herum? Das ist jungen Gesellen gar nichts nütze; denn der Feind geht um und suchet, wo er sich einen erfange. Es ist mancher durch solch Nachtlaufen verdorben. Wen sucht Er? Den Herrn? Der ist in des Menschen Herz, so er züchtiglich lebt, und nicht auf der Gasse. Sucht Er aber den Feind, so hat Er ihn schon; gehe Er hübsch nach Haus und bete Er, da? Er ihn loswerde. Gute Nacht!"
Nach diesen Worten wendete sie sich ganz ruhig nach der andern Seite und steckte den Taler in ihren Reisesack. Alles, was die Alte tat, machte einen eigentümlichen ernsten Eindruck auf mich, und ich sprach zu ihr: "Liebe Mutter, Ihr habt wohl recht, aber Ihr selbst seid es, was mich hier h?lt; ich h?rte Euch beten und wollte Euch ansprechen, meiner dabei zu gedenken."
"Das ist schon geschehen", sagte sie; "als ich Ihn so durch den Lindengang wandeln sah, bat ich Gott, er m?ge Euch gute Gedanken geben. Nun habe Er sie, und gehe Er fein schlafen!"
Ich aber setzte mich zu ihr nieder auf die Treppe und ergriff ihre dürre Hand und sagte: "Lasset mich hier bei Euch sitzen die Nacht hindurch, und erz?hlet mir, woher Ihr seid, und was Ihr hier in der Stadt sucht; Ihr habt hier keine Hülfe, in Eurem Alter ist man Gott n?her als den Menschen; die Welt hat sich ver?ndert, seit Ihr jung wart."
"Da? ich nicht wü?te", erwiderte die Alte, "ich habs mein Lebetag ganz einerlei gefunden; Er ist noch zu jung, da verwundert man sich über alles; mir ist alles schon so oft wieder vorgekommen, da? ich es nur noch mit Freuden ansehe, weil es Gott so treulich damit meinet. Aber man soll keinen guten Willen von sich weisen, wenn er einem auch grade nicht not tut, sonst m?chte der liebe Freund ausbleiben, wenn er ein andermal gar willkommen w?re; bleibe Er drum immer sitzen, und sehe Er, was Er mir helfen kann. Ich will Ihm erz?hlen, was mich in die Stadt den weiten Weg treibt. Ich h?tt es nicht gedacht, wieder hierher zu kommen. Es sind siebenzig Jahre, da? ich hier in dem Hause als Magd gedient habe, auf dessen Schwelle ich sitze, seitdem war ich nicht mehr in der Stadt; was die Zeit herumgeht! Es ist, als wenn man eine Hand umwendet. Wie oft habe ich hier am Abend gesessen vor siebzig Jahren und habe auf meinen Schatz gewartet, der bei der Garde stand! Hier haben wir uns auch versprochen. Wenn er hier--aber still, da k?mmt die Runde vorbei."
Da hob sie an, mit gem??igter Stimme, wie etwa junge M?gde und Diener in sch?nen Mondn?chten, vor der Tür zu singen, und ich h?rte mit innigem Vergnügen folgendes sch?ne alte Lied von ihr:
Wann der jüngste Tag wird werden, Dann fallen die Sternelein auf die Erden. Ihr Toten, ihr Toten sollt auferstehn, Ihr sollt vor das Jüngste Gerichte gehn; Ihr sollt treten auf die Spitzen, Da die lieben Engelein sitzen. Da kam der liebe Gott gezogen Mit einem sch?nen Regenbogen. Da kamen die falschen Juden gegangen, Die führten einst unsern Herrn Christum gefangen. Die hohen B?um erleuchten sehr, Die harten Stein zerknirschten sehr. Wer dies Gebetlein beten kann, Der bets des Tages nur einmal, Die Seele wird vor Gott bestehn, Wann wir werden zum Himmel eingehn! Amen.
Als die Runde uns n?her kam, wurde die gute Alte gerührt. "Ach", sagte sie, "es ist heute der sechszehnte Mai, es ist doch alles einerlei, grade wie damals, nur haben sie andere Mützen auf und keine Z?pfe mehr. Tut nichts, wenns Herz nur gut ist!" Der Offizier der Runde blieb bei uns stehen und wollte eben fragen, was wir hier so sp?t zu schaffen h?tten, als ich den F?hnrich Graf Grossinger, einen Bekannten, in ihm erkannte. Ich sagte ihm kurz den ganzen Handel, und er sagte, mit einer Art von Erschütterung: "Hier haben Sie einen Taler für die Alte und eine Rose"--die er in der Hand trug--; "so alte Bauersleute haben Freude an Blumen. Bitten Sie die Alte, Ihnen morgen das Lied in die Feder zu sagen, und bringen Sie mir es. Ich habe lange nach dem Lied getrachtet, aber es nie ganz habhaft werden k?nnen." Hiermit schieden wir, denn der Posten der nah gelegenen Hauptwache, bis zu welcher ich ihn über den Platz begleitet hatte, rief: "Wer da?" Er sagte mir noch, da? er die Wache am Schlosse habe, ich solle ihn dort besuchen. Ich ging zu der Alten zurück und gab ihr die Rose und den Taler.
Die Rose ergriff sie mit einer rührenden Heftigkeit und befestigte sie sich auf ihren Hut, indem sie mit einer etwas feineren Stimme und fast weinend die Worte sprach:
Rosen die Blumen auf meinem Hut, H?tt ich viel Geld, das w?re gut, Rosen und mein Liebchen.
Ich sagte zu ihr: "Ei, Mütterchen, Ihr seid ja ganz munter geworden", und sie erwiderte:
Munter, munter Immer bunter, Immer
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