ist; was
sie von göttlichen unfehlbaren Mitteln unterscheidet.
ERNST
Was ist das?
FALK
Das sie nicht unfehlbar sind. Dass sie ihrer Absicht nicht allein öfters
nicht entsprechen, sondern auch wohl gerade das gegenteil davon
bewirken.
ERNST
Ein Beispiel! wenn dir eines einfällt
FALK
So sind Schiffahrt und Schiffe Mittel, in entlegene Länder zu kommen;
und werden Ursache, dass viele Menschen nimmermehr dahin
gelangen.
ERNST
Die nämlich Schiffbruch leiden und ersaufen. Nun glaube ich dich zu
verstehen.--Aber man weiss ja wohl, woher es kömmt, wenn so viel
einzelne Menschen durch die Staatsverfassung an ihrer Glückseligkeit
nichts gewinnen. Der Staatsverfassungen sind viele; eine ist also besser
als die andere; manche ist sehr fehlerhaft, mit ihrer Absicht ofenbar
streitend; und die beste soll vielleicht noch erfunden werden.
FALK
Das ungerechnet! Setze die beste Staatsverfassung, die sich nur denken
lässt, schon erfunden; setze, dass alle Menschen in der ganzen Welt
diese beste Staatsverfassung angenommen haben: meinst du nicht, dass
auch dann noch, slebst aus dieser besten Staatsverfassung, Dinge
entspringen müssen, welche der menschlichen Glückseligkeit höchst
nachteilig sind, und wovon der mensch in dem Stande der Natur
schlechterdings nichts gewusst hätte?
ERNST
Ich meine, wenn dergleichen Dinge aus der besten Staatsverfassung
entsprängen, dass es sodann die beste Staatsverfassung nicht wäre.
FALK
Und eine bessere möglich wäre?--Nun, so nehme ich diese bessere als
die beste an: und frage das nämliche.
ERNST
Du scheinest mir hier bloss von vorneherein aus dem angenommenen
Begriffe zu vernünfieln, dass jedes Mittel menschlicher Erfindung,
wofür du die Staatsverfassungen samt und sonders erklärest, nicht
anders als mangelhaht sein könne.
FALK
Nicht bloss.
ERNST
Und es würde dir schwer werden, eins von jenen nachteiligen Dingen
zu nennen.
FALK
Die auch aus der besten Staatsverfassung notwending entspringen
müssen?--O zehne für eines.
ERNST
Nur eines erst.
FALK
Wir nehmen also die beste Staatsverfassung für erfunden an; wir
nehmen an, dass alle Menschen in der Welt in dieser besten
Staatsverfassung leben: würden deswegen alle Menschen in der Welt
nur einen Staat ausmachen?
ERNST
Wohl schwerlich. Ein so ungeheurer Staat würde keiner Verwaltung
fähig sein. Er müsste sich also in mehrere kleine Staaten verteilen, die
alle nach den namlichen Gesetzen verwaltet würden.
FALK
Das ist: die Menschen würden auch dann noch Deutsche und Franzosen,
Holländer und Spanier, Russen und Schweden sein, oder wie sie sonst
heissen würden.
ERNST
Ganz gewiss!
FALK
Nun, da haben wir ja schon eines. Denn nicht wahr, jeder dieser
kleinern Staaten hätte sein eignes Interesse? und jedes Glied derselben
hätte das Interesse seines Staats?
ERNST
Wie anders?
FALK
Diese verschiedene Interesse würden öfters in Kolision kommen, so
wie itzt: und zwei Glieder aus zwei verschiedenen Staaten würden
einander ebensowenig mit unbefangenem Gemüt begegnen können, als
itzt ein Deutscher einem Franzose, ein Franzose einem Engländer
begegnet.
ERNST
Seht wahrscheinlich!
FALK
Das ist: wenn itzt ein Deutscher einem Franzosen, ein Franzose einem
Engländer oder umgekehrt begegnet, so begegnet nicht mehr ein
blosser Mensch einem blossen Menschen die vermöge ihrer gleichen
Natur gegeneinander angezogen werden, sondern ein solcher Mensch
begegnet einem solchen Menschen, die ihrer verschiednen Tendenz
sich bewusst sind, welches sie gegeneinander kalt, zurückhaltend,
misstrauisch macht, noch ehe sie führ ihre einzelne Person das
geringste miteinander zu schaffen und zu teilen haben.
ERNST
Das ist leider wahr.
FALK
Nun, so ist es denn auch wahr, dass das Mittel, welches die Menschen
vereiniget, um sie durch diese Vereinigung ihres Glückes zu versichern,
die Menschen zugleich trennet.
ERNST
Wenn du es so verstehest.
FALK
Tritt einen Schritt weiter. Viele von den kleinern Staaten würden ein
ganz verschiedenes Klima, folglich ganz verschiedene Bedürfnisse und
Befriedigungen, folglich ganz verschiedene Gewohnheiten und Sitten,
folglich ganz verschiedene Sittenlehren, folglich ganz verschiedene
Religionen haben. Meinst du nicht?
ERNST
Das ist ein gewaltiger Schritt!
FALK
Die Menschen würden auch dann noch Juden und Christen und Türken
und dergleichen sein.
ERNST
Ich getraue mir nicht nein zu sagen.
FALK
Würden sie das, so würden sie auch, sie möchten heissen, wie sie
wollten, sich untereinander nicht anders verhalten, als sich unsere
Christen und Juden und Türken von jeher untereinander verhalten
haben. Nicht als blosse Menschen gegen blosse Menschen, sondern als
solche Menschen gegen solche Menschen, die sich einen gewissen
geistigen Vorzug streitig machen und darauf Rechte gründen, die dem
natürlichen Menschen nimmermehr einfallen könnten.
ERNST
Das ist sehr traurig, aber leider doch sehr vermutlich.
FALK
Nur vermutlich?
ERNST
Denn allenfalls dächte ich doch, so wie du angenommen hast, das alle
Staaten einerlei Verfassung hätten, dass sie auch wohl eine einerlei
Religion haben könnten. Ja, ich begreife nicht, wie einerlei
Staatsverfassung ohne einerlei Religion auch nur möglich ist.
FALK
Ich ebensowenig.--Auch nahm ich jenes nur an, um deine Ausflucht
abzuschneiden. Eines ist zuverlässig ebenso unmöglich als das andere.
Ein Staat: mehrere Staaten. Mehrere Staaten: mehrere
Staatverfassungen. Mehrere Staatverfassungen: mehrere Religionen.
ERNST
Ja, ja, so scheint es.
FALK
So ist es.--Nun sieh da das zweite Unheil, welches die bürgerliche
Gesellschaft, ganz ihrer Absicht
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.