse, Stoff! Erhöre mein Gesuch!
Gib Stoff! Ein starkes,
dauerhaftes Tuch!
"Ein sächsisch Mönchlein aus der Kutte schloff.
Da, Ritter, habt Ihr
einen guten Stoff!"
IX Epistolae obscurorum virorum
Wir scharten uns zu lust'gem Mummenschanz,
Kapuzen über vollem
Lockenkranz!
Wir trugen Pfaffenlarven heuchlerisch
Und blitzten
draus mit Augen jugendfrisch.
Wir schlurften tappig mit Sandalentritt,
Wir äfften nach bis auf der
Kutte Schnitt.
Gründlich studierten wir beim Becherklang
Der Mönchlein
närrischen Gedankengang.
Die Dummheit haben wir mit Witz verziert,
Die Torheit mit
Sentenzen ausstaffiert!
Wir haben sie zum Spott der Welt gemacht,
Wir haben uns und sie zu
Tod gelacht!

Zu Tode? Nein. Wir haben sie geweiht
Aristophanischer
Unsterblichkeit.
Schleiferius! Caprimulgius! Ochsenhorn!
Schlaraff! Der saubre
Täufling Pfefferkorn!
Wir brachen keck in ihre Zellen ein
Und hausten schlimm in ihrem
Bücherschrein.
Wir sprachen ihr Latein--ergötzlich Spiel--
Und Briefe schrieben wir
im Klosterstil:
"Laetificor archiangelice
Cum una speciosa virgine!"
Hellauf! Der Narrenglöcklein schriller Schall!
Und heißa, hussa, Jagd
und Peitschenknall!
Die Pfaffen sprangen über Stock und Stein,
Der Esel bockte,
grunzend lief das Schwein.
Du Fest der jugendlichen Grausamkeit,
Verklungen bist du längst!
Streng ward die Zeit.
Als wir im losen Mummenschanz getobt,
Da hat man unsres Witzes
Salz gelobt;
Doch als die Wahrheit wir im Ernst gesagt,
Da wurden wir, die Jäger,
selbst gejagt.
Wir irren heimatlos, geächtet, arm
Und essen fremdes Brot in Not
und Harm.
Die Pfäfflein, denen unsre Hetze galt,
Sie tafeln alle noch gesund und
alt.
Die Mönchlein, die wir kniffen bis aufs Blut,
Sie bechern alle wieder
wohlgemut;

Und schneidet eines apfelschälend sich
Und quillt ein Tropfen Bluts
bescheidentlich,
So stöhnt es: "Würd'ge Brüder, schauet hier!
Das blut'ge Märtertum
erleiden wir!"
X Der Vetter Hans
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