Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl | Page 7

Clemens Brentano
nicht ganz verwerfen, aber ich sagte ihm doch immer zuletzt: "Gib Gott allein die Ehre!" Ich gab ihm noch den Segen, denn sein Urlaub war am andern Tage aus, und er wollte noch eine Meile umreiten nach dem Orte, wo ein Patchen von mir auf dem Edelhof diente, auf die er gar viel hielt; er wollte einmal mit ihr hausen.--Sie werden auch wohl bald zusammenkommen, wenn Gott mein Gebet erh?rt. Er hat seinen Abschied schon genommen, mein Patchen wird ihn heut erhalten, und die Aussteuer hab ich auch schon beisammen, es soll auf der Hochzeit weiter niemand sein als ich." Da ward die Alte wieder still und schien zu beten. Ich war in allerlei Gedanken über die Ehre, und ob ein Christ den Tod des Unteroffiziers sch?n finden dürfe. Ich wollte, es sagte mir einmal einer etwas Hinreichendes darüber.
Als der W?chter ein Uhr anrief, sagte die Alte: "Nun habe ich noch zwei Stunden. Ei, ist Er noch da, warum geht Er nicht schlafen? Er wird morgen nicht arbeiten k?nnen und mit seinem Meister H?ndel kriegen; von welchem Handwerk ist Er denn, mein guter Mensch?"
Da wu?te ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich machen sollte, da? ich ein Schriftsteller sei. "Ich bin ein Gestudierter", durfte ich nicht sagen, ohne zu lügen. Es ist wunderbar, da? ein Deutscher immer sich ein wenig sch?mt, zu sagen, er sei ein Schriftsteller; zu Leuten aus den untern St?nden sagt man es am ungernsten, weil diesen gar leicht die Schriftgelehrten und Pharis?er aus der Bibel dabei einfallen. Der Name Schriftsteller ist nicht so eingebürgert bei uns, wie das homme de lettres bei den Franzosen, welche überhaupt als Schriftsteller zünftig sind und in ihren Arbeiten mehr hergebrachtes Gesetz haben, ja, bei denen man auch fragt: "Où avez-vous fait votre philosophie? Wo haben Sie Ihre Philosophie gemacht?", wie denn ein Franzose selbst viel mehr von einem gemachten Manne hat. Doch diese nicht deutsche Sitte ist es nicht allein, welche das Wort Schriftsteller so schwer auf der Zunge macht, wenn man am Tore um seinen Charakter gefragt wird, sondern eine gewisse innere Scham h?lt uns zurück, ein Gefühl, welches jeden bef?llt, der mit freien und geistigen Gütern, mit unmittelbaren Geschenken des Himmels Handel treibt. Gelehrte brauchen sich weniger zu sch?men als Dichter; denn sie haben gew?hnlich Lehrgeld gegeben, sind meist in ?mtern des Staats, spalten an groben Kl?tzen oder arbeiten in Schachten, wo viel wilde Wasser auszupumpen sind. Aber ein sogenannter Dichter ist am übelsten daran, weil er meistens aus dem Schulgarten nach dem Parna? entlaufen, und es ist auch wirklich ein verd?chtiges Ding um einen Dichter von Profession, der es nicht nur nebenher ist. Man kann sehr leicht zu ihm sagen: "Mein Herr, ein jeder Mensch hat, wie Hirn, Herz, Magen, Milz, Leber und dergleichen, auch eine Poesie im Leibe; wer aber eines dieser Glieder überfüttert, verfüttert oder m?stet und es über alle andre hinüber treibt, ja es gar zum Erwerbszweig macht, der mu? sich sch?men vor seinem ganzen übrigen Menschen. Einer, der von der Poesie lebt, hat das Gleichgewicht verloren, und eine übergro?e G?nseleber, sie mag noch so gut schmecken, setzt doch immer eine kranke Gans voraus." Alle Menschen, welche ihr Brot nicht im Schwei? ihres Angesichts verdienen, müssen sich einigerma?en sch?men, und das fühlt einer, der noch nicht ganz in der Tinte war, wenn er sagen soll, er sei ein Schriftsteller. So dachte ich allerlei und besann mich, was ich der Alten sagen sollte, welche, über mein Z?gern verwundert, mich anschaute und sprach:
"Welch ein Handwerk Er treibt, frage ich; warum will Er mirs nicht sagen? Treibt Er kein ehrlich Handwerk, so greif Ers noch an, es hat einen goldnen Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will? Meinethalben sei Er, wer Er will, sag Ers, wer Er ist? Wenn Er bei Tage so hier s??e, würde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die H?user lehnt, damit er nicht umf?llt vor Faulheit."
Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Brücke zu ihrem Verst?ndnis schlagen k?nnte: "Liebe Mutter", sagte ich, "ich bin ein Schreiber."--"Nun", sagte sie, "das h?tte Er gleich sagen sollen. Er ist also ein Mann von der Feder; dazu geh?ren feine K?pfe und schnelle Finger und ein gutes Herz, sonst wird einem drauf geklopft. Ein Schreiber ist Er? Kann Er mir dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die aber gewi? erh?rt wird und nicht bei den vielen andern liegen bleibt?"
"Eine Bittschrift, liebe Mutter", sprach ich, "kann ich Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle Mühe geben, da? sie recht eindringlich abgefa?t sein soll."
"Nun, das ist brav von Ihm", erwiderte sie, "Gott lohn es Ihm und lasse Ihn ?lter werden als mich und gebe Ihm auch in Seinem Alter einen so geruhigen Mut und eine so sch?ne Nacht
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