Grevinde | Page 2

Hermann Heiberg
alten romantisch gebauten Jagdschlo? vor einem.
Einen überw?ltigenden Eindruck empfing Graf Dehn, als er nach Ueberschreiten der Schlo?brücke, die auf einen peinlich sauber gepflasterten Vorhof führte, durch das m?chtige, von zwei Steinernen L?wen flankierte Portal in das Innere eintrat.
Er befand sich auf einem gro?en, in der Mitte durch einen sprudelnden Neptunbrunnen geschmückten und von den Mauern des stolzen Geb?udes eingeschlossenen Innenhof.
Zu Seiten einer im Mittelbau befindlichen, mit dem Wappen der Grafen Lavard gezierten Rampe--eine Faust, die einen Dolch hielt, zückte ihn gegen einen sich wild anlehnenden Geier--strebten m?chtige S?ulen empor.
Auf ihnen erhoben sich Marmorgestalten aus der Antike, und zu ihren Fü?en streckten zwei Tiger aus Bronze ihre Leiber und Tatzen aufs Pflaster aus.
Und zwischen diesen mit Vorsprungtürmen, zahlreichen hohen Eingangspforten, bogenf?rmigen, von Epheu und Schlinggew?chsen umzingelten Fenstern und Altanen geschmückten Mauerw?nden herrschte eine lautlose, gleichsam furchterregende Stille. Sie wurde nur jetzt unterbrochen durch das Ger?usch einer sich ?ffnenden Thür im Portierhause, der sich der Alte soeben gen?hert hatte, um den Gast beim Pf?rtner anzumelden.
Nachdem das geschehen, verabschiedete er sich, nach Empfang eines reichlich bemessenen Trinkgeldes, mit still verbindlicher Miene, und der Pf?rtner, ein ebenfalls gebückt einhergehender Alter, stellte sich entbl??ten Hauptes vor dem Fremden auf und zog, nachdem er geh?rt, wer er sei, wiederholt kr?ftig an einer Schelle.
Laut und zudringlich, ja, schreckhaft t?nte sie über den einsamen Hof, und im Nu erschien der Haushofmeister in einem schwarzen Frack oben auf der Schlo?treppe, eilte die Stufen hinab und geleitete den Grafen mit einer Ehrerbietung, wie sie nur K?nigen dargebracht zu werden pflegt, in das Schlo?.
"Nein, es ist kein Brief eingetroffen, sonst würde jedenfalls Fuhrwerk am Bahnhof oder am Wege gewesen und ohne Zweifel der Herr Graf selbst zum Empfang des gn?digen Herrn, der schon seit mehreren Tagen erwartet wurde, erschienen sein," erkl?rte der Haushofmeister Frederik, als welcher er sich, unter bescheidener Verneigung, dem Grafen vorstellte.
Und der Graf sei nicht zu Hause, auch die Komtesse Imgjor sei nicht anwesend. Aber die gn?dige Frau bef?nden sich in ihren Gem?chern. Er bitte, da? der gn?dige Herr geruhen m?ge, in seine Zimmer einzutreten, er werde inzwischen dessen Ankunft der Herrschaft zu melden sich beeilen.
Unter solchen Erkl?rungen schritt der Haushofmeister, ein hagerer Mann mit grauschwarz meliertem Haar und ernsten, überaus vertrauenerweckenden Mienen, neben dem Grafen Dehn die gro?e Freitreppe im Innern empor und führte ihn hinten links durch einen durch zahlreiche Familiengem?lde etwas verdunkelten, hohen und langen Korridor. Am Ende desselben befanden sich die für den Gast bestimmten R?ume.
Und gleichzeitig erschienen auch schon zwei rotlivrierte Lakaien und luden des Grafen Gep?ck ab, und nachdem dies geschehen, entfernte sich Frederik unter ehrerbietiger Verneigung.
Die Gem?cher waren ebenso reich, wie geschmackvoll und bequem eingerichtet.
Blaue, venetianische Seidentapeten bedeckten die W?nde, helle, sanftgeblümte Fu?teppiche den Fu?boden und dunkle M?bel fesselten das Auge.
Auch boten die R?ume einen Ausblick auf die G?rten, den Park und das Dorf, das gleich einem Zauberbilde in dieses entzückende Tableau hinein geschoben schien.
Nach einer Viertelstunde, nach Auspacken und Ordnen der Toilette, erschien auch schon Frederik wieder, verbeugte sich mit der ihm eigenen natürlichen Würde und meldete, da? die gn?dige Frau sehr glücklich sei, den Herrn Grafen empfangen zu dürfen. Sie würde schon gleich diese Botschaft gesandt haben, wenn sie nicht geglaubt h?tte, da? ihm eine Pause der Erholung angenehm sein werde.
Sie durchschritten denselben Korridor, machten einen kurzen Halt auf dem mit m?chtigen Jagdbildern geschmückten, in wei?em Marmor get?felten Flur und nahmen den Weg durch einen gro?en, mit grünseidenen Tapeten, schmalen, hohen Spiegeln und seidenen Polsterm?beln ausgestatteten Saal.
Und nachdem sie diesen verlassen und noch zwei daransto?ende Prunkgem?cher durchmessen, traten sie in einen kleineren Gartensalon, der mit verschwenderischer Pracht eingerichtet war. An diesen stie? wieder ein zweifenstriges Kabinett, und in ihm lag, umgeben von franz?sischen M?beln, blühenden Blumen, Statuetten und Bequemlichkeiten, auf einem hellen, seidenbezogenen Divan die Gr?fin Lucile Lavard.
Sie hatte braunes Haar, braune Augen und ebensolche Wimpern. Ueber einer geschmeidigen Figur hob sich eine volle Büste, und die Formen und die Linien ihres K?rpers zeigten überhaupt jene üppigeren Reize, durch die sich die ges?ttigte Fülle einer verheirateten Frau von der sprossenden Sch?nheit junger M?dchen unterscheidet.
Als sie des Grafen ansichtig wurde, erhob sie sich mit dem ruhig ausgeglichenen Wesen einer Huldigungen gewohnten Frau, und reichte ihm gleichzeitig mit einem so bezaubernden Ausdruck und einem so bestrickenden L?cheln die Hand, da? sich der sympathische Eindruck ihres jede Wirkung verschm?henden, liebenswürdig einfachen Wesens nur noch erh?hte.
"Ich bin wirklich sehr unglücklich, da? niemand zu Ihrem Empfange da war, lieber Herr Graf--" stie? sie heraus. "Aber Sie haben schon von Frederik geh?rt, da? wir wirklich nicht schuld sind. Lassen Sie mich in jedem Falle hoffen, da? sich die Ihnen dadurch gewordenen ungünstigen Eindrücke inzwischen bereits wieder verwischt haben!"
Freilich trat nach diesen Einleitungsworten ein anderer Ausdruck in ihre Züge, ein abwartender, etwas forschender.
Auch sprach sie, nachdem er ihr geantwortet, auch kavalierm??ig den Arm geboten und sie gebeten hatte, die frühere bequeme Lage wieder einzunehmen, fast ein
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