Fabeln und Erzählungen | Page 5

Christian Fürchtegott Gellert
sich vor keinen Charakteren,
Und gab, in einem
weißen Tuch,
Ihm alle Nächte den Besuch.
Ein Dichter zog in
dieses Haus.
Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen,

Bat sich des Dichters Zuspruch aus,
Und ließ sich seine Verse lesen.

Der Dichter las ein frostig Trauerspiel,
Das, wo nicht seinem Wirt,
doch ihm sehr wohl gefiel.
Der Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah,
Erschien, und
hörte zu; es fing ihn an zu schauern;
Er konnt es länger nicht, als
einen Auftritt, dauern:
Denn, eh der andre kam, so war er nicht mehr
da.
Der Wirt, von Hoffnung eingenommen,
Ließ gleich die andre
Nacht den Dichter wiederkommen.
Der Dichter las, der Geist
erschien;
Doch ohne lange zu verziehn.
Gut! sprach der Wirt bei
sich, dich will ich bald verjagen; Kannst du die Verse nicht vertragen?
Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein.
Sobald es zwölfe schlug, ließ
das Gespenst sich blicken.
Johann! fing drauf der Wirt gewaltig an zu
schrein,
Der Dichter (lauft geschwind!) soll von der Güte sein,
Und
mir sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken.
Der Geist erschrak,
und winkte mit der Hand,
Der Diener sollte ja nicht gehen.
Und

kurz, der weiße Geist verschwand,
Und ließ sich niemals wieder
sehen.

Ein jeder, der dies Wunder liest,
Zieh sich daraus die gute Lehre,

Daß kein Gedicht so elend ist,
Daß nicht zu etwas nützlich wäre.

Und wenn sich ein Gespenst vor schlechten Versen scheut!
So kann
uns dies zum großen Troste dienen.
Gesetzt, daß sie zu unsrer Zeit

Auch legionenweis erschienen:
So wird, um sich von allen zu befrein,

An Versen doch kein Mangel sein.
Das Heupferd, oder der Grashüpfer
Ein Wagen Heu, den Veltens Hand
Zu hoch gebäumt, und schlecht
bespannt,
Konnt endlich von den matten Pferden
Nicht weiter
fortgezogen werden.
Des Fuhrmanns Macht- und Sittenspruch,
Ein
zehnmals wiederholter Fluch,
War eben, wie der Peitsche Schlagen,

Zu schwach bei diesem schweren Wagen.
Ein Heupferd, das bei der Gefahr
Zuoberst auf dem Wiesbaum war,

Sprang drauf herab, und sprach mit Lachen:
"Ich wills dem Viehe
leichter machen."
Drauf ward der Wagen fortgerückt.
"Ei", rief das Heupferd ganz
entzückt,
"Du, Fuhrmann, wirst an mich gedenken;
Fahr fort! den
Dank will ich dir schenken."
Das Hospital
Elmire war zur Witwe worden,
Und nahm sich vor, nicht mehr zu
frein.
Allein sie war noch jung; was macht man ganz allein?
Ich
dächte doch, sie könnte wieder frein.
Der Witwenstand ist ein
betrübter Orden.
Elmire sahs und schritt zur zweiten Wahl.
Allein
sie war das erste Mal
Nicht gar zu wohl verwahret worden.
Denn
leider sind die Zeiten so betrübt,
Daß es viel böse Männer gibt.


Elmire tat daher ein feierlich Gelübd,
Indem sie sich zur zweiten Ehe
schickte:
Sie wollte, wenn es ihr mit ihrem Manne glückte,
Ein
Hospital für fromme Männer baun;
Denn sie war reich. Und kurz, sie
ließ sich wieder traun.
O welche Lust erfolgt oft nach dem Leide!

Das war ein Mann, ein allerliebster Mann!
Fromm wie ein Kind,
gefällig wie die Freude,
Und der auf nichts, als ihr Vergnügen sann.

Wie hätte sie sich ihn denn besser wünschen mögen?
Sie ließ geschwind den Grund zum Hospitale legen.
Vier Wochen
strichen hin. Nun war der Grund gelegt.
Und bald wird man das erste
Stockwerk sehen;
Doch nein, Elmire kömmt, und heißt, vom Zorn
bewegt,
Die Mäurer auseinandergehen.
Wie! Sollt es nicht mehr gut
in ihrer Ehe stehen?
Das kann nicht möglich sein, sie sind ja kaum
getraut.
Nun kurz und gut, es ward nicht fortgebaut.
Und ungefähr
nach einem halben Jahre
Lag dieser Mann auch auf der Bahre.
Der
liebe Mann!
Die Frau schwört Stein und Bein,
Ihr lebelang nicht mehr zu frein;

Und doch war sie nach zweiundfunfzig Wochen
(Der Bau muß ja
vollendet sein!)
Bereits das dritte Mal versprochen.
O, das war erst ein würdiger Gemahl!
Verständig, zärtlich und
verbindlich,
Nicht eigensinnig, nicht empfindlich;
Er bat da nur, wo
jener mild befahl;
Die Blicke seiner Frau erfüllt er als Befehle.

Kurz, beide waren recht ein Herz und eine Seele.
Die gute Frau! Ich gönn ihr diesen Mann.
Allein sie wollte doch nicht
trauen.
Sie fing nicht gleich, wie ehmals, an zu bauen.
Ich lobe sie
darum, und hätt es selbst getan.
Der Henker mag den Männern trauen,

Wenn man so leicht zweimal sich irren kann.
Sie fand nunmehr nach einem halben Jahre
Den Gatten noch so
liebenswert,
Als an dem Tag, da er, gefragt vor dem Altare,
Ihr
durch ein seufzend Ja sein zärtlich Herz erklärt.

Der Bau wird fortgesetzt. Ich seh Elmiren kommen.
Wie freundlich
sieht sie diesmal aus!
"Ach Meister, fördert doch das Haus!
Warum
habt Ihrs denn angenommen?
Ich geb Euch ja das Geld voraus.

Laßt doch noch mehr Gesellen kommen!"
Ei, das geht gut! Ich kann mich nicht genug erfreun.
Das muß ein
rechter Ehmann sein!
Die Mäurer fördern sich, und binnen vierzehn Tagen
Sieht man das
erste Stockwerk stehn.
Und nun läßt sich Elmire wieder sehn.
Man
siehts ihr an, sie hat etwas zu sagen,
Vielleicht sah sie die Mäurer
müßig stehn;
Denn leider pflegts so herzugehn.
Vielleicht hat man
am Bau etwas versehn?
Das sollte mich doch selbst verdrüßen.
Itzt
öffnet sie den Mund. Nun wird sichs zeigen müssen.
"Ach", fängt sie
heftig an zu schrein:
"Hört auf, und reißt den Plunder ein!
Ich lasse
keinen Stein mehr tragen.
Wofür verbaut ich denn mein Geld?
Für
Männer, die die Weiber plagen?
Denn andre gibts nicht auf der
Welt."
Die böse Frau! Man sollte sie verklagen.
Das
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