Faust: Der Tragoedie, part 1 | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
verehren
euch darum nicht minder.
Das Alter macht nicht kindisch, wie man
spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
DIREKTOR:
Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch
endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas
Nützliches geschehn.
Was hilft es, viel von Stimmung reden?
Dem
Zaudernden erscheint sie nie.
Gebt ihr euch einmal für Poeten,
So
kommandiert die Poesie.
Euch ist bekannt, was wir bedürfen,
Wir
wollen stark Getränke schlürfen;
Nun braut mir unverzüglich dran!

Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,
Und keinen Tag
soll man verpassen,
Das Mögliche soll der Entschluß
Beherzt
sogleich beim Schopfe fassen,
Er will es dann nicht fahren lassen

Und wirket weiter, weil er muß.
Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen
Probiert ein jeder, was er mag;

Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht
Maschinen.
Gebraucht das groß, und kleine Himmelslicht,
Die
Sterne dürfet ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,


An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen
Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt mit
bedächt'ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.
Prolog im Himmel.
Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles. Die
drei Erzengel treten vor.
RAPHAEL:
Die Sonne tönt, nach alter Weise,
In Brudersphären
Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit
Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner Sie
ergründen mag;
die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie
am ersten Tag.
GABRIEL:
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich
umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer,
schauervoller Nacht.
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am
tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen

Im ewig schnellem Sphärenlauf.
MICHAEL:
Und Stürme brausen um die Wette
Vom Meer aufs
Land, vom Land aufs Meer,
und bilden wütend eine Kette
Der
tiefsten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren

Dem Pfade vor des Donnerschlags.
Doch deine Boten, Herr, verehren

Das sanfte Wandeln deines Tags.
ZU DREI:
Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
Da keiner dich
ergründen mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am
ersten Tag.
MEPHISTOPHELES:
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst

Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst
gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.

Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch

der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum
Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn' und
Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen
plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,

Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd
er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;

Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes
Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden,
Wie
eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt

Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg er nur noch
immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.
DER HERR:
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
Kommst du nur
immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
MEPHISTOPHELES:
Nein Herr! ich find es dort, wie immer,
herzlich schlecht. Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,

Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
DER HERR:
Kennst du den Faust?
MEPHISTOPHELES:
Den Doktor?
DER HERR:
Meinen Knecht!
MEPHISTOPHELES:
Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.

Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die
Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom
Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede
höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die
tiefbewegte Brust.
DER HERR:
Wenn er mir auch nur verworren dient,
So werd ich
ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das
Bäumchen grünt,
Das Blüt und Frucht die künft'gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES:
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!

Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen.
DER HERR:
Solang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir's nicht
verboten,
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
MEPHISTOPHELES:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten

Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die
vollen, frischen Wangen.
Für einem Leichnam bin ich nicht zu Haus;

Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
DER HERR:
Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von
seinem Urquell ab,
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf
deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:

Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,
Ist sich des rechten
Weges wohl bewußt.
MEPHISTOPHELES:
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir
ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck
gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er
fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.
DER HERR:
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe
deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
ist
mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann
allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum
geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als
Teufel schaffen.
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der
lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,

Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in
schwankender Erscheinung schwebt,
Befestigt mit dauernden
Gedanken!
(Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen
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