Fabeln und Erzählungen | Page 7

Christian Fürchtegott Gellert

wär die Lieb ein Glück, was könnte mir denn fehlen,
Da ein erlesnes

Weib in meinen Armen liegt?
Ist sie nicht reich und schön? Doch bin
ich nicht vergnügt, Ich glaub es, lieber Freund; allein sich so vermählen,

Wie viele tun, das heißt nicht lieben, nein.
Das heißt, mit weit
getrennten Seelen
Ein Leib in einem Hause sein.
Ein unverhofftes Glück begegnet unsern beiden.
Wie weinen sie vor
Zärtlichkeit!
Der arme Mann soll itzt auf kurze Zeit
Von seiner
teuren Gattin scheiden,
Weil ihn ein naher Freund in einer fernen
Stadt
Zum Erben eingesetzet hat.
Von heißen Lippen losgerissen,
Und doch entbrannt, sich länger noch
zu küssen,
Sprach eines, was das andre sprach,
Dem andern immer
stammelnd nach,
Ein Lebewohl, ein seufzend Ach.
Er stieg nunmehr ins Schiff (wie oft sah er zurücke!),
Und Doris blieb
am Ufer stehn,
Um ihrem Damon, ihrem Glücke,
Noch lange
schmachtend nachzusehn.
"O Himmel!" hört ich sie noch an dem
Ufer flehn,
"Bring meinen Mann gesund zurücke!"
Das Schiff bringt ihn an seinen Ort.
Er schreibt mit jeder Post: "Bald,
Doris, werd ich kommen." Kaum hat er auch sein Gut noch in Besitz
genommen:
So eilt er schon zu Schiffe wieder fort,
Und schreibt,
damit sie nichts von seiner Ankunft wüßte,
Daß, wider sein gegebnes
Wort,
Er noch acht Tage warten müßte,
Eh er sie wiedersah und
küßte.
Die junge Frau, die, wenn die Sonn entwich,
Aus ihrem von der See
nicht fernen Hause schlich,
Und gern am Ufer sich verweilte
Ging
itzund an der Freundin Hand,
Mit der sie stets ihr Herze teilte,
An
den ihr angenehmen Strand.
Sie redten. Und wovon? Errätst du dies noch nicht,
Wovon ein treues
Weib, die schmachtend wartet, spricht:
So bist du auch nicht wert,
den Inhalt zu erfahren.
Nein, nein, verschweig es, mein Gedicht,

Wie zärtlich Doris' Wünsche waren!
Das Herz wird dem, der liebt, sie

selber offenbaren,
Und für die andern schreib ich nicht.
Indem daß Doris noch mit manchem frohen Ach
Von ihres Gatten
Ankunft redte,
Und von dem Gastgebote sprach,
Das sie sich
ausgesonnen hätte;
Indem sie noch von ihrer Erbschaft redte,
Und,
wenn sie den Entwurf von ihrem Glück gemacht,
Sich oft in dem
Entwurfe störte,
Und den, der sie im Testament bedacht,
Mit
dankerfüllten Tränen ehrte;
Indem sie zum voraus die Armen speisen
ließ,
Und mütterlich den Waisen sich erwies,
Der Kranken Herz mit
Stärkungen erquickte,
Und den Gefangnen Hülfe schickte;
Indem
sie dies im Geist von ihrer Erbschaft tat
Und, in ihr Glück vertieft,
ans Ufer näher trat,
Fing ihre Freundin an: "Was schwimmt dort auf
dem Meere?
Ein Kästchen? Wie? wenns voll Juwelen wäre?
Ach
Doris! wäre das nicht schön?
Allein ich sag es dir, ich habs zuerst
gesehn,
Und kömmt es an den Strand geschwommen:
So ist das
Glück des Schiffbruchs mein;
Doch du wirst ja bald niederkommen,

Und das versteht sich schon, ich muß Gevatter sein,
Dann bind ich
dir drei Schnuren Perlen ein."
Die junge Frau belohnte Scherz mit Scherze.
"Es nähert sich", fing
jene wieder an;
Doch wie erschraken sie, als sie zu ihrem Schmerze

Fern einen Leichnam schwimmen sahn.
"Wer weiß", sprach Doris,
welcher schon
Die Tränen in den Augen stunden,
"Wer weiß, ist
der, der hier sein Grab gefunden,
Nicht grauer Eltern einzger Sohn?

Wer weiß, mit welcher trunknen Freude
Itzt die verlebten Alten
beide,
Ihn zu empfangen, fertig stehn?
Und sich im Geist erfreun,
die Braut ihm anzubieten,
Die sie für ihn erwählt, und treulich für ihn
hüten.
Gott geb es nicht, daß sie den Anblick sehn.
Wer weiß, ward
nicht durch seinen Tod

Der treusten Frau ein lieber Mann entrissen,

Die bald ihr eignes Weh, bald ihrer Kinder Not
In Armut wird
beweinen müssen?
Wer weiß, wievielmal er betränt,
Eh er noch
starb, das arme Weib erwähnt?
Doch, Freundin, komm von der
betrübten Stelle,
Damit mein Herz nicht länger zittern darf."

Dies sagte sie sind ging, als eben eine Welle
Den Toten an das Ufer
warf.
Die Freundin sah ihn an, und schrie mit Ungestüm:
"Mein
Vetter!" und fiel neben ihm.
Auf dies Geschrei kam Doris wieder,
Der lieben Freundin beizustehn.

Ach, Doris, ach! was wirst du sehn?
Sie sieht, und fällt auf ihren
Gatten nieder,
Und stirbt an seiner starren Brust.
Indes erwacht die
Freundin wieder,
Und zeigt der Nachbarschaft den doppelten Verlust.

Hier bebte der, den man nie zittern sehn,
Und dem, der nie geweint,
floß Wehmut vom Gesichte,
Und niemand fragte, was geschehn.

Der Anblick selbst erzählte die Geschichte.

Beweint, ihr mitleidsvollen Seelen,
Die traurigste Begebenheit

Elend gewordner Zärtlichkeit,
Und schmeckt das Glück, um andre
sich zu quälen.
Laßt uns die Unschuld oft im größten Unglück sehn,

Und leidet mit bei fremden Schmerzen;
Dies Mitleid heiligt unsre
Herzen,
Und heißt die Menschenlieb in uns ihr Haupt erhöhn.
Die
Tugend bleibt uns noch im Unglück selber schön.
Das Pferd und der Esel
Ein Pferd, dem Geist und Mut recht aus den Augen sahn,
Ging, stolz
auf sich und seinen Mann,
Und stieß (wie leicht ist nicht ein falscher
Schritt getan!) Vor großem Feuer einmal an.
Ein träger Esel sahs und
lachte.
"Wer", sprach er, "würd es mir verzeihn,
Wenn ich
dergleichen Fehler machte?
Ich geh den ganzen Tag, und stoß an
keinen Stein."
"Schweig", rief das Pferd, "du bist zu meinem
Unbedachte,
Zu meinen Fehlern viel zu klein."
Das Pferd und die Bremse
Ein Gaul, der Schmuck von weißen Pferden,
Von Schenkeln leicht,
schön von Gestalt,
Und, wie ein Mensch, stolz in Gebärden,
Trug

seinen Herrn durch einen Wald;
Als mitten in dem stolzen Gange

Ihm
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