Geschichte des Agathon, Teil 2 | Page 5

Christoph Martin Wieland
Exempel, kannten den Hippias gut genug, um ��berzeugt zu sein, da? er sich, sobald sein Interesse dem Vorteil ihrer Liebe entgegenst��nde, nicht einen Augenblick bedenken w��rde, die Pflichten der Freundschaft seinem Eigennutzen aufzuopfern. Denn was sind Pflichten f��r einen Hippias? Hingegen konnten sie nicht begreifen, was f��r einen Vorteil er darunter haben k?nnte, ihre Herzen zu trennen; und dieses machte sie sicher. In der Tat hatte er keinen; auch hatte er eigentlich die Absicht nicht sie zu trennen. Aber er hatte ein Interesse, ihnen einen Streich zu spielen, welcher, dem Charakter des Agathon nach, notwendig diese W��rkung tun mu?te. Und das war es, woran sie nicht dachten.
Wir haben im vierten Buche dieser Geschichte die Absichten entdeckt, welche den Sophisten bewogen hatten, unsern Helden mit der sch?nen Danae bekannt zu machen. Der Entwurf war wohl ausgesonnen, und h?tte, nach den Voraussetzungen, die dabei zum Grunde lagen, ohnm?glich mi?lingen k?nnen, wenn man auf irgend eine Voraussetzung Rechnung machen d��rfte, so bald sich die Liebe ins Spiel mischt. Dieses mal war es ihm gegangen, wie es gemeiniglich den Projektmachern geht; er hatte an alles gedacht, nur nicht an den einzigen Fall, der ihm seine Absichten vereitelte. Wie h?tte er auch glauben k?nnen, da? eine Danae f?hig sein sollte, ihr Herz an einen Platonischen Liebhaber zu verlieren? Ein gleichg��ltiger Philosoph w��rde dar��ber betroffen gewesen sein, ohne b?se zu werden; aber es gibt sehr wenig gleichg��ltige Philosophen. Hippias fand sich in seinen Erwartungen betrogen; seine Erwartungen gr��ndeten sich auf Schl��sse; seine Schl��sse auf seine Grunds?tze, und auf diese das ganze System seiner Ideen, welches (wie man wei?) bei einem Philosophen wenigstens die H?lfte seines geliebten Selbsts ausmacht. Wie h?tte er nicht b?se werden sollen? Seine Eitelkeit f��hlte sich beleidiget. Agathon und Danae hatten die Gelegenheit dazu gegeben. Er wu?te zwar wohl, da? sie keine Absicht ihn zu beleidigen dabei gehabt haben konnten; allein darum bek��mmert sich kein Hippias. Genug, da? sein Unwille gegr��ndet war; da? er einen Gegenstand haben mu?te; und da? ihm nicht zu zumuten war, sich ��ber sich selbst zu erz��rnen. Leute von seiner Art w��rden eher die halbe Welt untergehen sehen, eh sie sich nur gestehen w��rden, da? sie gefehlt h?tten. Es war also nat��rlich, da? er darauf bedacht war, sich durch das Vergn��gen der Rache f��r den Abgang desjenigen zu entsch?digen, welches er sich von der vermeinten und verhofften Bekehrung unsers Helden versprochen hatte.
Agathon liebte die sch?ne Danae, weil sie, selbst nachdem der ?u?erste Grad der Bezauberung aufgeh?rt hatte, in seinen Augen noch immer das vollkommenste Gesch?pfe war, das er kannte. Was f��r ein Geist! was f��r ein Herz! was f��r seltene Talente! welche Anmut in ihrem Umgang! was f��r eine Manchfaltigkeit von Vorz��gen und Reizungen! wie hochachtungswert mu?te sie das alles ihm machen! wie vorteilhaft war ihr die Erinnerung an jeden Augenblick, von dem ersten an, da er sie gesehen, bis zu demjenigen, da sie von sympathetischer Liebe ��berw?ltiget die seinige gl��cklich gemacht hatte! Kurz alles was er von ihr wu?te, war zu ihrem Vorteil, und von allem was seine Hochsch?tzung h?tte schw?chen k?nnen, wu?te er nichts.
Man kann sich leicht vorstellen, da? sie so unvorsichtig nicht gewesen sein werde, sich selbst zu verraten. Es ist wahr, sie hatte sich nicht entbrechen k?nnen, die vertraute Erz?hlung, welche er ihr von seinem Lebens-Lauf gemacht, mit Erz?hlung des ihrigen zu erwidern; aber wir zweifeln sehr, da? sie sich zu einer eben so gewissenhaften Vertraulichkeit verbunden gehalten habe. Und woher wissen wir auch, da? Agathon selbst, mit aller seiner Offenherzigkeit, keinen Umstand zur��ck gehalten habe, von dem er vielleicht, wie ein guter Maler oder Dichter, vorausgesehen, da? er der sch?nen W��rkung des Ganzen hinderlich sein k?nnte. Wer ist uns B��rge daf��r, da? die verf��hrische Priesterin nicht mehr ��ber ihn erhalten habe, als er eingestanden? Wenigstens hat einigen von unsern Lesern, (welche vielleicht vergessen haben, da? sie keine Agathons sind) die tiefe Gleichg��ltigkeit etwas verd?chtig geschienen, worin ihn, bei einer gewissen Gelegenheit, Reizungen, die, ihrer Meinung nach, in seiner blo?en Beschreibung schon verf��hren k?nnten, gelassen haben sollen. In der Tat; man mag so sch��chtern oder so Platonisch sein als man will; eine sch?ne Frau, welche sich vorgenommen hat, die Macht ihrer Reizungen an uns zu pr��fen, selbst von dem Gott der Liebe begeistert, und was noch schlimmer ist, eine Priesterin--in einer so belaurenden Stellung, mit so schwarzen Augen, mit einem so sch?nen Busen--ist ganz unstreitig ein gef?hrlicher Anblick f��r einen jeden, der (wie Phryne sagt) keine Statue ist: Und die Poesie m��?te die magischen Kr?fte nicht haben, welche ihr von jeher zugeschrieben worden sind, wenn in einer solchen Situation das Lesen einer Szene, wie die Verf��hrung Jupiters durch den G��rtel der Venus in der Iliade ist, den nat��rlichen W��rkungen eines damit so ��bereinstimmenden Gegenstands, nicht eine verdoppelte St?rke h?tte geben sollen. Allein dem sei nun wie ihm wolle, so ist gewi?, da? Danae, in der
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