Hamlet, Prinz von Dannemark | Page 6

William Shakespeare
und ihre innerliche Verrichtungen und Pflichten dehnen sich mit ihrem Tempel aus. Vielleicht liebt er euch izt aufrichtig, mit der reinen Zuneigung eines noch unverdorbnen Herzens: Aber ihr m��?t bedenken, da?, sobald er seine Gr?sse in Erw?gung ziehen wird, seine Neigung nicht mehr in seiner Gewalt ist: Denn er selbst hangt von seiner Geburt ab; er darf nicht f��r sich selbst w?hlen, wie gemeine Leute: Die Sicherheit und das Wohl des Staats h?ngt an seiner Wahl, und daher mu? sich seine Wahl nach der Stimme und den W��nschen des K?rpers, wovon er das Haupt ist, bestimmen. Wenn er also sagt, er liebe euch, so k?mmt es eurer Klugheit zu, ihm in so weit zu glauben, als er nach seiner Geburt und k��nftigen W��rde, seinen Worten Kraft geben kan; und das ist nicht mehr, als wozu er die Einwilligung des K?nigs erhalten kan. ��berleget also wol, was f��r einen grossen Verlust eure Ehre leiden kan, wenn ihr seinem lokenden Gesang ein zu leichtgl?ubiges Ohr verleihet; entweder ihr verliehrt euer Herz, oder sein Ungest��m, den zulezt nichts mehr zur��khalten wird, sieget gar ��ber eure Keuschheit. F��rchtet es, Ophelia, f��rchtet es, meine theure Schwester; steuret einer noch unschuldigen Neigung, die so gef?hrlich ist, und ��berla?t euch nicht dem Strom schmeichelnder W��nsche. Das gef?lligste M?dchen ist verschwenderisch genug, wenn sie ihre keusche Sch?nheit dem Mond entschleyert: Die Tugend selbst ist vor den Bissen der Verl?umdung nicht sicher; nur allzu oft fri?t ein verborgner Wurm die Kinder des Fr��hlings, bevor ihre Knospen sich entwikelt haben; und mengender Meel-Thau ist nie mehr zu besorgen als im Thauvollen Morgen der Jugend. Seyd also vorsichtig; hier giebt Furcht die beste Sicherheit; die Jugend hat einen Feind in sich selbst, wenn sie auch keinen von aussen hat.
Ophelia.?Ich werde diese guten Erinnerungen zu immer wachsamen H��tern meines Herzens machen. Aber, mein lieber Bruder, macht es ja nicht, wie manche ungeheiligte Seelen-Hirten, die euch den engen und?dornichten Pfad zum Himmel weisen, indessen da? sie selbst, ihrer eignen Lehren uneingedenk, in ruchloser Freyheit auf dem breiten Fr��hlings-Wege der ��ppigkeit dahertraben.
Laertes.?O, davor seyd unbek��mmert.
Sechste Scene.?(Polonius zu den Vorigen.)
Laertes.?Ich halte mich zulang auf--Aber hier kommt mein Vater: Desto besser; ich werde seinen Abschieds-Segen gedoppelt erhalten.
Polonius.?Du bist noch hier, Laertes! Zu Schiffe, zu Schiffe, mein Sohn; der Wind schwellt eure Segel schon, und man wartet auf euch. Hier, empfange meinen Segen,
(Er legt seine Hand auf Laertes Haupt)
und diese wenigen Lebens-Regeln, womit ich ihn begleite, schreib in dein Ged?chtni? ein. Gieb deinen Gedanken keine Zunge, und wenn du je von unregelm?ssigen ��berrascht wirst, so h��te dich wenigstens, sie zu Handlungen zu machen: Sey gegen jedermann leutselig, ohne dich mit jemand gemein zu machen: Hast du bew?hrte Freunde gefunden, so hefte sie unzertrennlich an deine Seele; aber gieb deine Freundschaft nicht jeder neuausgebruteten, unbefiederten?Bekanntschaft prei?. H��te dich vor den Gelegenheiten zu H?ndeln; bist du aber einmal darinn, so f��hre dich so auf, da? dein Gegner nicht hoffen k?nne, dich ungestraft zu beleidigen. Leih' dein Ohr einem jeden, aber wenigen deinen Mund; nimm jedermanns Tadel an, aber dein Urtheil halte zur��k. Kleide dich so kostbar als es dein Beutel bezahlen kan, aber nicht phantastisch; reich, nicht?com?diantisch: Denn der Anzug verr?th oft den Mann, und in?Frankreich pflegen Leute von Stand und Ansehen sich gleich dadurch anzuk��ndigen, da? sie sich mit Geschmak und Anstand kleiden. Sey weder ein Leiher noch ein Borger; denn durch Leihen richtet man oft sich selbst und seinen Freund zu Grunde; und borgen untergr?bt das Fundament einer guten Haushaltung. Vor allem, sey redlich gegen dich selbst, denn daraus folget so nothwendig als das Licht dem Tage, da? du es auch gegen jedermann seyn wirst. Lebe wohl, mein Sohn; mein Segen befruchte diese Erinnerungen in deinem Gem��the!
Laertes.?Ich beurlaube mich dem��thigst von euch, Gn?diger Herr Vater.
Polonius.?Du hast hohe Zeit; geh, deine Bediente warten--
Laertes.?Lebet wohl, Ophelia, und erinnert euch dessen was ich gesagt habe.
Ophelia.?Es ist in mein Ged?chtni? verschlossen, und ihr sollt den Schl��ssel dazu mit euch nehmen.
Laertes.?Lebet wohl.
(Er geht ab.)
Polonius.?Was sagte er denn zu euch, Ophelia?
Ophelia.?Mit Eu. Gnaden Erlaubni?, etwas, das den Prinzen Hamlet angieng.
Polonius.?Wahrhaftig, ein guter Gedanke! Ich habe mir sagen lassen, da? er euch seit einiger Zeit ziemlich oft allein gesprochen habe, und da? ihr ihm einen sehr freyen Zutritt verstattet, und geneigtes Geh?r gegeben habt. Wenn es so ist, (wie es mir dann von sichrer Hand zukommt) so mu? ich euch sagen, da? ihr euch selbst nicht so gut versteht, als es meiner Tochter und eurer Ehre geziemt. Was ist denn zwischen euch? Sagt mir die reine Wahrheit.
Ophelia.?Gn?diger Herr Vater, er hat mir zeither verschiedene Erkl?rungen von seiner Zuneigung gemacht.
Polonius.?Von seiner Zuneigung? He! Ihr sprecht wie ein junges Ding, das noch keine Erfahrung von dergleichen gef?hrlichen Dingen hat. Glaubt ihr denn seine Erkl?rungen, wie ihr es nennt?
Ophelia.?Ich wei? nicht was ich denken soll, Herr Vater.
Polonius.?Potz hundert! Das will ich dich lehren; denk du seyst ein?Kindskopf,
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