Goetz von Berlichingen | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
der Bischof, denn ich red't laut mit Flei?, und kam zu uns trotzig--und sagte: "Wohl, weil ich Euch nicht kannt hab, gab ich Euch die Hand." Da sagt ich: "Herre, ich merkt's wohl, da? Ihr mich nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand wieder." Da ward das M?nnlein so rot am Hals wie ein Krebs vor Zorn und lief in die Stube zu Pfalzgraf Ludwig und dem Fürsten von Nassau und klagt's ihnen. Wir haben nachher uns oft was drüber zugute getan.
Weislingen. Ich wollt, Ihr lie?t mich allein.
G?tz. Warum das? Ich bitt Euch, seid aufger?umt. Ihr seid in meiner Gewalt, und ich werd sie nicht mi?brauchen.
Weislingen. Dafür war mir's noch nicht bange. Das ist Eure Ritterpflicht.
G?tz. Und Ihr wi?t, da? die mir heilig ist.
Weislingen. Ich bin gefangen; das übrige ist eins.
G?tz. Ihr solltet nicht so reden. Wenn Ihr's mit Fürsten zu tun h?ttet, und sie Euch in tiefen Turn an Ketten aufhingen, und der W?chter Euch den Schlaf wegpfeifen mü?te!
(Die Knechte mit den Kleidern.)
Weislingen (zieht sich aus und an).
(Karl kommt.)
Karl. Guten Morgen, Vater!
G?tz (kü?t ihn). Guten Morgen, Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?
Karl. Recht geschickt, Vater! Die Tante sagt: ich sei recht geschickt.
G?tz. So!
Karl. Hast du mir was mitgebracht?
G?tz. Diesmal nicht.
Karl. Ich hab viel gelernt.
G?tz. Ei!
Karl. Soll ich dir vom frommen Kind erz?hlen?
G?tz. Nach Tische.
Karl. Ich wei? noch was.
G?tz. Was wird das sein?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schlo? an der Jagst, geh?rt seit zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentümlich zu.
G?tz. Kennst du den Herrn von Berlichingen?
Karl (sieht ihn starr an).
G?tz (vor sich). Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater nicht.--Wem geh?rt Jagsthausen?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schlo? an der Jagst.
G?tz. Das frag ich nicht.--Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh ich wu?te, wie Flu?, Dorf und Burg hie?.--Die Mutter ist in der Küche?
Karl. Ja, Vater! Sie kocht wei?e Rüben und ein Lammsbraten.
G?tz. Wei?t du's auch, Hans Küchenmeister?
Karl. Und für mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.
G?tz. Kannst du sie nicht roh essen?
Karl. Schmeckt so besser.
G?tz. Du mu?t immer was Apartes haben.--Weislingen! ich bin gleich wieder bei Euch. Ich mu? meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.
Karl. Wer ist der Mann?
G?tz. Grü? ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.
Karl. Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald fertig.
Weislingen (hebt ihn in die H?h und kü?t ihn). Glückliches Kind! das kein übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott la? Euch viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen.
G?tz. Wo viel Licht ist, ist starker Schatten--doch w?r mir's willkommen. Wollen sehn, was es gibt.
(Sie gehn.)

I. Akt, Szene 3

Weislingen. O da? ich aufwachte! und das alles w?re ein Traum! In Berlichingens Gewalt! von dem ich mich kaum losgearbeitet habe, dessen Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu überw?ltigen! Und er--der alte treuherzige G?tz! Heiliger Gott, was will, will aus dem allen werden? Rückgeführt, Adelbert, in den Saal! wo wir als Buben unsere Jagd trieben--da du ihn liebtest, an ihm hingst wie an deiner Seele. Wer kann ihm nahen und ihn hassen? Ach! ich bin so ganz nichts hier! Glückselige Zeiten, ihr seid vorbei, da noch der alte Berlichingen hier am Kamin sa?, da wir um ihn durcheinander spielten und uns liebten wie die Engel. Wie wird sich der Bischof ?ngstigen, und meine Freunde. Ich wei?, das ganze Land nimmt teil an meinem Unfall. Was ist's! K?nnen sie mir geben, wornach ich strebe?
G?tz (mit einer Flasche Wein und Becher). Bis das Essen fertig wird, wollen wir eins trinken. Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu Hause w?rt! Denkt, Ihr seid einmal wieder beim G?tz. Haben doch lange nicht beisammengesessen, lang keine Flasche miteinander ausgestochen. (Bringt's ihm.) Ein fr?hlich Herz!
Weislingen. Die Zeiten sind vorbei.
G?tz. Behüte Gott! Zwar vergnügtere Tage werden wir wohl nicht wieder finden als an des Markgrafen Hof, da wir noch beisammenschliefen und miteinander umherzogen. Ich erinnere mich mit Freuden meiner Jugend. Wi?t Ihr noch, wie ich mit dem Polacken H?ndel kriegte, dem ich sein gepicht und gekr?uselt Haar von ungef?hr mit dem ?rmel verwischt?
Weislingen. Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem Messer.
G?tz. Den schlug ich wacker aus dazumal, und darüber wurdet Ihr mit seinem Kameraden zu Unfried. Wir hielten immer redlich zusammen als gute brave Jungen, dafür erkennte uns auch jedermann. (Schenkt ein und bringt's.) Kastor und Pollux! Mir tat's immer im Herzen wohl, wenn uns der Markgraf so nannte.
Weislingen. Der Bischof von Würzburg hatte es aufgebracht.
G?tz. Das war ein gelehrter Herr, und dabei so leutselig. Ich erinnere mich seiner, so lange ich lebe, wie er uns liebkoste, unsere Eintracht lobte und den Menschen glücklich pries, der ein Zwillingsbruder seines Freundes w?re.
Weislingen. Nichts mehr davon!
G?tz. Warum nicht? Nach der Arbeit wü?t ich nichts Angenehmers, als mich des Vergangenen zu erinnern. Freilich, wenn ich wieder so bedenke, wie wir Liebs und Leids
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