Grevinde | Page 4

Hermann Heiberg
von rotbraunen Haaren
umflossenen Kopf, und rasch zog sie die Umhüllung von diesem herab.
Nach der durch die Gräfin herbeigeführten Vorstellung, verschönte
vorübergehend ein freundlicher Ausdruck ihren reizend geschnittenen
Mund, dem zwar ebenso rasch wieder ein solcher stolzer Kälte wich.
Auch wandte sie sich nach einigen, flüchtig an ihre Mutter gerichteten
Worten und nach einer steif gemessenen Verneigung gegen den Gast,
derselben Thür, durch die sie eingetreten, wieder zu und war seinen
Augen entschwunden, bevor er sich noch von der bezwingenden
Gewalt des Eindrucks ihrer Erscheinung zu lösen vermochte.
Und seltsam! Die Gräfin gab zu diesem ausfallenden Verhalten keine
Erklärung.
Sie sah nur Graf Dehn mit einem eigentümlich forschenden Blick an
und zog, als er zu einer Frage anheben wollte, mit einer Miene die
Schultern, als ob sie ihm durch diese stumme Geberde eine Antwort
erteilen, ihn aber zugleich ersuchen wollte, sich mit dieser Erwiderung
zu begnügen.

Sie erhob sich jedoch nunmehr und sagte:
"Trinken wir das letzte Glas, lieber Graf, auf die Erfüllung unserer
Hoffnungen, gleichviel, welche sie sein mögen. Und nun, ich bitte,
kommen Sie, Sie müssen unseren Garten und unseren Park
bewundern--"
Und nachdem auf ihr Zeichen ein Kammermädchen erschienen war und
beider Garderobe gebracht hatte, schritt sie ihm, einen weißseidenen
Sonnenschirm über sich, seidengraue, bis über die Arme fallende
Handschuhe an den Händen und ein grauseidenes, zartes Tuch mit
langen, schneeweißen Seidenfranzen um die Schultern geschlungen,
von dem hochgelegenen freien Balkon herab in den Garten voran.--
Noch vor Tisch erschien Graf Lavard in Axels Gemächern. Er klopfte
kurz und stark an die Thür, trat mit einem gleichsam von ihm
ausstrahlenden Freimut auf den Sohn seines besten Jugendfreundes zu,
sah ihm liebenswürdig in die Augen und schüttelte ihm mit jener
lebhaft höflichen Herzlichkeit die Hand, welche den Dänen und den
Franzosen gemeinsam eigen ist.
Er bot eine überaus vornehme, aber auffallende Erscheinung. Auf
einem geschmeidigen, noch jugendlichen Körper saß ein mit weißem
Haar bedeckter, kurzglatt geschorener Kopf, auch der Schnurrbart war
weiß, während die Farbe des Angesichts nicht spurenweise, wie bei
anderen Menschen, gerötete Farben, sondern ein über und über gesund
gerötetes, feuriges Kolorit zeigte. Und alles, was er trug und wie er's
trug, paßte zu seiner Persönlichkeit. Ueber Lackstiefeln saßen
kreideweiße Gamaschen, auch die Weste war aus weißem Stoff,
während den übrigen Körper ein loser, grauer, sogenannter englischer
Anzug umschloß. In der That, ein schönes, vornehmes Geschlecht,
diese Lavards! Graf Dehn fühlte sich fast ein wenig herabgedrückt
neben diesen überall von den Erscheinungen ungewöhnlichen
Reichtums umgebenen Menschen.
"Ich habe," hub er an, "meinen Freund den alten Grafen Knut, und den
Doktor unten aus unserm Dorf Kneedeholm zu Tisch geladen.--Ist
Ihnen hoffentlich nicht unangenehm, lieber Graf Dehn?

O nein, o nein, ich weiß! Gleich am ersten Tage mag man nicht gleich
von zu vielen Eindrücken bestürmt werden. Haben Sie Imgjor schon
gesehen?--So--so--Hm vortrefflich!--Ich sprach meine Frau nur flüchtig.
Also, auf Wiedersehen in einer Viertelstunde!"
Und dann ging er, Axel warmherzig zunickend, und dieser, die Brust
voll von unruhigen Erwartungen blieb allein.--
Das Speisegemach in Rankholm lag zu Seiten des großen
Empfangssalons, welcher wegen seiner Spiegelwände der Spiegelsaal
genannt wurde. Als Axel von dem in einem tadellosen Frack und
weißer Binde steckenden Frederik zunächst in den ersteren geleitet
wurde, fand er die Herrschaften schon versammelt.
Die Gräfin, die ihm gleich liebenswürdig zunickte, befand sich in
einem Gespräch mit dem Grafen Knut, einem kleinen, starken,
beweglichen Herrn mit hinkendem Bein und tiefer Schmarre in dem
sehr ausdrucksvollen, dänisch geschnittenen Gesicht.
Graf Lavard unterhielt sich dagegen mit dem jungen Doktor Prestö,
einem Mann, der wie ein Korpsbursch aussah und durch die dunklen
Farben seines Angesichts und durch das tiefe Schwarz seines Haares
eher einem Italiener, als einem Bewohner des Nordens glich.
Imgjor endlich stand vor einem großen, reich vergoldeten Käfig und
beschäftigte sich mit einem prachtvollen, buntgefiederten Papagei, den
sie zärtlich verhätschelte und der auch ihr sehr zugethan zu sein schien.
Sogleich fand die allgemeine Vorstellung und ein lebhafter
Wortaustausch zwischen Axel und dem Grafen Knut statt, und nur
Imgjor blieb nach steif formeller Verneigung neben dem Bauer stehen
und trat erst von diesem zurück, als Frederik die Flügelthüren zu dem
Speisegemach und der dort aufgehellten, in Krystall und Silber
strahlenden Tafel aufstieß.
Graf Knut führte die Gräfin, der Graf gab einer noch eben
hinzugetretenen, als Imgjors Lehrerin vorgestellten, älteren Hausdame
den Arm, und Axel erhielt seinen Platz zwischen Imgjor und dem

Doktor Prestö, in der Art, daß er und die übrigen, mit Ausnahme von
Imgjor, für die an dem unteren Ende der Tafel ein Kouvert gedeckt war,
einander gegenübersaßen.
Das Gespräch wurde zunächst so ausschließlich von der Gräfin in
Anspruch genommen, daß die anderen zu einer Einzelkonversation
keine Gelegenheit fanden. Erst später gelang es Axel, sich mit Imgjor
zu beschäftigen und mit dem Doktor eine Unterhaltung anzuknüpfen.
Allerdings zeigte dieser eine ähnliche unhöfliche Zürückhaltung wie
Imgjor.
Es giebt junge Leute, die ohne
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