Geschichte des Agathon, Teil 1 | Page 9

Christoph Martin Wieland
M��digkeit abermals einschlummerte, und den Traum gerne fortgesetzt h?tte, aus welchem ihn das "Evan Evan" der berauschten M?naden geweckt hatte.

F��NFTES KAPITEL
Eine Entdeckung
Die aufgehende Sonne, die von der rosenfingrichten Aurora angek��ndiget, das jonische Meer mit ihren ersten Strahlen vergoldete, fand alle diejenigen, mit dem Virgil zu reden, von Wein und Schlaf begraben, welche die Nacht durch dem Bacchus und seiner G?ttin Schwester geopfert hatten. Nur Agathon, der gewohnt war mit der Morgenr?te zu erwachen, wurde von den ersten Strahlen geweckt, die in horizontalen Linien an seiner Stirne hinschl��pften. Indem er die Augen aufschlug, sah er einen jungen Menschen in einer Sklaven-Kleidung vor sich stehen, der ihn mit gro?er Aufmerksamkeit betrachtete. So sch?n als Agathon war, so schien er doch von diesem liebensw��rdigen J��ngling an Feinheit der Gestalt und Farbe ��bertroffen zu werden; in der Tat hatte er in seiner Gesichtsbildung und in seiner ganzen Figur etwas so jungfr?uliches, da? er, gleich dem sch?nen Liebling des Horaz, in weiblicher Kleidung unter einer Schar von M?dchen gemischt, gar leicht das Auge des sch?rfsten Kenners betrogen haben w��rde. Agathon erwiderte den Anblick dieses jungen Sklaven mit einer Aufmerksamkeit, in welcher ein angenehmes Erstaunen nach und nach sich bis zur Entz��ckung erhob. Eben diese Bewegungen enth��llten sich auch in dem anmutigen Gesichte des jungen Sklaven; ihre Seelen erkannten einander in eben demselben Augenblicke, und schienen durch ihre Blicke schon in einander zu flie?en, eh ihre Arme sich umfangen, und die von Entz��ckung bebende Lippen "Psyche--Agathon", ausrufen konnten. Sie schwiegen eine lange Zeit; dasjenige, was sie empfanden, war ��ber allen Ausdruck; und wozu bedurften sie der Worte? Der Gebrauch der Sprache h?rt auf, wenn sich die Seelen einander unmittelbar mitteilen, sich unmittelbar anschauen und ber��hren, und in einem Augenblick mehr empfinden, als die Zunge der Musen selbst in ganzen Jahren auszusprechen verm?chte. Die Sonne w��rde vielleicht unbemerkt ��ber ihrem Haupt hinweg, und wieder in den Ozean hinab gestiegen sein, ohne da? sie in dem fortdaurenden Augenblick der Entz��ckung den Wechsel der Stunden bemerkt h?tten; wenn nicht Agathon dem es allerdings zukam hierin der erste zu sein, sich mit sanfter Gewalt aus den Armen seiner Psyche losgewunden h?tte, um von ihr zu erfahren, durch was f��r einen Zufall sie in die Gewalt der Seer?uber gekommen sei. "Die Zeit ist kostbar, liebste Psyche" sagte er, "wir m��ssen uns der Augenblicke bem?chtigen, da diese Barbaren, von der Gewalt ihres Gottes bezwungen, zu Boden liegen. Erz?hle mir, durch was f��r einen Zufall wurdest du von meiner Seite gerissen, ohne da? es mir m?glich war zu erfahren, wie oder wohin? Und wie finde ich dich itzt in diesem Sklavenkleid, und in der Gewalt dieser Seer?uber?"

SECHSTES KAPITEL
Erz?hlung der Psyche
"Du erinnerst dich", antwortete ihm Psyche, "jener ungl��cklichen Stunde, da die eifers��chtige Pythia unsre Liebe, so geheim wir sie zu halten vermeinten, entdeckte. Nichts war ihrer Wut zu vergleichen, und es fehlte nur noch, da? ihre Rache nicht mein Leben zum Opfer verlangte; denn sie lie? mich einige Tage alles erfahren, was verschm?hte Liebe erfinden kann, eine gl��ckliche Nebenbuhlerin zu qu?len. Ob sie es nun gleich in ihrer Gewalt hatte, mich deinen Augen g?nzlich zu entziehen, so hielt sie sich doch niemals sicher, so lang ich zu Delphi sein w��rde. Sie machte bald ein Mittel ausf��ndig, sich meiner zu entledigen, ohne einigen Argwohn zu erwecken; sie schenkte mich einer Verwandten, die sie zu Syracus hatte, und weil sie mich an diesem Orte weit genug von dir entfernt hielt, s?umte sie nicht, mich in der gr??ten Stille nach Corinth, und von da nach Sicilien bringen zu lassen. Die T?rin! kannte sie die Macht der Liebe nicht, die Agathon einfl??t? Wu?te sie nicht, da? keine Scheidung der Leiber durch L?nder und Meere meine Seele verhindern k?nne, aus einer Zone in die andre zu fliegen, und gleich einem liebenden Schatten um dich her zu schweben? Oder hoffte sie, reizender in deinen Augen zu werden, wenn du mich nicht mehr neben ihr sehen w��rdest? Wie wenig kannte sie unsre Liebe! Nein, wahre Liebe kann so wenig eifers��chtig sein, als sich selbst f��hlende St?rke zittern kann.--Ich verlie? Delphi mit zerri?nem Herzen. Als ich den letzten Blick auf diese bezauberten Haine heftete, wo deine Liebe mir ein neues Wesen gab, eine neue W��rklichkeit, gegen die mein voriges Leben eine ekelhafte Abwechslung von einf?rmigen Tagen und N?chten, ein ungef��hltes Pflanzen-Leben war, als ich diese geliebte Gegend endlich ganz aus den Augen verlor.--Nein, Agathon, ich kann es nicht beschreiben, du kannst es empfinden, du allein--Als ich mich selbst wieder f��hlte, erleichtert ein Strom von Tr?nen mein gepre?tes Herz. Es war eine Art von Wollust in diesen Tr?nen, ich lie? ihnen freien Lauf, ohne mich zu bek��mmern, da? sie gesehen w��rden. Die Welt schien mir ein leerer Raum, und alle Gegenst?nde um mich her Tr?ume und Schatten; du und ich waren allein; ich sah, ich h?rte nur dich, ich lag an deiner Brust,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 110
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.