Emilia Galotti | Page 4

Gotthold Ephraim Lessing
die Geliebte noch immer ihren Platz. Nicht so einer Gemahlin f��rchtet sie aufgeopfert zu sein, sondern--Der Prinz. Einer neuen Geliebten. --Nun denn? Wollten Sie mir daraus ein Verbrechen machen, Marinelli?
Marinelli. Ich?--Oh! vermengen Sie mich ja nicht, mein Prinz, mit der N?rrin, deren Wort ich f��hre--aus Mitleid f��hre. Denn gestern, wahrlich, hat sie mich sonderbar ger��hret. Sie wollte von ihrer Angelegenheit mit Ihnen gar nicht sprechen. Sie wollte sich ganz gelassen und kalt stellen. Aber mitten in dem gleichg��ltigsten Gespr?che entfuhr ihr eine Wendung, eine Beziehung ��ber die andere, die ihr gefoltertes Herz verriet. Mit dem lustigsten Wesen sagte sie die melancholischsten Dinge: und wiederum die l?cherlichsten Possen mit der allertraurigsten Miene. Sie hat zu den B��chern ihre Zuflucht genommen; und ich f��rchte, die werden ihr den Rest geben.
Der Prinz. So wie sie ihrem armen Verstande auch den ersten Sto? gegeben.--Aber was mich vornehmlich mit von ihr entfernt hat, das wollen Sie doch nicht brauchen, Marinelli, mich wieder zu ihr zur��ckzubringen?--Wenn sie aus Liebe n?rrisch wird, so w?re sie es, fr��her oder sp?ter, auch ohne Liebe geworden--Und nun, genug von ihr. --Von etwas andern!--Geht denn gar nichts vor in der Stadt?--Marinelli. So gut wie gar nichts.--Denn da? die Verbindung des Grafen Appiani heute vollzogen wird--ist nicht viel mehr als gar nichts.
Der Prinz. Des Grafen Appiani? und mit wem denn?--Ich soll ja noch h?ren, da? er versprochen ist.
Marinelli. Die Sache ist sehr geheimgehalten worden. Auch war nicht viel Aufhebens davon zu machen.--Sie werden lachen, Prinz.--Aber so geht es den Empfindsamen! Die Liebe spielet ihnen immer die schlimmsten Streiche. Ein M?dchen ohne Verm?gen und ohne Rang hat ihn in ihre Schlinge zu ziehen gewu?t--mit ein wenig Larve, aber mit vielem Prunke von Tugend und Gef��hl und Witz--und was wei? ich?
Der Prinz. Wer sich den Eindr��cken, die Unschuld und Sch?nheit auf ihn machen, ohne weitere R��cksicht, so ganz ��berlassen darf--ich d?chte, der w?re eher zu beneiden als zu belachen.--Und wie hei?t denn die Gl��ckliche? Denn bei alledem ist Appiani--ich wei? wohl, da? Sie, Marinelli, ihn nicht leiden k?nnen; ebensowenig als er Sie--, bei alledem ist er doch ein sehr w��rdiger junger Mann, ein sch?ner Mann, ein reicher Mann, ein Mann voller Ehre. Ich h?tte sehr gew��nscht, ihn mir verbinden zu k?nnen. Ich werde noch darauf denken.
Marinelli. Wenn es nicht zu sp?t ist.--Denn soviel ich h?re, ist sein Plan gar nicht, bei Hofe sein Gl��ck zu machen.--Er will mit seiner Gebieterin nach seinen T?lern von Piemont--Gemsen zu jagen, auf den Alpen, und Murmeltiere abzurichten.--Was kann er Besseres tun? Hier ist es durch das Mi?b��ndnis, welches er trifft, mit ihm doch aus. Der Zirkel der ersten H?user ist ihm von nun an verschlossen--Der Prinz. Mit euren ersten H?usern!--in welchen das Zeremoniell, der Zwang, die Langeweile und nicht selten die D��rftigkeit herrschet.--Aber so nennen Sie mir sie doch, der er dieses so gro?e Opfer bringt.
Marinelli. Es ist eine gewisse Emilia Galotti.
Der Prinz. Wie, Marinelli? eine gewisse--Marinelli. Emilia Galotti.
Der Prinz. Emilia Galotti?--Nimmermehr!
Marinelli. Zuverl?ssig, gn?diger Herr.
Der Prinz. Nein, sag ich; das ist nicht, das kann nicht sein.--Sie irren sich in dem Namen.--Das Geschlecht der Galotti ist gro?.--Eine Galotti kann es sein: aber nicht Emilia Galotti, nicht Emilia!
Marinelli. Emilia--Emilia Galotti!
Der Prinz. So gibt es noch eine, die beide Namen f��hrt.--Sie sagten ohnedem, eine gewisse Emilia Galotti--eine gewisse. Von der rechten kann nur ein Narr so sprechen--Marinelli. Sie sind au?er sich, gn?diger Herr.--Kennen Sie denn diese Emilia?
Der Prinz. Ich habe zu fragen, Marinelli, nicht Er.--Emilia Galotti? Die Tochter des Obersten Galotti, bei Sabionetta?
Marinelli. Ebendie.
Der Prinz. Die hier in Guastalla mit ihrer Mutter wohnet?
Marinelli. Ebendie.
Der Prinz. Unfern der Kirche Allerheiligen?
Marinelli. Ebendie.
Der Prinz. Mit einem Worte--(Indem er nach dem Portr?te springt und es dem Marinelli in die Hand gibt.) Da!--Diese? Diese Emilia Galotti?--Sprich dein verdammtes "Ebendie" noch einmal und sto? mir den Dolch ins Herz!
Marinelli. Ebendie!
Der Prinz. Henker!--Diese?--Diese Emilia Galotti wird heute--Marinelli. Gr?fin Appiani!--(Hier rei?t der Prinz dem Marinelli das Bild wieder aus der Hand und wirft es beiseite.) Die Trauung geschiehet in der Stille, auf dem Landgute des Vaters bei Sabionetta. Gegen Mittag fahren Mutter und Tochter, der Graf und vielleicht ein paar Freunde dahin ab.
Der Prinz (der sich voll Verzweiflung in einen Stuhl wirft). So bin ich verloren!--So will ich nicht leben!
Marinelli. Aber was ist Ihnen, gn?diger Herr?
Der Prinz (der gegen ihn wieder aufspringt). Verr?ter!--was mir ist?--Nun ja, ich liebe sie; ich bete sie an. M?gt ihr es doch wissen! M?gt ihr es doch l?ngst gewu?t haben, alle ihr, denen ich der tollen Orsina schimpfliche Fesseln lieber ewig tragen sollte!--Nur da? Sie, Marinelli, der Sie so oft mich Ihrer innigsten Freundschaft versicherten--O ein F��rst hat keinen Freund! kann keinen Freund haben! --, da? Sie, Sie, so treulos, so h?misch mir bis auf diesen Augenblick die Gefahr verhehlen d��rfen, die meiner Liebe drohte: wenn ich Ihnen jemals das vergebe--so werde mir meiner S��nden keine vergeben!
Marinelli. Ich wei? kaum Worte zu finden, Prinz--wenn
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