Hansi | Page 4

Ida Frohnmeyer

in der Krippe ausgeht.
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In der Stadt war Weihnachtsmarkt. Von dem alten Stadttor, das einst
trutzig jedem Fremden den Einlaß verweigert hatte, nun aber längst
friedlich, mit efeuumsponnenen Türmen innerhalb der Stadt stand,
führte eine breite Straße auf den Andreasplatz hinunter. Und hier
standen alle die Weihnachtsbäume. Prächtige Weißtannen, die wohl
dafür bestimmt waren, einen großen Saal zu schmücken; schlanke
Rottannen, deren Zweige verlangend ausgestreckt waren, als könnten
sie es kaum erwarten, die strahlenden Kerzen und goldenen Ketten zu
tragen. Da waren auch putzige, kleine Bäume, zu denen sich Hansi
ganz besonders hingezogen fühlte. Er schritt neben der Hausmutter die
grüne Tannenstraße auf und ab; aber während diese die großen Bäume
musterte, betrachtete Hansi mit zärtlichen Blicken die kleinen. Endlich
wurde eine große, stolze Tanne gewählt, und Elise, die neueingetretene
Magd, und der große Ernst, der zur Hilfe mitgekommen, packten sie
vorsichtig und machten sich auf den Nachhauseweg.
»Komm, Hansi,« sagte die Tante, »wir gehen jetzt auch.«
Hansi streckte gehorsam seine Hand aus, aber er konnte nicht hindern,
daß ihm dabei ein kleiner Seufzer entschlüpfte. Er hatte, während die
Tante mit dem Verkäufer verhandelt, die ganze
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Zeit neben einem zierlichen Bäumchen gestanden, dessen grüne Spitze
nur eben an sein Näschen reichte.
»Gefällt dir das Bäumchen? Möchtest du es haben?« fragte mit einem
Mal die Verkäuferin. »Ich schenke es dir. Die Frau Mama haben ja
eine so große Tanne gekauft, da geht das Kleine noch drein.«

Hansi konnte sein Glück kaum fassen. Er dankte mehr mit den Augen
als mit dem Mund, dann schritt er neben der Tante, vorsichtig die
grüne Last gegen das dankbare Herzchen gedrückt.
Es war merkwürdig. Als der Morgen des Festes dämmerte, auf das sich
Hansi wochenlang von ganzem Herzen gefreut, war die Freude mit
einem Schlag wie weggewischt. Noch nie war er sich so klein und so
verlassen vorgekommen, wie in dem unruhigen, frohen Treiben, das
den ganzen Tag beherrschte. Er wurde erst ein bißchen froher, als ihm
die Tante zwei beschädigte Glaskugeln, ein paar schillernde Goldfäden
und sogar einige Halter mit Lichtstümpchen darin schenkte. Nun
konnte er doch sein Bäumchen, sein eigenes, liebes Bäumchen
schmücken. Er hatte sich selbst einigen Schmuck gefertigt: wundersam
gezackte Sterne, auch Blumen und Vögel und allerlei Getier. Sie sahen
zwar ein bißchen seltsam drein -- Mutterchen hatte das entschieden
besser gekonnt -- aber im Grund schadete es nichts. Die
langgeschwänzten Vögel wiegten sich vergnüglich in den grünen
Zweigen, die Goldsterne und Goldfäden leuchteten prächtig, und die
Glaskugeln waren so schön, daß Hansi eine Weile seine Arbeit
unterbrechen mußte, um das Bäumchen von allen Seiten bewundern zu
können. Nun wurden noch die fünf Kerzen angesteckt, und das
Bäumchen war geschmückt.
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Es stand in einem Rumpelkämmerchen auf einem alten Schemel, den
Hansi erst fein säuberlich mit einem Taschentuch bedeckt hatte. Es war
kalt in der Dachkammer, und Hansi hatte nahezu blaugefrorene Hände
und ein rotes Näschen. Aber er schien es gar nicht zu beachten. Er war
ganz versunken in den Anblick seines Bäumchens, und erst als die
Glocke zum Vieruhrbrot rief, verließ er das Kämmerchen.
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Um ½6 Uhr sollte die Weihnachtsfeier beginnen. Vorher mußten alle
die vielen Buben noch einmal gewaschen und gekämmt, gebürstet und
gestriegelt werden. Da konnte es leicht passieren, daß ein so kleines
Männchen wie Hansi übersehen wurde.

Niemand vermißte ihn, bis es an das Ordnen des Zuges ging. Den
mußte ja der Kleinste anführen. Aber wo war er nur? Nicht im
Wohnzimmer, nicht in der Kinderstube, in keinem der Lehr-, in keinem
der Schlafsäle. Die Buben lachten und stellten die ungeheuerlichsten
Vermutungen auf. »Er hat vielleicht gemeint, die Krippe sei im
Kohlenkeller,« meinte der lange Karl. Das schien der Tante gar nicht
so unmöglich. Sie ging selbst die Kellertreppe hinunter; die Elise aber,
die neue Magd, schickte sie auf den Boden, nach Hansi zu suchen.
Langsam schritt das junge Mädchen die steile Stiege hinauf. Oben
angekommen, lehnte sie einen Augenblick den Kopf an die Wand und
schluchzte laut und schmerzlich. Es war zum erstenmal, daß sie in der
Fremde Weihnacht feiern mußte... Ach, wie sie sich nach Hause sehnte,
wo sie von allen geliebt worden! Hier fragte niemand nach ihr,
niemand brauchte sie. Es war gleichgültig, ob sie da war oder nicht...
Doch -- sie mußte ja Hansi suchen gehen.
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Ein, zwei Türen hatte Elise schon geöffnet und umsonst in dem
Halbdunkel herumgespäht, da sah sie einen Lichtstrahl aus dem alten
Rumpelkämmerchen fallen. Die Türe war nur angelehnt. Ganz leise
schob sich Elise hinein, und da sah sie das verlorene Hänschen auf
einer Kiste sitzen. Vor ihm stand das wundersam geschmückte
Bäumchen und leuchtete mit seinen fünf Kerzen.
Wie arm und wehmütig sah das drein... Aber das Kind saß davor mit
glückstrahlenden Augen und sang:
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»O Jesulein süß! O Jesulein mild! Des Vaters Will'n Hast du erfüllt,
Bist kommen aus dem Himmelreich, Uns
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