Gyges und sein Ring | Page 6

Friedrich Hebbel
auf, Ich blies die Asche von ihm ab, ich
sprach: "Wer trug dich einst am längst zerstäubten Finger?" Und, um
zu sehen, ob's ein Mann gewesen, Steckt' ich ihn an. Doch das war
kaum geschehn, So schrie man draußen: "Halt! dort muß er sein! Siehst

du das Grab? Heran, heran, Gefährten, Wir haben ihn!" und rasch
erschien der Trupp. Ich aber, um nicht wehrlos, wie ein Tier, Das man
in eine Höhle trieb, geschlachtet Zu werden, sprang hervor und stürzte
ihnen Entgegen, hoch in meiner Hand das Schwert. Die Sonne war dem
Untergange nah Und strahlte, wie die Kerze, welche bald Erlöschen
soll, noch einmal doppelt hell. Doch sie, als wär' für sie allein die Nacht
Schon eingebrochen, stürmten, grimmig fluchend, An mir vorbei und
reihten sich ums Grab. Das ward nun streng durchsucht, und als sie
mich Nicht fanden, höhnten sie: "Was tut's, er trug Wohl auch nichts
bei sich, als das trotz'ge Auge, Das uns mit seinem kecken Blick so
reizte, Und dieses bläst ihm schon ein andrer aus!" Nun abermals, doch
langsam und verdrießlich, Ja, spähend, und mir selbst ins Antlitz
stierend, An mir vorbei und wieder nicht gesehn!
Kandaules. Da dachtest du--
Gyges. Nicht an den Ring! Noch nicht! Ich glaubte, daß ein Gott mich
durch ein Wunder Gerettet, auf die Kniee warf's mich nieder, Und zu
dem Unsichtbaren sprach ich so: Ich weiß nicht, wer du bist, und wenn
du mir Dein Antlitz nicht enthüllst, so kann ich dir Das Tier nicht
opfern, das dir heilig ist, Allein zum Zeichen, daß ich dankbar bin Und
nicht des Muts ermangle, bring ich dir Den wildesten von diesen
Räubern dar, Dies schwör ich hier, wie schwer es immer sei. Nun eilt'
ich ihnen nach und mischte mich In ihren Haufen, und ein Grauen faßte
Mich vor mir selbst, wie sie mich nicht allein Gar nicht bemerkten,
sondern durch mich hin, Als wär' ich bloße Luft, zusammen sprachen,
Ja selbst das Brot sich reichten und den Wein. Mein Blick umflorte sich
und schweifend fiel Er auf den Stein des Ringes, der mir rot Und grell
von meiner Hand entgegen sprühte Und rastlos quellend, wallend,
Perlen treibend Und sie zerblasend, einem Auge glich, Das ewig bricht
in Blut, was ewig raucht. Ich drehte ihn, aus Notwehr möcht' ich sagen,
Aus Angst, denn alle diese Perlen blitzten, Als wären's Sterne, und mir
ward zumut, Als schaut' ich in den ew'gen Born des Lichts Unmittelbar
hinein, und würde blind Vom übermaß, wie von der Harmonie Der
Sphären, wie es heißt, ein jeder taub. Da aber fühlt' ich kräftig mich
gepackt, Und: "Was ist das? Ei, wer hielt ihn versteckt?, Der Spaß ist
gut!" erklang's um mich herum. Zehn Fäuste griffen nun mir nach der
Kehle, Zehn andre rissen am Gewande mir, Und, blieb die plumpste für
den Ring nicht übrig, So war ein schmählich Ende mir gewiß. Doch

plötzlich hieß es: "Ei, der ist nicht arm, Das ist ein guter Fang, seht,
blankes Gold, Sogar ein Edelstein, nur her damit!" Allein fast in
demselben Odemzug Erscholl's: "Ein Gott! Ein Gott ist unter uns!" Und
alle lagen mir zu Füßen da.
Kandaules. Sie hatten, wie sie an dem Ring dir zerrten, Ihn wieder
umgedreht und schauderten, Als du verschwandest, wie ein
Wolkenbild.
Gyges. So muß es sein. Ich aber drehte ihn, Jetzt endlich eingeweiht in
sein Geheimnis, Stolz und verwegen noch einmal und rief: Ein Gott,
jawohl, und jeder büßt mir nun! Dann drang ich auf sie ein, und sie,
entsetzt, Als hätte ich den Donner in den Händen Und tausend neue
Tode mir zur Seite, Behielten kaum zur Flucht noch Mut und Kraft.
Doch ich verfolgte sie, als müßte ich Für die Erinnyen den Dienst
versehen, Und nicht ein einziger kam mir davon! Dann wollt' ich mit
dem Ring zurück zum Grabe, Allein obgleich ich mir mit blut'gen
Leichen Den Weg bezeichnet hatte: nicht am Abend Und nicht des
Morgens ließ es sich mehr finden, Und wider meinen Willen blieb er
mein.
Kandaules. Das ist ein Schatz, wie keiner!
Gyges. Sagt' ich's nicht? Ein Königsring! Drum, König, nimm ihn hin!
Kandaules. Erst nach dem Kampfe!
Gyges. Herr, ich trug ihn nie Seit jenem Tag und trag ihn niemals
wieder! Bist du mit Holz so geizig? Keines Waldes Bedarf es ja zu
meinem Scheiterhaufen, Ein Baum genügt, und traue diesem Arm, Er
wird dir auch wohl noch den Baum ersparen!
Kandaules. So gib! Ich prüf ihn!
Gyges. Und ich wappne mich!
(Beide ab.)

Erster Akt--2

Gemach der Königin.
Rhodope nebst ihren Dienerinnen, Lesbia und Hero darunter tritt auf.
Rhodope. Nun freut euch, liebe Mädchen, heute ist Es euch vergönnt!
So sehr ich's tadeln muß, Wenn ihr an andern Tagen auch nur lauscht,
So hart ich meine munt're Hero gestern, Als sie den Baum erstieg,
gescholten hätte, Wenn nicht zu ihrer Strafe gleich
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