Und wenn nicht, so ist doch sicher, daß es den Augen des
Schauspielers unangenehm ist, sodaß das wirkungsvolle Spiel des
Blicks verloren geht, denn das Licht der Rampe trifft die Netzhaut auf
Stellen, die sonst geschützt sind und darum sieht man selten andere
Bewegungen der Augen, als ein dummes Starren zur Seite oder hinauf
zu den Logenreihen, sodaß das Weiße im Auge zu sehen ist.
Möglicherweise kann man derselben Ursache das müde Blinzeln mit
dem Augendeckel bei den Schauspielern und namentlich bei den
Schauspielerinnen zuschreiben. Und wenn jemand auf der Bühne mit
den Augen sprechen will, kann er nur geradeaus ins Publikum sehen,
mit dem er (oder sie) außerhalb des Rahmens des Stückes eine direkte
Korrespondenz einleitet; eine Unsitte, die mit Recht oder Unrecht
»Bekannte begrüßen« genannt wird.
Sollte nicht genügend starkes Seitenlicht (mit Reflektoren oder
dergleichen) dem Schauspieler dieses neue Hilfsmittel bieten können:
die Mimik durch den ausdrucksvollsten Teil des Gesichtes, die Augen,
zu stärken?
Die Illusion, die Schauspieler dahin zu vermögen, für und nicht mit
dem Publikum zu spielen, nähre ich nicht, wenn dieses auch in hohem
Grade wünschenswert wäre. Ich glaube nicht, daß ich eine ganze Scene
hindurch den ganzen Rücken eines Schauspielers werde zu sehen
bekommen, aber ich wünsche von ganzem Herzen, daß die
Hauptscenen nicht, gleich Duetten, vorn am Souffleurkasten gespielt
werden mögen, in der Absicht, Beifall zu ernten, sondern ich will sie
auf einen Platz haben, der zu der Situation paßt. Also keine Revolution,
sondern nur kleine Modifikationen.
Wenn ich nun beginne vom Schminken zu sprechen, so nähre ich keine
Hoffnung, von den Damen gehört zu werden, die lieber hübsch, als
wahr sein wollen. Aber der Schauspieler sollte doch genau überlegen,
ob es für ihn vorteilhaft ist, durch das Schminken seinem Gesichte
einen abstrakten Charakter zu geben, der wie eine Maske auf
demselben sitzen bleibt. Denken wir uns einen Herrn, der sich mit
Kohle einen scharfen, zornigen Zug zwischen den Augen anbringt, und
nehmen wir an, daß dieser ständig zornig aussehende Mensch bei einer
Replik lachen soll. Welch' schauderhafte Grimasse wird das nicht
werden? Und wie soll eine falsche Stirn, die blank ist, wie eine
Billardkugel, gerunzelt werden können, wenn der Alte zornig wird.
Mit einem modernen psychologischen Drama, wo die feinsten
seelischen Empfindungen sich mehr in den Gesichtszügen als in den
Bewegungen und im Geschrei widerspiegeln sollen, thäte man wohl am
besten, es mit starkem Seitenlicht auf einer kleinen Bühne und mit
Schauspielern ohne Schminke oder zum mindesten einem Minimum
davon zu versuchen.
Könnten wir das sichtbare Orchester mit seinem störenden Lampenlicht
und den gegen das Publikum gewandten Gesichtern loswerden; würde
das Parkett so erhöht, daß die Augen des Zuschauers höher träfen, als
auf die Kniee des Schauspielers; schafften wir die Prosceniumslogen ab
und dazu vollständige Dunkelheit im Theater während der Vorstellung,
sowie zuerst und vor allem eine kleine Bühne und einen kleinen
Zuschauerraum, dann könnte vielleicht eine neue dramatische Kunst
erstehen, und das Theater wieder eine Institution zur Freude der
Intelligenteren werden.
Indem wir auf dieses Theater warten, müssen wir auf Lager schreiben
und das Repertoire der Zukunft vorbereiten.
Ich habe einen Versuch gemacht! Ist er mißglückt, so ist noch Zeit
genug, einen neuen zu machen.
Kopenhagen im Sommer 1888.
Der Verfasser.
Fräulein Julie.
Personen:
Fräulein Julie, 25 Jahre alt.
Jean, Diener, 30 Jahre alt.
Christine, Köchin, 35 Jahre alt.
Die Handlung spielt in der Johannisnacht in einer gräflichen Küche.
Schauplatz:
Eine große Küche, deren Decke und Seitenwände von den Draperien
und Soffiten verdeckt werden. Die Hinterwand zieht sich von links
schräg in die Scene hinein; auf der linken Seite zwei Gestelle mit
Kupfer-, Messing-, Eisen- und Zinngeschirr; die Gestelle sind mit
zackigem Papier garniert; etwas weiter rechts sieht man dreiviertel des
großen gewölbten Ausganges mit zwei Glasthüren, durch welche ein
Springbrunnen mit einem Amor, blühende Fliederbüsche und einige
Pappelbäume sichtbar sind. Eingänge rechts und links.
Links auf der Bühne eine Ecke eines großen Kachelherdes mit einem
Teil des Rauchfanges.
Rechts das eine Ende eines Gesindeeßtisches aus weißem Fichtenholz
mit einigen Stühlen; auf dem Tisch eine große japanische Kruke mit
Flieder.
Der Herd ist mit Birkenzweigen ausgeputzt, der Boden mit Wachholder
bestreut.
Ein Eisschrank, ein Waschtisch und ein Aufwaschtisch. Eine große,
altertümliche Schlaguhr über der Thüre und ein Sprachrohr auf der
linken Seite derselben.
Christine steht links am Herd und bratet etwas in einer Pfanne; sie hat
ein helles Kattunkleid an und eine Küchenschürze um. Jean kommt
durch die Glasthür hinein, in Livree; er trägt in der Hand ein paar große
Reitstiefel mit Sporen, die er auf einer sichtbaren Stelle hinten auf den
Boden stellt.
Jean. Heute Abend ist das Fräulein Julie wieder verrückt, total
verrückt!
Christine. So, du bist jetzt hier?
Jean. Ich begleitete den Herrn Grafen zur Station, und als ich auf dem
Rückweg an der Scheune vorüberkam, ging ich hinein, um zu tanzen.
Fräulein Julie tanzte gerade mit dem Förster; als
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