Goetz von Berlichingen | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
das Essen zurecht machen. Hungrig
werdet ihr doch alle sein.
Reiter. Rechtschaffen.
Elisabeth. Nimm den Kellerschlüssel und hol vom besten Wein! Sie
haben ihn verdient. (Ab.)
Karl. Ich will mit, Tante.
Maria. Komm, Bursch. (Ab.)
Reiter. Der wird nicht sein Vater, sonst ging' er mit in Stall!
(Götz. Weislingen. Reitersknechte.)
Götz (Helm und Schwert auf den Tisch legend). Schnallt mir den
Harnisch auf, und gebt mir mein Wams. Die Bequemlichkeit wird mir
wohl tun. Bruder Martin, du sagtest recht--Ihr habt uns in Atem
erhalten, Weislingen.
Weislingen (antwortet nichts, auf und ab gehend).
Götz. Seid gutes Muts. Kommt, entwaffnet Euch. Wo sind Eure Kleider?
Ich hoffe, es soll nichts verlorengegangen sein. (Zum Knecht.) Frag
seine Knechte, und öffnet das Gepäcke, und seht zu, daß nichts
abhanden komme. Ich könnt Euch auch von den meinigen borgen.
Weislingen. Laßt mich so, es ist all eins.
Götz. Könnt Euch ein hübsches saubres Kleid geben, ist zwar nur
leinen. Mir ist's zu eng worden. Ich hatt's auf der Hochzeit meines
gnädigen Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals, als Euer Bischof so
giftig über mich wurde. Ich hatt' ihm, vierzehn Tag vorher, zwei Schiff
auf dem Main niedergeworfen. Und ich geh mit Franzen von Sickingen
im Wirtshaus zum Hirsch in Heidelberg die Trepp hinauf. Eh man noch
ganz droben ist, ist ein Absatz und ein eisen Geländerlein, da stund der
Bischof und gab Franzen die Hand, wie er vorbeiging, und gab sie mir
auch, wie ich hintendrein kam. Ich lacht in meinem Herzen, und ging

zum Landgrafen von Hanau, der mir gar ein lieber Herr war, und sagte:
"Der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett, er hat mich nicht
gekannt." Das hört' der Bischof, denn ich red't laut mit Fleiß, und kam
zu uns trotzig--und sagte: "Wohl, weil ich Euch nicht kannt hab, gab
ich Euch die Hand." Da sagt ich: "Herre, ich merkt's wohl, daß Ihr mich
nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand wieder." Da ward das
Männlein so rot am Hals wie ein Krebs vor Zorn und lief in die Stube
zu Pfalzgraf Ludwig und dem Fürsten von Nassau und klagt's ihnen.
Wir haben nachher uns oft was drüber zugute getan.
Weislingen. Ich wollt, Ihr ließt mich allein.
Götz. Warum das? Ich bitt Euch, seid aufgeräumt. Ihr seid in meiner
Gewalt, und ich werd sie nicht mißbrauchen.
Weislingen. Dafür war mir's noch nicht bange. Das ist Eure
Ritterpflicht.
Götz. Und Ihr wißt, daß die mir heilig ist.
Weislingen. Ich bin gefangen; das übrige ist eins.
Götz. Ihr solltet nicht so reden. Wenn Ihr's mit Fürsten zu tun hättet,
und sie Euch in tiefen Turn an Ketten aufhingen, und der Wächter Euch
den Schlaf wegpfeifen müßte!
(Die Knechte mit den Kleidern.)
Weislingen (zieht sich aus und an).
(Karl kommt.)
Karl. Guten Morgen, Vater!
Götz (küßt ihn). Guten Morgen, Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?
Karl. Recht geschickt, Vater! Die Tante sagt: ich sei recht geschickt.
Götz. So!
Karl. Hast du mir was mitgebracht?
Götz. Diesmal nicht.
Karl. Ich hab viel gelernt.
Götz. Ei!
Karl. Soll ich dir vom frommen Kind erzählen?
Götz. Nach Tische.
Karl. Ich weiß noch was.
Götz. Was wird das sein?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst, gehört seit
zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentümlich
zu.

Götz. Kennst du den Herrn von Berlichingen?
Karl (sieht ihn starr an).
Götz (vor sich). Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater
nicht.--Wem gehört Jagsthausen?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst.
Götz. Das frag ich nicht.--Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh
ich wußte, wie Fluß, Dorf und Burg hieß.--Die Mutter ist in der Küche?
Karl. Ja, Vater! Sie kocht weiße Rüben und ein Lammsbraten.
Götz. Weißt du's auch, Hans Küchenmeister?
Karl. Und für mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.
Götz. Kannst du sie nicht roh essen?
Karl. Schmeckt so besser.
Götz. Du mußt immer was Apartes haben.--Weislingen! ich bin gleich
wieder bei Euch. Ich muß meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.
Karl. Wer ist der Mann?
Götz. Grüß ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.
Karl. Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald fertig.
Weislingen (hebt ihn in die Höh und küßt ihn). Glückliches Kind! das
kein übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß Euch viel
Freud am Knaben erleben, Berlichingen.
Götz. Wo viel Licht ist, ist starker Schatten--doch wär mir's
willkommen. Wollen sehn, was es gibt.
(Sie gehn.)

I. Akt, Szene 3

Weislingen. O daß ich aufwachte! und das alles wäre ein Traum! In
Berlichingens Gewalt! von dem ich mich kaum losgearbeitet habe,
dessen Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu überwältigen!
Und er--der alte treuherzige Götz! Heiliger Gott, was will, will aus dem
allen werden? Rückgeführt, Adelbert, in den Saal! wo
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