Hamlet, Prinz von Dannemark | Page 7

William Shakespeare

Vater.
Polonius.
Du hast hohe Zeit; geh, deine Bediente warten--
Laertes.
Lebet wohl, Ophelia, und erinnert euch dessen was ich
gesagt habe.

Ophelia.
Es ist in mein Gedächtniß verschlossen, und ihr sollt den
Schlüssel dazu mit euch nehmen.
Laertes.
Lebet wohl.
(Er geht ab.)
Polonius.
Was sagte er denn zu euch, Ophelia?
Ophelia.
Mit Eu. Gnaden Erlaubniß, etwas, das den Prinzen Hamlet
angieng.
Polonius.
Wahrhaftig, ein guter Gedanke! Ich habe mir sagen lassen,
daß er euch seit einiger Zeit ziemlich oft allein gesprochen habe, und
daß ihr ihm einen sehr freyen Zutritt verstattet, und geneigtes Gehör
gegeben habt. Wenn es so ist, (wie es mir dann von sichrer Hand
zukommt) so muß ich euch sagen, daß ihr euch selbst nicht so gut
versteht, als es meiner Tochter und eurer Ehre geziemt. Was ist denn
zwischen euch? Sagt mir die reine Wahrheit.
Ophelia.
Gnädiger Herr Vater, er hat mir zeither verschiedene
Erklärungen von seiner Zuneigung gemacht.
Polonius.
Von seiner Zuneigung? He! Ihr sprecht wie ein junges Ding,
das noch keine Erfahrung von dergleichen gefährlichen Dingen hat.
Glaubt ihr denn seine Erklärungen, wie ihr es nennt?
Ophelia.
Ich weiß nicht was ich denken soll, Herr Vater.
Polonius.
Potz hundert! Das will ich dich lehren; denk du seyst ein

Kindskopf, daß du seine Erklärungen für baar Geld genommen hast, da
sie doch falsche Münze sind. Du must bessere Sorge zu dir selbst haben,
oder ich werde wenig Freude an dir erleben--
Ophelia.
Gnädiger Herr Vater, er bezeugt zwar eine heftige Liebe zu
mir, aber in Ehren--

Polonius.
Ja, in Thorheit solltest du sagen; geh, geh--
Ophelia.
Und hat seine Worte durch die feyrlichsten und heiligsten
Schwüre bekräftiget.
Polonius.
Ja, Schlingen, um Schnepfen zu fangen. Ich weiß wie

verschwendrisch das Herz in Schwüre aussprudelt, wenn das Blut in
Flammen ist. Mein gutes Kind, du must diese Aufwallungen nicht für
wahres Feuer halten; sie sind wie das Wetterleuchten an einem kühlen
Sommer-Abend, sie leuchten ohne Hize, und verlöschen so schnell als
sie auffahren. Von dieser Stunde an seyd etwas sparsamer mit dem
Zutritt zu eurer Person; sezt eure Conversationen auf einen höhern
Preiß als einen Befehl, daß man euch sprechen wolle. Was den Prinzen
Hamlet betrift, so glaubt so viel von ihm, daß er jung ist; und daß er
sich mehr Freyheit herausnehmen darf, als der Wolstand euch zuläßt.
Mit einem Wort, Ophelia, trauet seinen Schwüren nicht; desto weniger,
je feyrlicher sie sind; sie hüllen sich, gleich den Gelübden, die oft dem
Himmel dargebracht werden, in Religion ein, um desto sichrer zu
betrügen. Einmal für allemal: Ich möchte nicht gern, deutlich zu reden,
daß du nur einen einzigen deiner Augenblike in den Verdacht seztest,
als wißtest du ihn nicht besser anzuwenden, als mit dem Prinzen
Hamlet Worte zu wechseln. Merk dir das, ich sag dir's; und geh in dein
Zimmer.
Ophelia.
Ich will gehorsam seyn, Gnädiger Herr Vater.
(Sie gehen ab.)
Siebende Scene.
(Verwandelt sich in die Terrasse vor dem Palast.)

(Hamlet, Horatio und Marcellus treten auf.)
Hamlet.
Die Luft schneidt entsezlich; es ist grimmig kalt.
Horatio.
Es ist eine beissende, scharfe Luft.
Hamlet.
Wie viel ist die Gloke?

Horatio.
Ich denke, es ist bald zwölfe.
Marcellus.
Nein, es hat schon geschlagen.
Horatio.
Ich hörte es nicht: Es ist also nah um die Zeit, da der Geist
zu gehen pflegt.
(Man hört eine kriegrische Musik hinter der Scene.)
Was hat das zu bedeuten, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Der König hält Tafel, und verlängert den Schmaus, wie es
scheint, in die tiefe Nacht, und so oft er den vollen Becher mit
Rhein-Wein auf einen Zug ausleert, verkündigen Trompeten und
Kessel-Pauken den Sieg, den Seine Majestät davon getragen hat.
Horatio.
Ist das so der Gebrauch?
Hamlet.
Ja, zum Henker, das ist es; aber nach meiner Meynung, ob
ich gleich ein Dähne und zu diesem Gebrauch gebohren bin, ein
Gebrauch der mit größrer Ehre gebrochen als gehalten wird. Diese
taumelnden TrinkGelage machen uns in Osten und Westen verächtlich,
und werden uns
von den übrigen Völkern als ein National-Laster
vorgeworffen: Sie nennen uns Säuffer, und sezen schweinische
Beywörter dazu, die uns wenig Ehre machen; und in der That, der Ruf
worinn wir deßwegen stehen, nimmt unsern Thaten, so groß und
rühmlich sie sonst sind, ihren schönsten Glanz. In diesem Stüke geht es
oft ganzen Völkern wie einzelnen Leuten, welche um irgend eines
Natur-Fehlers willen, als etwann wegen der angebohrnen Obermacht
eines gewissen
Temperaments (woran sie doch keine Schuld haben,
da sich niemand seine ursprüngliche Anlage selber auswählen kan,)
welches sie manchmal durch den Zaun der Vernunft durchbrechen
macht; oder wegen irgend einer angewöhnten Manier, einer Grimasse
oder so etwas, welches mit dem eingeführten Wohlstand einen
allzugrossen Absaz macht--ich sage, daß solche Leute um eines
einzigen solchen Fehlers willen, es mag nun seyn, daß die Natur oder
ein Zufall Schuld daran habe, sich's gefallen lassen müssen, ihre guten

Eigenschaften, so groß und zahlreich sie immer seyn mögen, in dem
Urtheil der Welt abgewürdiget zu sehen. (Der Geist tritt auf.)
Horatio.
Hier, Gnädiger Herr; seht, es kommt.
Hamlet.
Ihr Engel und himmlischen Mächte alle, schüzet uns! Du
magst nun
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