entgegen, verursacht. Sie kann die
Menschen nicht vereinigen, ohne sie zu trennen; nicht trennen, ohne
Klüfte zwischen ihnen zu befestigen, ohne Scheidemauern durch sie
hinzuziehen.
ERNST
Und wie schrecklich diese Klüfte sind! wie unübersteiglich oft diese
Scheidemauern!
FALK
Lass mich noch das dritte hinzufügen. Nicht genug, dass die
bürgerliche Gesellschaft die Menschen in verschiedene Völker und
Religionen teilet und trennet.--Diese Trennung in wenige grosse Teile,
deren jeder für sich ein Ganzes wäre, wäre doch immer noch besser als
gar kein Ganzes. Nein, die bürgerliche Gesellschaft setzt ihre Trennung
auch in jedem dieser Teile gleichsam bis ins Unendliche fort.
ERNST
Wieso?
FALK
Oder meinest du, dass ein Staat sich ohne Verscheidenheit von Ständen
denken lässt? Er sei gut oder schlecht, der Vollkommenheit mehr oder
weiniger nahe: unmöglich können alle Glieder desselben unter sich das
nämliche Verhältnis haben.--Wenn sie auch alle an der Gestzgebung
Anteil haben, so können sie doch nict gleichen Anteil haben,
wenigstens nicht gleich unmittelbaren Anteil. Es wird also vornehmere
und geringere Glieder geben.--Wenn anfangs auch alle Besitzungen des
Staats unter sie gleich verteilet worden, so kann diese gleiche
Verteilung doch keine zwei Menschenalter bestehen. Einer wird sein
Eigentum besser zu nutzen wissen als der andere. Einer wird sein
schlechter genutztes Eigentum gleichwohl unter mehrere Nachkommen
zu verteilen haben als der andere. Es wird also reichere und ärmere
Glieder geben.
ERNST
Das versteht sich.
FALK
Nun überlege, wieviel Uebel es in der Welt wohl gibt, das in dieser
Verschiedenheit der Stände seinen Grund nicht hat.
ERNST
Wenn ich dir doch widersprechen könnte!--Aber was hatte ich für
Ursache, dir überhaupt zu widersprechen?--Nun ja, die Menschen sind
nur durch Trennung zu vereinigen! nur durch unaufhörliche Trennung
in Vereinigung zu erhalten! Das ist nun einmal so. Das kann nun nicht
anders sein.
FALK
Das sage ich eben!
ERNST
Also, was willst du damit? Mir das bürgerliche Leben dadurch
verleiden? Mich wünschen machen, dass den Menschen der Gedanke,
sich in Staaten zu vereinigen, nie möge gekommen sein?
FALK
Verkennst du mich so weit?--Wenn die bürgerliche Gesellschaft auch
nur das Gute hätte, dass allein in ihr die menschliche Vernunft
angebauet werden kann: ich würde sie auch bei weit grössern Uebeln
noch segnen.
ERNST
Wer des Feuers geniessen will, sagt das Sprichwort, muss sich den
Rauch gefallen lassen.
FALK
Allerdings!--Aber weil der Rauch bei dem Feuer unvermeidlich ist:
durfte man darum keinen Rauchfang erfinden? Und der den Rauchfang
erfand, war der darum ein Feind des Feuers?--Sieh, dahin wollte ich.
ERNST
Wohin?--Ich verstehe dich nicht.
FALK
Das Gleichnis war doch sehr passend.--Wenn die Menschen nicht
anders in Staaten vereiniget werden konnten als durch jene Trennungen:
werden sie darum gut, jene trennungen?
ERNST
Das wohl nicht.
FALK
Werden sie darum heilig, jene Trennungen?
ERNST
Wie heilig?
FALK
Dass er verboten sein sollte, Hand an sie zu legen?
ERNST
In Absicht?...
FALK
In Absicht, sie nicht grösser einreissen zu lassen, als die Notwendigkeit
erfordert. In Absicht, ihre Folgen so unschädlich zu machen als
möglich.
ERNST
Wie könnte das verboten sein?
FALK
Aber geboten kann es doch auch nicht sein; durch bürgerliche Gesetze
nicht geboten!--Denn bürgerliche Gesetze erstrecken sich nie über die
grenzen ihres Staats. Und dieses würde nun gerade ausser den Grenzen
aller und jeder Staaten liegen.--Folglich kann es nur ein Opus
supererogatum sein: und es wäre bloss zu wünschen, dass sich die
Weisesten und Besten eines jeden Staats diesem Operi superogato
freiwillig unterzögen.
ERNST
Bloss zu wünschen; aber recht sehr zu wünschen.
FALK
Ich dächte! Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer
geben möchte, die über die Vorurteile des Völkerschaft hinweg wären
und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhöret.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte,
die dem Vorurteile ihrer angebornen Religion nicht unterlägen; nicht
glaubten, dass alles notwendig gut und wahr sein müsse, was sie für gut
und wahr erkennen.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte,
welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche
Geringfügigkeit nicht ekelt; in deren Gesellschaft der Hohe sich gern
herablässt und der Geringe sich dreist erhebet.
ERNST
Recht sehr zu wünschen!
FALK
Und wenn er erfüllt wäre, dieser Wunsch?
ERNST
Erfüllt?--Es wird freilich hier und da, dann und wann einen solchen
Mann geben.
FALK
Nicht bloss hier und da; nicht bloss dann und wann.
ERNST
Zu gewissen Zeiten, in gewissen Ländern auch mehrere.
FALK
Wie, wenn es dergleichen Männer itzt überall gäbe? zu allen Zeiten nun
ferner geben müsste?
ERNST
Wollte Gott!
FALK
Und diese Männer nicht in einer unwirksamen Zerstreuung lebten?
nicht immer in einer unsichtbaren Kirche?
ERNST
Schöner Traum!
FALK
Dass ich es kurz mache.--Und diese Männer die Freimäurer wären?
ERNST
Was sagst du?
FALK
Wie, wenn es die Freimäurer wären, die sich mit zu ihrem Geschäfte
gemacht hätten, jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so
fremd werden, so
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