Fräulein Julie | Page 7

August Strindberg
sie mich aber gewahr
wurde, fährt sie gerade auf mich los und fordert mich zum
Damenwalzer auf. Und seitdem hat sie in einer Weise getanzt, daß ich
nie etwas derartiges gesehen habe. Sie ist einfach verrückt.
Christine. Das ist sie ja immer gewesen, aber niemals so, wie die
letzten vierzehn Tage, seitdem die Verlobung aufgehoben wurde.
Jean. Ja, was war das eigentlich für eine Geschichte. Es war doch ein
feiner Kerl, wenn er auch nicht reich war. Ach ja! sie haben so viele
Launen! (Er setzt sich rechts an den Tisch.) Es ist in jedem Fall
sonderbar von dem Fräulein, daß sie lieber bei den Leuten zu Hause
bleiben will, als ihren Vater zu ihren Verwandten begleiten? Nicht?
Christine. Ja, sie fühlt sich wohl gleichsam ein wenig geniert nach der
Geschichte mit ihrem Bräutigam.
Jean. Kann schon sein! Aber es war doch in jedem Fall ein tüchtiger
Kerl. Weißt du, Christine, wie es kam? Ich sah es mit an, obgleich ich
mir nichts merken lassen wollte.
Christine. Wie? Du sahst es mit an?
Jean. Ja, das that ich. Sie waren eines Abends unten im Stallhof, und
das Fräulein »tränierte« ihn, wie sie es nannte -- weißt du, was sie

machte? Sie ließ ihn über die Reitpeitsche springen, wie einen Hund,
den man »hop« machen lehrt. Zweimal sprang er hinüber und bekam
jedesmal einen Schlag; aber das dritte Mal nahm er ihr die Reitpeitsche
aus der Hand, zerbrach sie in tausend Stücke und -- ging.
Christine. So kam es? Nein, was du sagst!
Jean. Ja, so kam es! Aber kannst du mir nun nicht etwas Gutes zu essen
geben, Christine?
Christine (legt aus der Pfanne auf und setzt es Jean vor). Ach, nur ein
bißchen Nieren, die ich aus dem Kalbsbraten herausgeschnitten habe!
Jean (beriecht das Essen). Ah! Sehr schön, das ist mein größtes Delice!
(Er befühlt den Teller.) Aber du hättest den Teller wärmen können!
Christine. Du bist noch krittlicher, als selbst der Graf, wenn du erst
einmal anfängst. (Sie zieht ihn liebkosend am Haar.)
Jean (böse). Au! Du mußt mich nicht so reißen, du weißt ja, wie
empfindlich ich bin.
Christine. Na, na, es war ja nur aus Liebe.
Jean (ißt).
Christine (zieht eine Flasche Bier auf).
Jean. Bier in der Johannisnacht? Nein, danke bestens! Da habe ich
selbst was Besseres. (Er öffnet die Tischschublade und nimmt eine
Flasche Rotwein mit gelbem Lack heraus.) Gelber Lack, siehst du!
Gieb mir nun ein Glas! Ein Fußglas, versteht sich, wenn man reinen
Wein trinkt.
Christine (wendet sich wieder zum Herd und setzt eine kleine
Kasserole auf). Gott sei der gnädig, die dich einmal zum Mann
bekommt! So ein Kräkler!
Jean. Ach red' doch nicht! Du wärst sehr vergnügt, wenn du so'n feinen

Kerl, wie mich, bekämst; und ich glaube nicht, daß du davon Schaden
hast, daß man mich deinen Liebsten nennt! (Er schmeckt den Wein.)
Ah! Sehr fein! Sehr fein! Nur etwas zu wenig temperiert! (Er wärmt
das Glas mit der Hand.) Den haben wir in Dijon gekauft. Und er kam
vier Francs der Liter ohne Glas; und dann noch der Zoll dazu! Was
kochst du denn jetzt? Das stinkt ja infernalisch!
Christine. Ach, das ist so ein Teufelsdreck, den Fräulein Julie für die
Diana haben will.
Jean. Du solltest dich ein wenig zierlicher ausdrücken, Christine! Aber
warum mußt du am heiligen Abend dastehen und für das Beest kochen?
Ist es krank, was?
Christine. Jawohl! Sie hat sich zu dem Hofhund hinausgeschlichen --
und da haben sie Unsinn gemacht -- und siehst du, davon will das
Fräulein nichts wissen.
Jean. Ja, in einer Beziehung ist das Fräulein zu stolz und in anderer zu
wenig stolz, ganz wie die Gräfin bei Lebzeiten. Sie fühlte sich am
wohlsten in der Küche und im Stall, aber sie wollte niemals mit einem
Pferd fahren; sie ging mit schmutzigen Manschetten, mußte aber die
Grafenkrone auf den Knöpfen haben. Das Fräulein, um nun von ihr zu
reden, nimmt sich und ihre Person nicht genug in acht. Ich möchte
sagen, sie ist nicht fein. Jetzt eben, als sie in der Scheune tanzte, riß sie
den Förster von Annas Seite fort und forderte ihn selbst auf. Wir
würden uns nicht so benehmen; aber so geht es, wenn die Herrschaften
sich gemein machen, dann -- werden sie gemein! Aber stattlich ist sie!
Prachtvoll! O! Diese Schultern! Dieser Busen! und -- &c.!
Christine. Na, dabei ist auch viel Kunst! Ich weiß, was Klara gesagt hat,
die ihr beim Anziehen hilft.
Jean. Pah, Klara! Ihr seid immer neidisch aufeinander! Ich bin mit ihr
ausgewesen und habe sie reiten sehen -- Und dann, wie sie tanzt!
Christine. Höre einmal, Jean! Willst du nicht mit mir tanzen, wenn ich
fertig bin?

Jean. Ja, natürlich will ich das.
Christine. Versprichst du es mir?
Jean. Versprechen? Wenn ich sage, ich thue es, dann thue ich es auch!
Indessen besten
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