dieser Klügste aller Selbstüberlister?
Sagte er sich das zuletzt, in der Weisheit seines Muthes zum Tode?...
Sokrates wollte sterben: - nicht Athen, er gab sich den Giftbecher, er
zwang Athen zum Giftbecher... Sokrates ist kein Arzt sprach er leise zu
sich: "der Tod allein ist hier Arzt... Sokrates selbst war nur lange
krank..."
Die "Vernunft" in der Philosophie.
1.
Sie fragen mich, was Alles Idiosynkrasie bei den Philosophen ist?...
Zum Beispiel ihr Mangel an historischem Sinn, ihr Hass gegen die
Vorstellung selbst des Werdens, ihr Ägypticismus. Sie glauben einer
Sache eine Ehre anzuthun, wenn sie dieselbe enthistorisiren, sub specie
aetemi, - wenn sie aus ihr eine Mumie machen. Alles, was Philosophen
seit Jahrtausenden gehandhabt haben, waren Begriffs-Mumien; es kam
nichts Wirkliches lebendig aus ihren Händen. Sie tödten, sie stopfen
aus, diese Herren Begriffs-Götzendiener, wenn sie anbeten, - sie
werden Allem lebensgefährlich, wenn sie anbeten. Der Tod, der
Wandel, das Alter ebensogut als Zeugung und Wachsthum sind für sie
Einwände, - Widerlegungen sogar. Was ist, wird nicht; was wird ist
nicht... Nun glauben sie Alle, mit Verzweiflung sogar, an's Seiende. Da
sie aber dessen nicht habhaft werden, suchen sie nach Gründen,
weshalb man's ihnen vorenthält. "Es muss ein Schein, eine Betrügerei
dabei sein, dass wir das Seiende nicht wahrnehmen: wo steckt der
Betrüger?" - "Wir haben ihn, schreien sie glückselig, die Sinnlichkeit
ist's! Diese Sinne, die auch sonst so unmoralisch sind, sie betrügen uns
über die wahre Welt. Moral: loskommen von dem Sinnentrug, vom
Werden, von der Historie, von der Lüge, - Historie ist nichts als Glaube
an die Sinne, Glaube an die Lüge. Moral: Neinsagen zu Allem, was den
Sinnen Glauben schenkt, zum ganzen Rest der Menschheit: das ist
Alles `Volk`. Philosoph sein, Mumie sein, den Monotono-Theismus
durch eine Todtengräber-Mimik darstellen! - Und weg vor Allem mit
dem Leibe, dieser erbarmungswürdigen idée fixe der Sinne! behaftet
mit allen Fehlern der Logik, die es giebt, widerlegt, unmöglich sogar,
ob er schon frech genug ist, sich als wirklich zu gebärden!"...
2.
Ich nehme, mit hoher Ehrerbietung, den Namen Heraklit's bei Seite.
Wenn das andre Philosophen-Volk das Zeugniss der Sinne verwarf,
weil dieselben Vielheit und Veränderung zeigten, verwarf er deren
Zeugniss, weil sie die Dinge zeigten, als ob sie Dauer und Einheit
hätten. Auch Heraklit that den Sinnen Unrecht. Dieselben lügen weder
in der Art, wie die Eleaten es glauben, noch wie er es glaubte, - sie
lügen überhaupt nicht. Was wir aus ihrem Zeugniss machen, das legt
erst die Lüge hinein, zum Beispiel die Lüge der Einheit, die Lüge der
Dinglichkeit, der Substanz, der Dauer... Die "Vernunft" ist die Ursache,
dass wir das Zeugniss der Sinne fälschen. Sofern die Sinne das Werden,
das Vergehn, den Wechsel zeigen, lügen sie nicht... Aber damit wird
Heraklit ewig Recht behalten, dass das Sein eine leere Fiktion ist. Die
"scheinbare" Welt ist die einzige: die wahre Welt ist nur
hinzugelogen...
3.
- Und was für feine Werkzeuge der Beobachtung haben wir an unsren
Sinnen! Diese Nase zum Beispiel, von der noch kein Philosoph mit
Verehrung und Dankbarkeit gesprochen hat, ist sogar einstweilen das
delikateste Instrument, das uns zu Gebote steht: es vermag noch
Minimaldifferenzen der Bewegung zu constatiren, die selbst das
Spektroskop nicht constatirt. Wir besitzen heute genau so weit
Wissenschaft, als wir uns entschlossen haben, das Zeugniss der Sinne
anzunehmen, - als wir sie noch schärfen, bewaffnen, zu Ende denken
lernten. Der Rest ist Missgeburt und Noch-nicht-Wissenschaft: will
sagen Metaphysik, Theologie, Psychologie, Erkenntnisstheorie. Oder
Formal-Wissenschaft, Zeichenlehre: wie die Logik und jene
angewandte Logik, die Mathematik. In ihnen kommt die Wirklichkeit
gar nicht vor, nicht einmal als Problem; ebensowenig als die Frage,
welchen Werth überhaupt eine solche Zeichen-Convention, wie die
Logik ist, hat. -
4.
Die andre Idiosynkrasie der Philosophen ist nicht weniger gefährlich:
sie besteht darin, das Letzte und das Erste zu verwechseln. Sie setzen
Das, was am Ende kommt - leider! denn es sollte gar nicht kommen! -
die "höchsten Begriffe", das heisst die allgemeinsten, die leersten
Begriffe, den letzten Rauch der verdunstenden Realität an den Anfang
als Anfang. Es ist dies wieder nur der Ausdruck ihrer Art zu verehren:
das Höhere darf nicht aus dem Niederen wachsen, darf überhaupt nicht
gewachsen sein... Moral: Alles, was ersten Ranges ist, muss causa sui
sein. Die Herkunft aus etwas Anderem gilt als Einwand, als
Werth-Anzweifelung. Alle obersten Werthe sind ersten Ranges, alle
höchsten Begriffe, das Seiende, das Unbedingte, das Gute, das Wahre,
das Vollkommne - das Alles kann nicht geworden sein, muss folglich
causa sui sein. Das Alles aber kann auch nicht einander ungleich, kann
nicht mit sich im Widerspruch sein... Damit haben sie ihren stupenden
Begriff "Gott"... Das Letzte, Dünnste, Leerste wird als Erstes gesetzt,
als Ursache an sich, als ens realissimum... Dass die Menschheit die
Gehirnleiden kranker Spinneweber hat ernst nehmen müssen! - Und sie
hat theuer dafür gezahlt!...
5.
- Stellen wir endlich dagegen, auf
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