Gespräche für Freimaurer | Page 5

Gotthold Ephraim Lessing
durfte man darum keinen Rauchfang erfinden? Und der den Rauchfang erfand, war der darum ein Feind des Feuers?--Sieh, dahin wollte ich.
ERNST
Wohin?--Ich verstehe dich nicht.
FALK
Das Gleichnis war doch sehr passend.--Wenn die Menschen nicht anders in Staaten vereiniget werden konnten als durch jene Trennungen: werden sie darum gut, jene trennungen?
ERNST
Das wohl nicht.
FALK
Werden sie darum heilig, jene Trennungen?
ERNST
Wie heilig?
FALK
Dass er verboten sein sollte, Hand an sie zu legen?
ERNST
In Absicht?...
FALK
In Absicht, sie nicht gr?sser einreissen zu lassen, als die Notwendigkeit erfordert. In Absicht, ihre Folgen so unsch?dlich zu machen als m?glich.
ERNST
Wie k?nnte das verboten sein?
FALK
Aber geboten kann es doch auch nicht sein; durch bürgerliche Gesetze nicht geboten!--Denn bürgerliche Gesetze erstrecken sich nie über die grenzen ihres Staats. Und dieses würde nun gerade ausser den Grenzen aller und jeder Staaten liegen.--Folglich kann es nur ein Opus supererogatum sein: und es w?re bloss zu wünschen, dass sich die Weisesten und Besten eines jeden Staats diesem Operi superogato freiwillig unterz?gen.
ERNST
Bloss zu wünschen; aber recht sehr zu wünschen.
FALK
Ich d?chte! Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate M?nner geben m?chte, die über die Vorurteile des V?lkerschaft hinweg w?ren und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufh?ret.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate M?nner geben m?chte, die dem Vorurteile ihrer angebornen Religion nicht unterl?gen; nicht glaubten, dass alles notwendig gut und wahr sein müsse, was sie für gut und wahr erkennen.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate M?nner geben m?chte, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche?Geringfügigkeit nicht ekelt; in deren Gesellschaft der Hohe sich gern herabl?sst und der Geringe sich dreist erhebet.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Und wenn er erfüllt w?re, dieser Wunsch?
ERNST
Erfüllt?--Es wird freilich hier und da, dann und wann einen solchen Mann geben.
FALK
Nicht bloss hier und da; nicht bloss dann und wann.
ERNST
Zu gewissen Zeiten, in gewissen L?ndern auch mehrere.
FALK
Wie, wenn es dergleichen M?nner itzt überall g?be? zu allen Zeiten nun ferner geben müsste?
ERNST
Wollte Gott!
FALK
Und diese M?nner nicht in einer unwirksamen Zerstreuung lebten? nicht immer in einer unsichtbaren Kirche?
ERNST
Sch?ner Traum!
FALK
Dass ich es kurz mache.--Und diese M?nner die Freim?urer w?ren?
ERNST
Was sagst du?
FALK
Wie, wenn es die Freim?urer w?ren, die sich mit zu ihrem Gesch?fte gemacht h?tten, jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so fremd werden, so eng als m?glich wieder zusammenzuziehen?
ERNST
Die Freim?urer?
FALK
Ich sage: mit zu ihrem Gesch?fte.
ERNST
Die Freim?urer?
FALK
Ach! verzih!--Ich hatt' es schon wieder vergessen, dass du von den Freim?urern weiter nicht h?ren willst--Dort winkt man uns eben zum Frühstücke. Komm!
ERNST
Nicht doch!--Noch einen Augenblick!--Die Freim?urer, sagst du--
FALK
Das gespr?ch brachte mich wider Willen auf sie zurück. Verzeih!--Komm! Dort in der gr?ssern Gesellschaft werden wir bald Stoff zu einer tauglichern Unterredung finden. Komm!
DRITTES GESPR?CH
ERNST
Du bist mir den ganzen Tag im Gedr?nge der Gesellschaft ausgewichen. Aber ich verfolge dich in dein Schlafzimmer.
FALK
Hast du mir so etwas Wichtiges zu sagen? Der blossen Unterhaltung bin ich auf heute müde.
ERNST
Du spottest meiner Neugierde.
FALK
Deiner Neugierde?
ERNST
Die du diesen Morgen so meisterhaft zu erregen ,wusstest.
FALK
Wovon spachen wir diesen Morgen?
ERNST
Von den Freim?urern.
FALK
Nun?--Ich habe dir im Rausche des Pyrmonter doch nicht das Geheimnis verraten?
ERNST
Das man, wie du sagst, nicbt verraten kann.
FALK
Nun freilich; das beruhigt mich wieder.
ERNST
Aber du hast mir doch über die Freim?urer etwas gesagt, das mir unerwartet war; das mir auffiel; das mich denken rnachte.
FALK
Und was war das?
ERNST
0 qu?le mich nicht!--Du erinnerst dich dessen gewiss.
FALK
Ja, es f?llt mir nach und nach wieder ein.--Und das war es, was dich den ganzen langen Tag unter deinen Freunden und Freundinnen so abwesend machte?
ERNST
Das war es!--Und ich kann nicht einschlafen, wenn du mir wenigstens nicht noch eine Frage beantwortest.
FALK
Nach dem die Frage sein wird.
ERNST
Woher kannst du mir aber beweisen, wenigstens nur wahrscheinlich machen, dass die Freim?urer wirklich jene grosse und würdige Absichten haben?
FALK
Halbe ich dir von ihren Absichten gesprochen? lch wüsste nicht.-- Sondern da du dir gar keinen Begriff von den wahren Taten der Freim?urer machen konntest, habe ich dich bloss auf einen Punkt aufmerksam machen wollen, wo noch so vieles geschehen kann, wovon sich unsere staatsklugen K?pfe gar nichts tr?umen lassen.--Vielleicht, dasz die Freim?urer da herum arheiten. Vielleicht!--da herum!--Nur um dir dein Vorurteil zu benehmen, dass alle baubedürftigen Pl?tze schon ausgefunden und besetzt, alle n?tige Arbeiten schon unter die erforderlichen H?nde verteilet w?ren.
ERNST
Wende dich itzt, wie du willst--Genug, ich denke mir nun aus deinen Reden die Freimaurer als Leule, die es freiwillig über sich genommen haben, den unvermeidlich en Uebeln des Staats entgegenzuarbeiten.
FALK
Dieser Begriff kann den Freim?urern wenigstens keine Schande machen.-- Bleib dabei!--Nur fasse ihn recht. Menge nichts hinein, was nicht hineingeh?ret.--Den unvermeidlichen Uebeln des Staats!--Nicht dieses und jenes Staats. Nicht den unvermeidlichen Uebeln, welche, eine gewisse Staatsverfassung einmal angenommen, aus dieser angenommenen Staatsverfassung nun totwendig folgen. Mit diesen gibt sich der Freim?urer niemals ab; wenigstens nicht als Freim?urer. Die Linerung und Heilung dieser überl?sst er dem Bürger, der sich nach seiner Einsicht, nach seinem Mute, auf seine Gefahr damit befassen mag. Uebel ganz andrer Art, ganz h?herer Art sind der Gegenstand seiner
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