junge Mädchen
Ein junger Mensch sprach einen wackern Mann
Durch einen guten
Freund um seine Tochter an.
Der Alte, der sein Kind noch nicht
versprechen wollte,
War dennoch ungemein erfreut,
Und bat den
Freund mit vieler Höflichkeit,
Daß er bei ihm zu Tische bleiben sollte.
Die Tochter, ob sich gleich der Vater sehr verstellt,
Errät die Sache
bald. Was? fängt sie an zu schließen,
Ein fremder Herr, den man zu
Tische gleich behält,
Was bringt doch der? Ich solls nicht wissen;
Allein umsonst bückt er sich nicht so tief vor mir.
Ist auch der gute
Freund wohl meinetwegen hier?
Der Fremde hofft, es soll ihm noch gelingen,
Und wagt es bei dem
Glase Wein,
Das Wort für seinen Freund noch einmal anzubringen.
"Mein Herr!" fiel ihm der Vater ein,
"O denken Sie doch nicht, daß
ich zu hart verfahre:
Mein Kind kann wirklich noch nicht frein,
Sie
ist zu jung, sie ist erst vierzehn Jahre."
Indem er dies noch sprach, trat Fickchen selbst herein,
Und trug ein
Essen auf. "Was?" fing sie an zu schrein,
"Was sagten Sie, Papa? Sie
haben sich versprochen.
Ich sollt erst vierzehn Jahre sein?
Nein,
vierzehn Jahr und sieben Wochen."
Ließ sie der Vater denn nicht
frein?
Das weiß ich nicht; doch nein, ich wills nur sagen;
Denn
unter denen, die mich fragen,
Da könnten wohl selbst junge Mädchen
sein;
Die zu beruhigen, will ichs aufrichtig sagen:
Der Vater
schämte sich und ließ die Tochter frein.
Das Kartenhaus
Das Kind greift nach den bunten Karten,
Ein Haus zu bauen, fällt ihm
ein.
Es baut, und kann es kaum erwarten,
Bis dieses Haus wird
fertig sein.
Nun steht der Bau. O welche Freude!
Doch ach! ein
ungefährer Stoß
Erschüttert plötzlich das Gebäude,
Und alle Bänder
reißen los.
Die Mutter kann im Lomberspielen,
Wenn sie den letzten Satz
verspielt,
Kaum so viel banges Schrecken fühlen,
Als ihr bestürztes
Kind itzt fühlt.
Doch wer wird gleich den Mut verlieren?
Das Kind entschließt sich
sehnsuchtsvoll,
Ein neues Lustschloß aufzuführen,
Das dem
zerstörten gleichen soll.
Die Sehnsucht muß den Schmerz besiegen,
Das erste Haus steht
wieder da.
Wie lebhaft war des Kinds Vergnügen,
Als es sein Haus
von neuem sah!
Nun will ich mich wohl besser hüten,
Damit mein Haus nicht mehr
zerbricht.
"Tisch!" ruft das Kind, "laß dir gebieten,
Und stehe fest,
und wackle nicht!"
Das Haus bleibt unerschüttert stehen,
Das Kind hört auf, sich zu
erfreun;
Es wünscht, es wieder neu zu sehen,
Und reißt es bald mit
Willen ein.
Schilt nicht den Unbestand der Güter,
Du siehst dein eigen Herz nicht
ein;
Veränderlich sind die Gemüter,
So mußten auch die Dinge sein.
Bei Gütern, die wir stets genießen,
Wird das Vergnügen endlich
matt;
Und würden sie uns nicht entrissen,
Wo fänd ein neu
Vergnügen statt?
Das Kutschpferd
Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn,
Und
wieherte mit Stolz auf ihn.
"Wenn", sprach es, und fing an, die
Schenkel schön zu heben, "Wenn kannst du dir ein solches Ansehn
geben?
Und wenn bewundert dich die Welt?"
"Schweig", rief der
Gaul, "und laß mich ruhig pflügen,
Denn baute nicht mein Fleiß das
Feld,
Wo würdest du den Haber kriegen,
Der deiner Schenkel Stolz
erhält?"
Die ihr die Niedern so verachtet,
Vornehme Müßiggänger, wißt,
Daß selbst der Stolz, mit dem ihr sie betrachtet,
Daß euer Vorzug
selbst, aus dem ihr sie verachtet,
Auf ihren Fleiß gegründet ist.
Ist
der, der sich und euch durch seine Hand ernährt,
Nichts Bessers als
Verachtung wert?
Gesetzt, du hättest beßre Sitten:
So ist der
Vorzug doch nicht dein.
Denn stammtest du aus ihren Hütten:
So
hättest du auch ihre Sitten.
Und was du bist, und mehr, das würden
sie auch sein,
Wenn sie wie du erzogen wären.
Dich kann die Welt
sehr leicht, ihn aber nicht entbehren.
Das Land der Hinkenden
Vorzeiten gabs ein kleines Land,
Worin man keinen Menschen fand,
Der nicht gestottert, wenn er redte,
Nicht, wenn er ging, gehinket
hätte;
Denn beides hielt man für galant.
Ein Fremder sah den
Übelstand;
Hier, dacht er, wird man dich im Gehn bewundern müssen;
Und ging einher mit steifen Füßen.
Er ging, ein jeder sah ihn an,
Und alle lachten, die ihn sahn,
Und jeder blieb vor Lachen stehen,
Und schrie: Lehrt doch den Fremden gehen!
Der Fremde hielts für
seine Pflicht,
Den Vorwurf von sich abzulehnen.
Ihr, rief er, hinkt;
ich aber nicht;
Den Gang müßt ihr euch abgewöhnen!
Der Lärmen
wird noch mehr vermehrt,
Da man den Fremden sprechen hört.
Er
stammelt nicht; genug zur Schande!
Man spottet sein im ganzen
Lande.
Gewohnheit macht den Fehler schön,
Den wir von Jugend auf gesehn.
Vergebens wirds ein Kluger wagen,
Und, daß wir töricht sind, uns
sagen.
Wir selber halten ihn dafür,
Bloß, weil er klüger ist, als wir.
Das neue Ehepaar
Nach so viel bittern Hindernissen,
Nach so viel ängstlicher Gefahr,
Als jemals noch ein zärtlich Paar
Hat dulden und beweinen müssen,
Ließ endlich doch die Zeit mein Paar das Glück genießen,
Das,
wenns ein Lohn der Tugend ist,
Sie durch Beständigkeit zehnfach
verdienet hatten.
Sie, die sich, hart bedroht, als Liebende geküßt,
Die küßten sich nunmehr erlaubt als Ehegatten,
Nachdem sie
neidscher Freunde List
Und strenger Eltern Zorn liebreich besänftigt
hatten.
Wer war, nach langer Jahre Müh,
Nun glücklicher als er und
sie?
Denn, was man liebt, geliebt besitzen können;
In einem treuen
Arm sich seines Lebens freun,
Ist, Menschen, dies kein Glück zu
nennen:
So muß gar keins auf Erden sein.
Hier wett ich wohl, daß
mancher heimlich spricht:
Der gute Mensch versteht es nicht.
Denn
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