Geschichte des Agathon, Teil 1 | Page 8

Christoph Martin Wieland
einen so feurigen Schwung, da?, da sie die Gestalt dieses Gottes vor sich sahen, sie alles ��brige hinzudichtete, was ihm zu einem vollst?ndigen Dionysus mangelte. Ihre bezauberten Augen stellten ihnen die Silenen und die Ziegenf��?igen Faunen vor, die um ihn her schw?rmten, und Tyger und Leoparden die mit liebkosender Zunge seine F��?e leckten; Blumen, so deucht es sie, entsprangen unter seinen Fu?sohlen, und Quellen von Wein und Honig sprudelten von jedem seiner Tritte auf, und rannen in sch?umenden B?chen die Felsen hinab. Auf einmal erschallte der ganze Berg, der Wald und die benachbarten Felsen von ihrem lauten "Evan, Evan!" mit einem so entsetzlichen Get?se der Trummeln und Klapperbleche, da? Agathon, bei dem das, was er in diesem Augenblick sah und h?rte, alles ��berstieg, was er jemals gesehen, geh?rt, gedichtet oder getr?umt hatte, von Entsetzen und Erstaunung gefesselt, wie eine Bilds?ule stehen blieb, indes, da? die entz��ckten Bacchantinnen gaukelnde T?nze um ihn her machten, und durch tausend unsinnige Geb?rden ihre Freude ��ber die vermeinte Gegenwart ihres Gottes ausdr��ckten.
Allein die unm??igste Schw?rmerei hat ihre Grenzen, und weicht endlich der Obermacht der Sinnen. Zum Ungl��ck f��r den Helden unsrer Geschichte kamen diese Unsinnigen allm?hlich aus einer Entz��ckung zur��ck, wor��ber sich vermutlich ihre Einbildungskraft g?nzlich abgemattet hatte, und bemerkten immer mehr menschliches an demjenigen, den seine ungew?hnliche Sch?nheit in ihren trunknen Augen verg?ttert hatte. Etliche, die das Bewu?tsein ihrer eignen stolz genug machte, die Ariadnen dieses neuen Bacchus zu sein, n?herten sich ihm, und setzten ihn durch die Art womit sie ihre Empfindungen ausdr��ckten in eine desto gr??ere Verlegenheit, je weniger er geneigt war, ihre ungest��men Liebkosungen zu erwidern. Dem Ansehn nach w��rde unter ihnen selbst ein grimmiger Streit entstanden sein, und Agathon zuletzt das tragische Schicksal des Orpheus, der ehmals aus ?hnlichen Ursachen von den thracischen M?naden zerrissen worden war, erfahren haben, wenn nicht die Unsterblichen, die das Gewebe der menschlichen Zuf?lle leiten, in eben dem Augenblick ein Mittel seiner Errettung herbeigebracht h?tten, da weder seine St?rke, noch seine Tugend ihn zu retten hinl?nglich war.

DRITTES KAPITEL
Unvermutete Unterbrechung des Bacchus-Festes
Eine Schar Cilicischer Seer?uber, welche frisches Wasser einzunehmen bei n?chtlicher Weile an dieser K��ste gel?ndet, hatten von fern das Get��mmel der Bacchantinnen geh?rt, und sogleich f��r einen Aufruf zu einer ansehnlichen Beute aufgenommen. Sie erinnerten sich, da? die vornehmsten Frauen dieser Gegend die geheimnisvollen Orgya um diese Zeit zu begehen pflegten; und da? sie, wenn sie sich zu solchem Ende versammelten, in ihrem sch?nsten Putz aufzuziehen pflegten, ob sie gleich vor Besteigung des Berges sich dessen wieder entledigten, und alles bis zu ihrer Wiederkunft von einer Anzahl Sklavinnen bewachen lie?en. Die Hoffnung, au?er diesen Weibern, von denen sie die sch?nsten f��r die Asiatischen Harems bestimmten, eine Menge von kostbaren Kleidern und Juwelen zu erbeuten, schien ihnen wohl wert, sich etwas l?nger aufzuhalten. Sie teilten sich also in zween Haufen, davon der eine sich derer bem?chtigte, welche die Kleider h��teten, indessen da? die ��brigen den Berg bestiegen, und mit gro?em Geschrei unter die Thracierinnen einst��rmend, sich von ihnen Meister machten, ehe sie Zeit oder Mut hatten, sich zur Wehr zu setzen. Die Umst?nde waren allerdings so beschaffen, da? sie sich allein mit den gew?hnlichen und anst?ndigsten Waffen ihres Geschlechts verteidigen konnten. Allein diese Cilicier waren allzusehr Seer?uber, als da? sie auf die Tr?nen und Bitten, noch selbst auf die Reizungen dieser Sch?nen einige Achtung gemacht h?tten, welche doch in diesem Augenblick, da Schrecken und Zagheit ihnen die Weiblichkeit (wenn es erlaubt ist, dieses Wort einem gro?en Dichter abzuborgen) wiedergegeben hatte, selbst dem sittsamen Agathon so verf��hrerisch vorkamen, da? er vor gut befand, seine nicht gerne gehorchende Augen an den Boden zu heften. Allein die R?uber hatten itzt andre Sorgen, und waren nur darauf bedacht, wie sie ihre Beute aufs schleunigste in Sicherheit bringen m?chten. Und so entging Agathon, f��r etliche nicht allzufeine Scherze ��ber die Gesellschaft, worin man ihn gefunden hatte, und f��r seine Freiheit, einer Gefahr, aus der er seinen Gedanken nach sich nicht zu teuer loskaufen konnte. Der Verlust der Freiheit schien ihn in den Umst?nden worin er war, wenig zu bek��mmern; und in der Tat, da er alles ��brige verloren hatte, was die Freiheit sch?tzbar macht, so hatte er wenig Ursache sich wegen eines Verlusts zu kr?nken, der ihm wenigstens eine Ver?nderung im Ungl��ck versprach.

VIERTES KAPITEL
Agathon wird zu Schiffe gebracht
Nachdem die Cilicier mit ihrer gesamten Beute wieder zu Schiffe gegangen, und die Teilung derselben mit gr??erer Eintracht, als womit die Vorsteher einer kleinen Republik sich in die ?ffentlichen Eink��nfte zu teilen pflegen, geendiget hatten; brachten sie den Rest der Nacht mit einem Schmause zu, bei welchem sie nicht verga?en, sich wegen der mehr als stoischen Unempfindlichkeit, die sie bei Eroberung der thracischen Sch?nen bewiesen hatten, schadlos zu halten. Unterdessen aber, da? das ganze Schiff besch?ftiget war, das angefangne Bacchusfest zu vollenden, hatte sich Agathon unbemerkt in einen Winkel zur��ck gezogen, wo er vor
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