Gyges und sein Ring | Page 5

Friedrich Hebbel
und schwingt's.)
Nein, auch in menschlich engem Raum, wie hier! Drum, Thoas, spar
dir ja die dritte Rede, Die zweite hört' ich heut!
Thoas. Vergib mir, Herr! Doch weißt du: nicht die jungen Glieder
sind's, In denen sich ein Wittrungswechsel meldet, Die alten Knochen
spüren ihn zuerst! (Ab.)
Gyges. Er geht betrübt.
Kandaules. Gewiß, er sieht's nicht gern, Daß jetzt der nächste
Donnerkeil mich trifft, Und das steht fest für ihn, es wäre denn, Daß

mich die Erde früher schon verschlänge, Wenn nicht der Minotaurus
gar erscheint!-- So sind sie, denke darum aber nicht Gering von ihnen!
Nun, noch heute wirst du Sie spielen sehn!
Gyges. Und wünsche, mitzuspielen.
Kandaules. Wie, Gyges?
Gyges. Herr, ich bitte dich darum
Kandaules. Nein, nein, du sollst an meiner Seite sitzen, Damit ein jeder
sieht, wie ich dich ehre, Und wie ich will, daß man dich ehren soll.
Gyges. Wenn du mich ehrst, so schlägst du mir's nicht ab.
Kandaules. Du weißt nicht, was du tust! Kennst du die Lyder? Ihr
Griechen seid ein kluges Volk, ihr laßt Die andern alle spinnen und ihr
webt. Das gibt ein Netz, wovon kein einz'ger Faden Euch selbst gehört,
und das doch euer ist! Wie leicht wär's zugezogen und wie rasch Die
ganze Welt gefangen, wenn der Arm Des Fischers nur ein wenig
stärker wäre, Der es regieren soll. Da aber fehlt's! Ihr könnt durch keine
Kunst die Nervenstränge Uns aus dem Leibe haspeln, darum stellen
Wir uns viel blinder, als wir wirklich sind, Und gehn zu unsrem eignen
Spaß hinein: Ein kleiner Ruck macht uns ja wieder frei.
Gyges. Wir feiern diese Spiele auch.
Kandaules. Ja, ja! So unter euch! Da ringt der Dorier Mit dem Ionier,
und mischt am Ende Gar der Böotier sich mit hinein, So glaubt ihr,
Ares selber schaue zu Und merke sich mit Schaudern jeden Streich.
Gyges, und wenn du alle Preise dort Errungen hättest, warnen müßt' ich
dich, Hier auch nur um den letzten mitzukämpfen. Denn wild und
blutig ging es immer her, Doch würbest du, der Grieche und mein
Günstling, Auch nur um einen Zweig der Silberpappel, Wie man sie
heut zu Tausenden verstreut: Du kämst mit deinem Leben nicht davon.
Gyges. Nun habe ich dein ja, du kannst mir's jetzt Nicht länger
vorenthalten!
Kandaules. Nimmst du's so? Dann muß ich schweigen!
Gyges. Herr, ich kam nicht bloß, Zu bitten!
(Er zieht einen Ring hervor.)
Nimm! Es ist ein Königsring! Du siehst ihn an, du findest nichts an ihm,
Du staunst, daß ich ihn dir zu bieten wage, Du wirst ihn nehmen, wie
vom Kind die Blume, Nur um die arme Einfalt nicht zu kränken, Die
dir sie brach, nicht, weil sie dir gefällt. Unscheinbar ist er, das ist wahr,
und schlicht, Und dennoch kannst du für dein Königreich Ihn dir nicht

kaufen, noch ihn mit Gewalt Trotz aller deiner Macht, dem Träger
rauben, Wenn er ihn dir nicht willig reichen will. Trägst du ihn so,
(mit Zeichen und Gebärden)
daß das Metall nach vorn Zu sitzen kommt, so ist er bloß ein Schmuck,
Vielleicht auch keiner, aber drehst du ihn So weit herum, daß dieser
kleine Stein, Der dunkelrote, um sich blitzen kann, So bist du plötzlich
unsichtbar und schreitest, Wie Götter in der Wolke, durch die Welt.
Darum verschmäh ihn nicht, denn noch einmal: Es ist ein Königsring,
und diesen Tag Ersah ich längst, ihn dir zu übergeben, Du bist der
einz'ge, der ihn tragen darf!
Kandaules. Von unerhörten Dingen kam auch uns Die Kunde zu, man
sprach von einem Weibe, Medea hieß sie, welche Künste trieb, Die
selbst den Mond herab zur Erde zogen, Doch nie vernahm ich noch von
diesem Ring. Woher denn hast du ihn?
Gyges. Aus einem Grabe, Aus einem Grabe in Thessalien!
Kandaules. Du hast ein Grab erbrochen und entweiht?
Gyges. Nein, König, nein! Erbrochen fand ich's vor! Ich kroch nur bloß
hinein, um mich vor Räubern Zu bergen, die in großer überzahl Mir auf
der Fährte waren und mich hetzten, Als ich in abenteuerlichem Triebe
Das öde Waldgebirge jüngst durchstrich. Die Aschenkrüge waren
umgestoßen, Die Scherben lagen traurig durcheinander, Und in dem
falben Strahl der Abendsonne, Der durch die Ritzen des Gemäuers
drang, Sah ich ein Wölkchen blassen Staubes schweben, Das vor mir
aufstieg, als der letzte Rest Der Toten, und so seltsam mich bewegte,
Daß ich, um meinesgleichen, meine Väter Vielleicht, nicht
unwillkürlich einzuatmen, Den Odem lange anhielt in der Brust.
Kandaules. Nun? Und die Räuber?
Gyges. Hatten meine Spur Verloren, wie's mir schien, denn fern und
ferner Verhallten ihre Stimmen, und ich glaubte Mich schon gesichert,
wenn ich auch noch nicht Mein dämmriges Asyl verließ. Als ich Nun
so auf meinen Knieen kauerte, Erblickte ich auf einmal diesen Ring,
Der aus dem wüsten Trümmerhaufen mir Mit seinem Stein, wie ein
Lebendiges, Fast an ein scharfes Schlangen-Auge mahnend,
Entgegenfunkelte. Ich hob ihn
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 24
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.