Goetz von Berlichingen | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
wir als Buben
unsere Jagd trieben--da du ihn liebtest, an ihm hingst wie an deiner
Seele. Wer kann ihm nahen und ihn hassen? Ach! ich bin so ganz
nichts hier! Glückselige Zeiten, ihr seid vorbei, da noch der alte
Berlichingen hier am Kamin saß, da wir um ihn durcheinander spielten
und uns liebten wie die Engel. Wie wird sich der Bischof ängstigen,
und meine Freunde. Ich weiß, das ganze Land nimmt teil an meinem

Unfall. Was ist's! Können sie mir geben, wornach ich strebe?
Götz (mit einer Flasche Wein und Becher). Bis das Essen fertig wird,
wollen wir eins trinken. Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu Hause
wärt! Denkt, Ihr seid einmal wieder beim Götz. Haben doch lange nicht
beisammengesessen, lang keine Flasche miteinander ausgestochen.
(Bringt's ihm.) Ein fröhlich Herz!
Weislingen. Die Zeiten sind vorbei.
Götz. Behüte Gott! Zwar vergnügtere Tage werden wir wohl nicht
wieder finden als an des Markgrafen Hof, da wir noch
beisammenschliefen und miteinander umherzogen. Ich erinnere mich
mit Freuden meiner Jugend. Wißt Ihr noch, wie ich mit dem Polacken
Händel kriegte, dem ich sein gepicht und gekräuselt Haar von ungefähr
mit dem ärmel verwischt?
Weislingen. Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem
Messer.
Götz. Den schlug ich wacker aus dazumal, und darüber wurdet Ihr mit
seinem Kameraden zu Unfried. Wir hielten immer redlich zusammen
als gute brave Jungen, dafür erkennte uns auch jedermann. (Schenkt ein
und bringt's.) Kastor und Pollux! Mir tat's immer im Herzen wohl,
wenn uns der Markgraf so nannte.
Weislingen. Der Bischof von Würzburg hatte es aufgebracht.
Götz. Das war ein gelehrter Herr, und dabei so leutselig. Ich erinnere
mich seiner, so lange ich lebe, wie er uns liebkoste, unsere Eintracht
lobte und den Menschen glücklich pries, der ein Zwillingsbruder seines
Freundes wäre.
Weislingen. Nichts mehr davon!
Götz. Warum nicht? Nach der Arbeit wüßt ich nichts Angenehmers, als
mich des Vergangenen zu erinnern. Freilich, wenn ich wieder so
bedenke, wie wir Liebs und Leids zusammen trugen, einander alles
waren, und wie ich damals wähnte, so sollt's unser ganzes Leben sein!
War das nicht all mein Trost,, wie mir diese Hand weggeschossen ward
vor Landshut, und du mein pflegtest und mehr als Bruder für mich
sorgtest? Ich hoffte, Adelbert wird künftig meine rechte Hand sein.
Und nun-Weislingen. Oh!
Götz. Wenn du mir damals gefolgt hättest, da ich dir anlag, mit nach
Brabant zu ziehen, es wäre alles gut geblieben. Da hielt dich das
unglückliche Hofleben und das Schlenzen und Scherwenzen mit den

Weibern. Ich sagt es dir immer, wenn du dich mit den eiteln garstigen
Vetteln abgabst und ihnen erzähltest von mißvergnügten Ehen,
verführten Mädchen, der rauhen Haut einer Dritten, oder was sie sonst
gerne hören: "Du wirst ein Spitzbub", sagt ich, "Adelbert."
Weislingen. Wozu soll das alles?
Götz. Wollte Gott, ich könnt's vergessen, oder es wär anders! Bist du
nicht ebenso frei, so edel geboren als einer in Deutschland, unabhängig,
nur dem Kaiser untertan, und du schmiegst dich unter Vasallen? Was
hast du von dem Bischof? Weil er dein Nachbar ist? dich necken
könnte? Hast du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken?
Verkennst den Wert eines freien Rittersmanns, der nur abhängt von
Gott, seinem Kaiser und sich selbst! Verkriechst dich zum ersten
Hofschranzen eines eigensinnigen neidischen Pfaffen!
Weislingen. Laßt mich reden.
Götz. Was hast du zu sagen?
Weislingen. Du siehst die Fürsten an, wie der Wolf den Hirten. Und
doch, darfst du sie schelten, daß sie ihrer Leut und Länder Bestes
wahren? Sind sie denn einen Augenblick vor den ungerechten Rittern
sicher, die ihre Untertanen auf allen Straßen anfallen, ihre Dörfer und
Schlösser verheeren? Wenn nun auf der andern Seite unsers teuern
Kaisers Länder der Gewalt des Erbfeindes ausgesetzt sind, er von den
Ständen Hülfe begehrt, und sie sich kaum ihres Lebens erwehren: ist's
nicht ein guter Geist, der ihnen einrät, auf Mittel zu denken,
Deutschland zu beruhigen, Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, um
einen jeden, Großen und Kleinen, die Vorteile des Friedens genießen
zu machen? Und uns verdenkst du's, Berlichingen, daß wir uns in ihren
Schutz begeben, deren Hülfe uns nah ist, statt daß die entfernte
Majestät sich selbst nicht beschützen kann.
Götz. Ja! ja! Ich versteh! Weislingen, wären die Fürsten, wie Ihr sie
schildert, wir hätten alle, was wir begehren. Ruh und Frieden! Ich
glaub's wohl! Den wünscht jeder Raubvogel, die Beute nach
Bequemlichkeit zu verzehren. Wohlsein eines jeden! Daß sie sich nur
darum graue Haare wachsen ließen! Und mit unserm Kaiser spielen sie
auf eine unanständige Art. Er meint's gut und möcht gern bessern. Da
kommt denn alle Tage ein neuer Pfannenflicker und meint so und so.
Und weil der Herr geschwind etwas begreift, und nur reden darf, um
tausend Hände in Bewegung zu setzen, so denkt er, es wär auch alles so

geschwind und leicht ausgeführt. Nun ergehn Verordnungen über
Verordnungen, und wird
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