Gespräche für Freimaurer | Page 6

Gotthold Ephraim Lessing
Wirksamkeit.
ERNST
Ich habe das sehr wohl begriffen.--Night Uebel, welche den?missvergnügten Bürger machen, sondern Uebel, ohne welche auch der glücklichste Bürger nicht ein kann.
FALK
Recht! Diesen entgegen--wie sagtest du?--entgegenzuarbeiten?
ERNST
Ja!
FALK
Das Wort sagt ein wenig viel.--Entgegenarbeiten!--Um sie v?11ig zu heben?--Das kann nicht sein. Denn man würde den Staat selbst mit ihnen zugleich vernichten.--Sie müssen nicht einmal denen mit eins merklich gemacht werden, die noch gar keine Empfindung davon haben. H?chstens diese Empfindung in dem Menschen von weitem veranlassen, ihr Aufkeimen begülnstigen, ihre Pflanzen versetzen, beg?ten beblatten-- kann hier entgegenarbeiten heissen.--Begreifst du nun, warum ich sagte, ob die Freim?urer schon immer t?tig w?ren, dass Jahrhunderte dennoch vergehen k?nnten, ohne dass.slch sagen lasse: das haben sie getan.
ERNST
Und verstehe auch nun den zweiten Zug des R?tsels--Gute Taten, welche gute Taten entbehrlich machen sollen.
FALK
Wohl!--Nun geh und studiere jene Uebel und lerne sie alle kennen und w?ge all ihre Einflüsse gegeneinander ab, und sei versichert, dass dir dieses Studium Dinge aufschliessen wird, die in Tagen der Schwermut die niederschlagendsten, unaufl?slichsten Einwürfe wider Vorsehung und Tugend zu sein scheinen. Dieser Aufschluss, diese Erleuchtung wird dich ruhig und glücklich machen--auch ohne Freimàurer zu heissen
ERNST
Du legest auf dieses heissen so viel Nachdruck.
FALK
Weil man etwas sein kann, ohne es zu heissen
ERNST
Gut das! ich versteh'--Aber auf meine Frage wieder zu kommen, die ich nur ein wenig anders einkleiden muss. Da ich sie doch nun kenne, die Uebel, gegen welcbe die Freim?urerei angehet.
FALK
Du kennest sie?
ERNST
Hast du mir sie nicht selbst genannt?
FALK
Icb habe dir einige zut Probe namhaft gemacht. Nur einige von denen, die auch dem kurzsichtigsten Auge einleuchten; nur einige von den unstreitigsten, weitumfassendsten.--Aber wie viele sind nicht noch übrig, die, ob sie schon nicht so einleuchten, nicht so unstreitig sind, nicht so viel umfassen, dennoch nicht weniger gewiss, nicht weniger notwendig sind!
ERNST
So lass mich meine Frage denn bloss auf diejeniten Stücke einschr?nken, die du mir selbst namhaft gemacht hast.--Wie beweisest du mir auch nur von diesen Stücken, dass die Freim?urer wirklich ihr Ahsehen darauf haben?--Du schweigst?--Du sinnest nach?
FALK
Wahrlich nicht dem, was ich auf diese Frage zu antworten h?tte!--Aber ich weiss nicht, was ich mir für Ursachen denken so11, warum du mir diese Frage tust.
ERNST
Und du willst mir meine Frage beantworten, wenn ich dir die Ursachen derselben sage?
FALK
Das verspreche ich dir.
ERNST
Ich kenne und fürchte deinen Scharfsinn.
FALK
Meinen Scharfsinn?
ERNST
Ich fürchte, du verkaufst mir deine Spekulation für Tatsache.
FALK
Sehr verbunden!
ERNST
Be1eidiget dich das?
FALK
Vielmehr muss ich dir danken, dass du Scharfsinn nennest, was du ganz anders h?ttest benennen k?nnen.
ERNST
Gewiss nicht. Sondern ich weiss, wie leicht der Scharfsinnige sich selbst betriegt; wie leicht er andern Leuten Pl?ne und Absichten leihet und unterlegt, an die sie nie gedacht haben.
FALK
Aber woraus schliesst man auf der Leute Pl?ne und Absichten? Aus ihren einzeln Handlungen doch wohl?
ERNST
Woraus sonst?--Und hier bin ich wieder bei meiner Frage.--Aus welchen einzeln, unstreitigen Handlungen der Freimàurer ist abzunehmen, dass es auch nur mit ihr Zweck ist, jene von dir benannte Trennung, welche Staat und Staaten unter den Menschen notwendig machen müssen, durch sich und in sich wieder zu vereinigen?
FALK
Und zwar ohne Nachteil dieses Staats und dieser Staaten.
ERNST
Desto besser!--Es brauchen auch vielleicht nicht Handlungen zu sein, woraus jenes abzunehmen. Wenn es nur gewisse Eigentümlichkeiten, Besonderheiten sind, die dahin leiten oder daraus entspringen.--Von: dergleichen müsstest du sogar in deiner Spekulation ausgegangen sein; gesetzt, dass dein System nur Hypothese w?re.
FALK
Dein Misstrauen ?ussert sich noch.--Aber ich hoffe, es soll sich verlieren, wenn ich dir ein Grundgesetz der Freim?urer zu Gemüte führe.
ERNST
Und welches?
FALK
Aus welchem sie nie ein Geheimnis gemacht haben. Nach welchem sie immer vor den Augen der ganzen Welt gehandelt haben.
ERNST
Das ist?
FALK
Das ist, jeden würdigen Mann von geh?riger Anlage, ohne Unterschied des Vaterlandes, ohne Unterchied der Religion, ohne Unterschied seines bürgerlichen Standes in ihren Orden aufzunehmen.
ERNST
Wahrhaftig!
FALK
Freilich scheint dieses Grundgesetze dergleichen M?nner, die über jene Trennungen hinweg sind, vielmehr bereits vorauszusetzen als die Absicht zu haben, sie zu bilden. Allein das Nitrum muss ja wohl in der Luft sein, ehe es sich als Salpeter an den W?nden anlegt.
ERNST
O ja!
FALK
Und warum sollten die Freim?urer sich nicht hier einer gew?hnlichen List haben bedienen dürfen?--Dass man einen Teil seiner geheimen Absichten ganz offenbar treibt, um den Argwohn irrezuführen, der immer ganz etwas anders vermutet, als er sieht.
ERNST
Warum nicht?
FALK
Warum sollte der Künstler, der Silber machen kann, nicht mit altem Bruchsilber handeln, damit man so weniger argwohne, dass er es machen kann?
ERNST
Warum nicht?
FALK
Ernst!--H?rst du mich?--Du antwortest im Traume, glaub' ich.
ERNST
Nein, Freund! Aber ich habe genug; genug auf diese Nacht. Morgen mit dem frühsten kehre ich wieder nach der Stadt.
FALK
Schon? Und warum so bald?
ERNST
Du kennst mich, und fragst? Wie lange dauert deine Brunnenkur noch?
FALK
Ich habe sie vorgestern erst angefangen.
ERNST
So sehe ich dich vor dem Ende derselben noch wieder.--Lebe wohl! gute Nacht!
FALK
Gute Nacht! lebe wohl!
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Gespr?che für Freimaurer, von Gotthold Ephraim Lessing.
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