ein Zweig, So leicht
sie ist, mit ihr gebrochen wäre, Weil er zu schwach für so viel Neugier
war--
Hero. O Königin, wenn du's gesehen hast, So weißt du auch, daß ich
den dichtesten Von allen Bäumen unsers Gartens wählte.
Rhodope. Den dichtesten? Kann sein! Doch ganz gewiß Den, der am
nächsten an der Mauer stand.
Hero. Den allerdichtesten! Ich kletterte In eine wahre grüne Nacht
hinein! Es war fast schauerlich, den goldnen Tag So hinter sich zu
lassen und im Dunkeln Doch fortzukriechen.
Rhodope. Warum tatst du's denn?
Hero. Nicht, weil ich dem Olymp um ein paar Fuß Mich nähern wollte!
Nein, das überließ ich Der Nachtigall, die mir zu Häupten schlug. Ich
wollte--Aber lache nicht! Ich kann Das Wiegen nicht vergessen, und
ich wollte Mich oben etwas wiegen!
Rhodope. Weiter nichts?
Hero. Und nebenbei, doch wirklich nebenbei, Ganz nebenbei, ein
wenig spähn, ich wüßte Es gar zu gern, ob diesen unsern Garten, Wie
uns der finstre Karna immer sagt, Ein See umgibt.
Lesbia. Ein See!
Hero. Du weißt es besser!
Lesbia. Ei, hast du's hier noch jemals rauschen hören, Und ist ein See
so ruhig, wie du selbst?
Rhodope. Ich will nicht weiter fragen, denn ich weiß, Daß du's nicht
wieder tust. Nie fiel ein Mädchen So sanft, wie du, und nie erschrak es
so!
Lesbia. Ja, alle Glieder waren hin!
Hero. Ich wäre Gar nicht gefallen, denn ein stärkrer Zweig War nah
genug, der aber schaukelte Ein Nest mit jungen Vögeln, und ich wollte
Ihn nicht betreten, um die zarte Brut, Die schon die federlosen Flügel
regte, Nicht aufzuscheuchen!
Lesbia. Dieses also war's? Sie flogen aber dennoch auf, du griffst
Zuletzt gewiß noch zu, um dich zu halten!
Rhodope. Neckt euch, solang ihr wollt, dies ist der Tag, An dem für
euch das enge Haus sich öffnet, Nun treibt es, wie ihr mögt, und seht
euch satt.
Hero. Und du?
Rhodope. Schaut nicht auf mich! Was euch erlaubt, Ist mir nur nicht
verboten, heute kann Ich euch nicht Muster und nicht Vorbild sein.
Hero. So willst du abermals das Fest nicht sehn?
Rhodope. Um dich nicht in der Fröhlichkeit zu stören!-- Bei uns ist das
nicht Sitte, und mir wär's, Als ob ich essen sollte ohne Hunger Und
trinken ohne Durst. Auch scheint es mir, Daß unsre Weise besser ist,
als eure, Denn niemals kommt ihr ohne Schauder heim Von diesen
Festen, die euch erst so locken, Und das ist mir die Liebste, die den
tiefsten Empfindet und zum zweitenmal nicht geht. Das soll für euch
kein Tadel sein, o nein, Es freut mich nur, daß meine Lesbia, Die unter
euch erwuchs, so fühlt, wie ich!
Lesbia. Wirst du mir heut vergeben--
Rhodope. Was denn nur? Was soll ich dir vergeben? Willst du mit? Oh,
hätt' ich dieses Lob zurück! Sie schämt Sich jetzt, die Tochter ihres
Volks zu sein, Und hat's nicht Ursach'. Bin ich selbst was andres? Geh,
geh und sag mir, wer der Sieger war!
Hero. Gewiß wird auch der junge Gyges kämpfen, Der diese schöne
Stimme hat.
Rhodope. Du kennst Schon seine Stimme?
Hero. Ja, doch weiter nichts! Heut werden wir ihn sehn, und glaube mir,
Auch sie geht nur, weil er erscheint!
Lesbia.
Ich kann Noch immer bleiben und dich Lügen strafen!
Hero. Du tust es nicht!
Kandaules (tritt rasch ein). Rhodope, sei gegrüßt!-- Doch--Weißt du,
wer ich bin? Ein Hermenwächter, Ein Grenzpfahlkönig, der die Ellen
freilich, Doch nie die Schwerter mißt und schuld dran ist, Daß die
zwölf Taten des Herakles nicht Durch vierundzwanzig andre, größere
Längst überboten sind. Wenn du's nicht glaubst, So frage nur den
grimmigen Alkäos, Du kennst ihn nicht? Ich auch seit heute erst! Und
weißt du, wie ich Menschen glücklich mache? Ich spreche: Jüngling
komm, da ist ein Kern, Den stecke in die Erde und begieße Den Fleck
mit Wasser, tu es Tag für Tag Und sei gewiß, daß du mit weißen
Haaren Für deine Mühe Kirschen essen wirst, Ob süße oder saure,
siehst du dann! Als Währsmann stelle ich den Agron dir, Den würd'gen
Freund des würdigen Alkäos, Ihm völlig gleich, nur nicht so weiß im
Bart.
Rhodope. Du bist vergnügt!
Kandaules. Wie sollte ich's nicht sein? Wenn auch Alkäos mir in
offnem Aufstand Entgegentreten will, sobald ich's wage, Vor ihm so zu
erscheinen, wie vor dir, Ich meine mit dem neuen Diadem Agron wird
mich beschützen, und ich soll Zum Dank mich nur verpflichten, du
wirst staunen, Wie mild er's mit mir vorhat, nie den Putz Mehr zu
verändern und ein Schwert zu tragen, Das meine ganze Kraft durch's
Ziehn erschöpft.
Rhodope. Woher denn weißt du das?
Kandaules. Durch keinen Späher, Noch weniger durch einen falschen
Freund: Von ihnen selbst, durch ihren eignen Mund.
Rhodope. Du spottest meiner Frage.
Kandaules. Nein doch, nein! Ich sprech im vollsten Ernst! Ich stand
dabei, Wie sie, die Nägel in die
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