nur
noch: die wahren Taten der Freimäurer zielen dahin, um grösstenteils
alles, was man gemeinlich gute Taten zu nennen pflegt, entbehrlich zu
machen.
ERNST
Und sind doch auch gute Taten?
FALK
Es kann keine bessere geben.--Denke einen Augenblick darüber nach.
Ich bin gleich wieder bei dir.
ERNST
Gute Taten, welche darauf zielen, gute taten entbehrlich zu machen?--
Das ist ein Rätsel. Und über ein Rätsel denke ich nicht nach.--Lieber
lege ich mich indes unter den Baum und sehe den Ameisen zu.
ZWEITES GESPRÄCH
ERNST
Er lockte mich von Strauch bis an den Bach.--Auf einmal war er
herüber.
ERNST
Ja, ja. Es gibt solche Locker!
FALK
Hast du nachgedacht?
ERNST
Ueber was? Ueber deine Rätsel?--Ich werde ihn auch nicht fangen, den
schönen Schmetterling! Darum soll er mir aber auch weiter keine Mühe
machen.--Einmal von der Freimäurern mit dir gesprochen und nie
wieder. Denn ich sehe ja wohl; du bist wie sie alle.
FALK
Wie sie alle? Das sagen diese alle nicht.
ERNST
Nicht? So gibt es ja wohl auch Ketzer unter den Freimäurern? Und du
wärest einer.--Doch alle Ketzer haben mit den Rechtgläubingen immer
noch etwas gemein. Und davon sprach ich.
FALK
Wovon sprachst du?
ERNST
Rechtgläubinge oder ketzerische Freimäurer--sie alle spielen mit
Worten und lassen sich fragen und antworten, ohne zu antworten.
FALK
Meinst du?--Nun wohl, so lass uns von etwas andern reden. Denn
einmal hast du mich aus dem behaglichen Zustande des stummen
Staunens gerissen.
ERNST
Nichts ist leichter, als dich in diesen Zustand wieder zu versetzen.--
Lass dich nur hier bei mir nieder und sieh!
FALK
Was denn?
ERNST
Das Leben und Weben auf und in und um diesen Ameisenhaufen.
Welche Geschäftigkeit und doch welche Ordnung! Alles trägt und
schleppt und schiebt; und keines ist dem andern hinderlich. Sieh nur?
Sie helfen einander sogar.
FALK
Die Ameisen leben in Gesellschaft wie die Bienen.
ERNST
Und in einer noch wunderbarern Gesellschaft als die die Bienen. Denn
sie haben niemand unter sich, der sie zusammenhält und regieret.
FALK
Ordnung muss also doch auch ohne Regierung bestehen können.
ERNST
Wenn jedes einzelne sich selbst zu regieren weiss: warum nicht?
FALK
Ob es wohl auch einmal mit den Menschen dahin kommen wird?
ERNST
Wohl schwerlich!
FALK
Schade!
ERNST
Jawohl!
FALK
Steh auf und lass uns gehen. Denn sie werden dich bekriechen, die
Ameisen; und eben fällt auch mir etwas bei, was ich bei dieser
Gelegenheit dich doch fragen muss.--Iche kenne deine Gesinnungen
darüber noch gar nicht.
ERNST
Worüber?
FALK
Ueber die bürgerliche Gesellschaft des Menschen überhaupt.--Wofür
hälst du sie?
ERNST
Für etwas sehr Gutes.
FALK
Ohnestreitig.--Aber hälst du sie für Zweck oder Mittel?
ERNST
Ich verstehe dich nicht.
FALK
Glaubst du, dass die Menschen für die Staaten erschaffen werden? Oder
dass die Staaten für die Menschen sind?
ERNST
Jenes scheinen einige behaupten zu wollen. Dieses aber mag wohl das
Wahrere sein.
FALK
So denke ich auch.--Die Staaten vereinigen die Menschen, damit durch
diese und in dieser Vereinigung jeder einzelme Mensch seinen Teil von
Glückseligkeit desto besser und sichrer geniessen könne.--Das Totale
der einzeln Glückseligkeiten aller Glieder ist die Glückseligkeit des
Staats, bei welcher auch noch so wenig einzelme Glieder leiden und
leiden müssen, ist Bemäntelung der Tyrannei. Anders nichts!
ERNST
Ich möchte das nicht so laut sagen.
FALK
Warum nicht?
ERNST
Eine Wahrheit, die jeder nach seiner eignen Lage beurteilet, kann leicht
gemissbraucht werden.
FALK
Weisst du, Freund, dass du schon ein halber Freimäurer bist?
ERNST
Ich?
FALK
Du. Denn du erkennst ja schon Wahrheiten, die man besser
verschweigt.
ERNST
Aber doch sagen könnte.
FALK
Der Weise kann nicht sagen, was er besser verschweigt.
ERNST
Nun, wie du wilst!--Lass uns auf die Freimäurer nicht wieder
zurückkommen. Ich mag ja von ihnen weiter nichts wissen.
FALK
Verzeih!--Du siehst wenigstens meine Bereitwilligkeit, dir mehr von
ihnen zu sagen.
ERNST
Du spottest!--Gut! das bürgerliche Leben des Menschen, alle
Staatsverfassungen sind nichts als Mittel zur menschlichen
Glückseligkeit. Was weiter?
FALK
Nichts als Mittel! Und Mittel menschlicher Erfindung; ob ich gleich
nicht leugnen will, dass die Natur alles so eingerichtet, dass der
Mensch, sehr bald auf diese Erfindung geraten müssen.
ERNST
Nun? wo bleibst du denn? Und hast den Schmeterling doch nicht?
FALK
Dieses hat denn auch gemacht, dass einige die bürgerliche Gesellschaft
für Zweck der Natur gehalten. Weil alles, unsere Leidenschaften und
unsere Bedürfnisse, alles darauf führe, sei sie folglich das letzte, worauf
die Natur gehe. So schlossen sie. Als ob die Natur nicht auch die Mittel
zweckmässig hervorbringen müssen! Als ob die Natur mehr die
Glückseligkeit eines abgezogenen Begriffs--wie Staat,, Vaterland und
dergleichen sind--als die Glückseligkeit jedes wirklichen einzeln
Wesens zur Absicht gehabt hätte!
FALK
Sehr gut! Du kömmst mir auf dem rechten Wege entgegen. Denn nun
sage mir; wenn die Staatsverfassungen Mittel, Mittel menschlicher
Erfindungen sind; sollten sie allein von dem Schicksale menschlicher
Mittel ausgenommen sein?
ERNST
Was nennst du Schicksale menschlicher Mittel?
FALK
Das, was unzertrennlich mit menschlichen Mitteln verbunden
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