Gefährt bis zur Landstraße entgegen. Sie kam mit
der Post, ebenso wie Graf Dehn; sie hatte es so gewollt.
Komtesse Lucile Lavard war eine ungemein schlanke Dame mit einer
außerordentlich vornehmen Haltung. Ihr Gesicht besaß eine vollendete
Regelmäßigkeit; sie glich einer edlen Römerin, die den Schönheitspreis
davongetragen. Die Nase war leicht gebogen, die schwarzen Augen
glühten in einem dunklen Feuer, die Lippen waren sein geschnitten.
Gleich der Abendröte Anhauch lagen sauste Farben auf den weichen
Wangen, und ihre Zähne blitzten in dem Weiß der Fischgräte.
Die Gräfin hatte recht, sie war blendend schön und zugleich von einer
Liebenswürdigkeit, die etwas wahrhaft Bestrickendes besaß.--
Als man das Schloß erreicht hatte, zog sich Axel absichtlich zurück und
wanderte ins Dorf.
Mitten in diesem lag, zurückgelehnt, der Besitz des Grafen Kunt, ein
zweistöckiges, schneeweiß angestrichenes Haus mitten unter Grün und
Tannen.
Er fand den Besitzer in seinem Garten bei den Blumen, und nachdem
ein im Hause eingenommenes Glas Wein und eine Zigarre bereits die
Gemütlichkeit erhöht hatten, unternahmen sie zusammen einen
Spaziergang durch den sehr ausgedehnten, mit stattlichen Gehöften und
Bauerhäusern, aber auch mit vielen ärmlichen Katen besetzten Ort. Bei
dieser Gelegenheit ließ sich Axel möglichst viel von Lavards und auch
von Lucile erzählen.
Graf Knut berichtete, daß Lucile vor anderthalb Jahren mit einem
französischen Gesandtschaftsattaché in Kopenhagen, dem jungen
Marquis von Rebullion, verlobt gewesen sei und diese Verbindung
wieder gelöst habe.
Dem wäre es zuzuschreiben, daß sie seither keine Ehe eingegangen sei.
Er bezeichnete sie als ein vollendetes Mädchen, sie besitze aber einen
unbeugsamen Standesstolz.
Während sie noch sprachen, kam Doktor Prestö vorüber, machte eine
Bewegung, als ob er stehen bleiben wolle, besann sich aber und grüßte
den Grafen mit großer Artigkeit, Axel aber mit steifer Gemessenheit.
Es geschah, obschon Prestö Axels Besuch noch nicht erwidert hatte.
"Ein recht unangenehmer Mensch!" warf Axel hin.
Graf Knut bewegte stumm die Schultern.
"Sie scheinen meine Auffassung nicht zu teilen?"
"Man muß den Zusammenhang der Dinge kennen, um ein gerechtes
Urteil zu fällen--" entgegnete Graf Knut. "Prestös Eltern fanden unter
dem Druck eines maßlos hochmütigen und gegen seine Untergebenen
rücksichtslos harten Gutsherrn, des Grafen Vedelsborg auf Bornholm.
Prestös Vater war dort Guts-Inspektor. So sog der Sohn den Haß gegen
den tyrannischen Gutsherrn seit seiner Kindheit in sich ein. Prestö ist
völlig mittellos; die unvermögenden Eltern sind lange gestorben; nur
durch eisernen Fleiß, Stipendien und Stundengeben hat er sein Studium
ermöglicht. Durch solche Thaten, durch solches Ringen um die
Existenz bilden sich Charaktere, allerdings selten liebenswürdige, eher
einseitige und selbstsüchtige. Als unser alter Doktor vor sechs Monaten
starb, gab ich die Veranlassung, daß sich Prestö hier niederließ. Ich
interessierte mich von jeher für die Eltern. Gewiß, seine Manieren
lassen recht sehr zu wünschen übrig, ich gestehe das zu. Auch gären in
ihm die Ideen der neuen Zeit. Ich bedaure diese Richtung. Aber--was
will man machen? Wechsel regiert die Welt, und mit ihm treten neue
Anschauungen und Erscheinungen zu Tage. Wir--die
Gutsherren--haben die gute Zeit gehabt, nun wollen auch die Bauern
einmal leben!"
"Ah, nun verstehe ich! Deshalb Imgjors Eintreten für ihn! Sie begegnen
sich in ihren Anschauungen. Jetzt ist mir alles klar. Nun weiß ich, wer
meinem Werben um sie entgegengeht."
"Sie interessieren sich für die Komtesse Imgjor, Herr Graf?"
"Ich gestehe es--außerordentlich! Ich habe auch des Grafen und der
Gräfin Beifall für meine Pläne. Bisher glaubte ich nur gegen Vorurteile
zu kämpfen. Nun bin ich überzeugt, daß ich in Prestö meinen
eigentlichen Widersacher zu suchen habe. Gewiß, sie lieben sich!"
"Vielleicht doch nicht--" betonte der Graf, auf das Gespräch ohne
Umschweife eingehend. "Daß Imgjor Interesse für ihn besitzt, will
mich wohl auch bedünken. Aber er für sie? Er war schon als Student
verlobt und ist es, soviel ich weiß, noch--"
"Ah welch' eine gute Nachricht! Erzählen Sie, ich bitte!" fiel Axel
lebhaft ein und zog den alten Herrn über das Dorfgebiet hinaus.--
Am folgenden Tage, nach dem zweiten Frühstück, wußte es Axel so
einzurichten, daß er mit Lucile im Garten auf- und abwandelte. Der
Graf hatte wegen seiner Geschäfte auf eins der Vorwerke fahren
müssen, die Gräfin--eine selten vorkommende Erscheinung--mußte
wegen einer Migräne das Zimmer hüten.
Lucile war, in Vertretung ihrer Mama, beim Frühstück sehr
liebenswürdig um Axel bemüht gewesen. Sie besaß ähnliche
Eigenschaften wie ihre Mutter. Mit Verstand und Geist verband sie
große Lebhaftigkeit. Wie sie sonst zu beurteilen sei, mußte er erst
ergründen.
Es giebt Frauen, die bei aller sonstigen Beweglichkeit eine stolze
Prüderei hervorkehren, sobald ein Mann eine über das Konventionelle
hinausgehende Annäherung wagt.
Zu einer engeren Berührung im ersteren Sinne gehört nach ihrer
Auffassung die Prüfung eines halben Menschenalters, und Artigkeiten,
die ein Interesse verraten, weisen sie mit einer verletzenden Schroffheit
zurück.
Der Graf hatte recht: zu diesen schien Lucile zu gehören.
Lucile sprach mit Vorliebe über ihren Aufenthalt in den großen Städten
und ihren Verkehr mit den Personen der bevorzugten Stände. Es
geschah
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