Grevinde | Page 3

Hermann Heiberg
wenig schroff:
"Nein, nein, ich danke! Ich habe genug geruht. Auch m?chte ich mich nach Ihren Wünschen erkundigen. Sie werden flau sein, lieber Herr Graf. Wir speisen erst in einigen Stunden. Darf ich Ihnen nicht irgend etwas anbieten? Vielleicht nehmen Sie ein wenig alten Portwein und scharfen K?se?"
Und als Graf Dehn erkl?rte, keinen Hunger zu haben, h?rte sie nicht einmal hin, zog vielmehr an einer breiten, seidenen Glockenschnur und hie? einem sogleich durch die Korridorthür eintretenden Diener das von ihr Erw?hnte bringen.
"Es ist besser, Sie genie?en etwas, lieber Herr Graf. Die Zunge wird freier, das Gemüt belebter, wenn man eine gewisse Nüchternheit verbannt. Ich m?chte, da? Sie sich gleich heimisch, behaglich fühlen. Ich kenne die Indisposition nach einer Reise. Niemals ist eine Erfrischung angebrachter--"
"Schon Ihre wenigen gütigen Worte haben alles Unbehagliche verscheucht, gn?digste Gr?fin. In der That, man kann liebenswürdiger, herzlicher nicht empfangen werden. Mir ist, als ob ich schon jahrelang das Glück gehabt h?tte, Sie zu kennen--"
"Ich freue mich, da? Sie so sprechen, Graf Dehn. Aber mit derselben Offenheit: Sie geh?ren zu jenen Menschen, bei deren Anblick man den Eindruck empf?ngt, man k?nne nie entt?uscht werden, bei welcher Gelegenheit man immer die Hand nach Ihnen ausstreckt. Werden Sie nicht sehr geliebt von Ihrer Umgebung, von Ihren Freunden--von den Frauen? Gewi?, gewi?, Sie sind ein Sonnenkind! Und hoffen wir, da? wir noch weit engere Freundschaft schlie?en--" fügte sie mit einer Anspielung auf die Zwecke seines Kommens hinzu und lud ihn zugleich durch eine liebenswürdige Geste ein, sich des inzwischen gebrachten Frühstücks zu bedienen.
"Bringen Sie auch Champagner und die Florentiner Krystallgl?ser! Vite!" befahl sie dem Diener, lie? sich neben dem Grafen nieder, schenkte ihm ein und go? sich, als nach wenigen Minuten Champagner erschien, selbst das kühl sprudelnde Getr?nk in das ungew?hnlich geformte, unten und oben schmale, in der Mitte sanft ausgebogene und hier hellgold, sonst aber krystallhell schimmernde Glas und setzte es an die Lippen.
Aber auch Axels Glas hatte sie gefüllt, und als sie das ihrige abermals voll gegossen, stie? sie mit ihm an und sagte:
"Nehmen wir uns vor, da? wir die kommenden Tage besonders vergnügt zusammen verleben wollen. An mir soll's nicht fehlen, lieber Graf. Rankholm ist sehr sch?n, aber die Einsamkeit t?tet doch bisweilen die Lebensgeister. Es ist eine wahre Wohlthat, wenn uns jemand besucht. Die l?ndliche Bev?lkerung gleicht einer Familie von Schnecken. Auch die meisten Gebildeten haben Bleikugeln in ihren Seelen, K?pfen und Beinen. Natürlich, ich habe Dienstboten, die Feuerwerksk?rper in sich bergen.--Sie werden nichts von der Langsamkeit der Jüten bei ihnen finden. Anfangs versuchte ich es mit hiesigen, aber gab's bald auf. Brave Menschen, ehrlich, gutherzig, aber strafbar phlegmatisch und von einem Trotz, wenn sie einmal ihren Kopf aussetzen, der an Starrheit grenzt. Ach, lieber Graf, wie ist das Dasein zu ertragen, wenn man es so ernsthaft nimmt, wenn man immer daran denkt, was kommt darnach, statt die Lebenslust zu pflegen, sich für sie geistig und k?rperlichen schmücken!"
"Es fehlt den meisten leider dazu die Veranlagung, Frau Gr?fin. Bes??e die Welt Ihr Temperament, Ihre Gesundheit, Ihre Sch?nheit und Ihren Reichtum, würde sie schon Ihren Lehren folgen.--Zum Leben im feineren Sinne geh?rt wenigstens Geist und Temperament: die besitzen nur Auserw?hlte."
"Ich freue mich, da? Sie nicht, wie alle, lediglich die günstigen materiellen Verh?ltnisse als Bedingung hervorheben. Es beweist eine geringe Erfahrung und wenig Erhabenheit des Geistes, wenn man vermeint, es k?nne uns der durch den Reichtum herbeigeführte Genu? mit dem Dasein vers?hnen. Ich m?chte das Gegenteil behaupten. Man mu? etwas entbehren, man mu? noch etwas Verlangen und Sehnsucht empfinden, nicht nach dem Unbestimmten, das nie Erfüllung findet, sondern nach den kleinen Freuden, die uns durch die Natur, durch Eindrücke, durch den Verkehr mit Menschen, durch Th?tigkeit, durch unsere behaglichen Reflexionen, unsere Wünsche und Erwartungen, endlich auch durch die F?higkeit werden, immer eine stille Hoffnung in unseren Herzen zu pflegen--"
Und als Graf Dehn, der diesen Ausführungen mit starker Beipflichtung zugenickt hatte, bei den letzten Worten fragend das Auge erhob, schlo? die Gr?fin:
"Ja, es ist die Wahrheit: Wir k?nnen ohne irgend eine stete, starke Hoffnung nicht glücklich sein."
Sie wurden in ihrem Gespr?ch unterbrochen, weil pl?tzlich in der nach dem Korridor führenden Thür die Gestalt eines jungen M?dchens erschien.
Der Ausdruck in ihren Zügen war gemessen, aber eine solche Fülle zarter Sch?nheit war über ihrem ganzen Wesen ausgegossen, da? der Gedanke emporstieg, hier habe die Natur alles zusammengemischt, was sie nur immer einem lebendigen Gesch?pf an Bevorzugungen zu verleihen verm?ge.
Trotz der fr?hlichen Jahreszeit war sie schwarz gekleidet; auch ein dunkler Spitzenschleier umhüllte ihren von rotbraunen Haaren umflossenen Kopf, und rasch zog sie die Umhüllung von diesem herab.
Nach der durch die Gr?fin herbeigeführten Vorstellung, versch?nte vorübergehend ein freundlicher Ausdruck ihren reizend geschnittenen Mund, dem zwar ebenso rasch wieder ein solcher stolzer K?lte wich. Auch wandte sie sich nach einigen, flüchtig an ihre Mutter gerichteten Worten und nach einer steif gemessenen Verneigung gegen den Gast, derselben
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 79
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.