Emilia Galotti | Page 5

Gotthold Ephraim Lessing
Sie mich auch dazu kommen lie?en--, Ihnen mein Erstaunen zu bezeigen.--Sie lieben Emilia Galotti!--Schwur dann gegen Schwur: Wenn ich von dieser Liebe das geringste gewu?t, das geringste vermutet habe, so m?ge weder Engel noch Heiliger von mir wissen!--Ebendas wollt' ich in die Seele der Orsina schw?ren. Ihr Verdacht schweift auf einer ganz andern F?hrte.
Der Prinz. So verzeihen Sie mir, Marinelli--(indem er sich ihm in die Arme wirft) und bedaueren Sie mich.
Marinelli. Nun da, Prinz! Erkennen Sie da die Frucht Ihrer Zur��ckhaltung!--"F��rsten haben keinen Freund! k?nnen keinen Freund haben!"--Und die Ursache, wenn dem so ist?--Weil sie keinen haben wollen.--Heute beehren sie uns mit ihrem Vertrauen, teilen uns ihre geheimsten W��nsche mit, schlie?en uns ihre ganze Seele auf: und morgen sind wir ihnen wieder so fremd, als h?tten sie nie ein Wort mit uns gewechselt.
Der Prinz. Ah! Marinelli, wie konnt' ich Ihnen vertrauen, was ich mir selbst kaum gestehen wollte?
Marinelli. Und also wohl noch weniger der Urheberin Ihrer Qual gestanden haben?
Der Prinz. Ihr?--Alle meine M��he ist vergebens gewesen, sie ein zweites Mal zu sprechen.--Marinelli. Und das erstemal--Der Prinz. Sprach ich sie--Oh, ich komme von Sinnen! Und ich soll Ihnen noch lange erz?hlen?--Sie sehen mich einen Raub der Wellen: was fragen Sie viel, wie ich es geworden? Retten Sie mich, wenn Sie k?nnen: und fragen Sie dann.
Marinelli. Retten? ist da viel zu retten?--Was Sie vers?umt haben, gn?diger Herr, der Emilia Galotti zu bekennen, das bekennen Sie nun der Gr?fin Appiani. Waren, die man aus der ersten Hand nicht haben kann, kauft man aus der zweiten:--und solche Waren nicht selten aus der zweiten um so viel wohlfeiler.
Der Prinz. Ernsthaft, Marinelli, ernsthaft, oder--Marinelli. Freilich, auch um so viel schlechter-Der Prinz. Sie werden unversch?mt!
Marinelli. Und dazu will der Graf damit aus dem Lande.--Ja, so m��?te man auf etwas anders denken.--Der Prinz. Und auf was?--Liebster, bester Marinelli, denken Sie f��r mich. Was w��rden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle w?ren?
Marinelli. Vor allen Dingen eine Kleinigkeit als eine Kleinigkeit ansehen--und mir sagen, da? ich nicht vergebens sein wolle, was ich bin--Herr!
Der Prinz. Schmeicheln Sie mir nicht mit einer Gewalt, von der ich hier keinen Gebrauch absehe.--Heute, sagen Sie? schon heute?
Marinelli. Erst heute--soll es geschehen. Und nur geschehenen Dingen ist nicht zu raten.--(Nach einer kurzen ��berlegung.) Wollen Sie mir freie Hand lassen, Prinz? Wollen Sie alles genehmigen, was ich tue?
Der Prinz. Alles, Marinelli, alles, was diesen Streich abwenden kann.
Marinelli. So lassen Sie uns keine Zeit verlieren.--Aber bleiben Sie nicht in der Stadt. Fahren Sie sogleich nach Ihrem Lustschlosse, nach Dosalo. Der Weg nach Sabionetta geht da vorbei. Wenn es mir nicht gelingt, den Grafen augenblicklich zu entfernen: so denk ich--Doch, doch; ich glaube, er geht in diese Falle gewi?. Sie wollen, Prinz, wegen Ihrer Verm?hlung einen Gesandten nach Massa schicken? Lassen Sie den Grafen dieser Gesandte sein; mit dem Bedinge, da? er noch heute abreiset.--Verstehen Sie?
Der Prinz. Vortrefflich!--Bringen Sie ihn zu mir heraus. Gehen Sie, eilen Sie. Ich werfe mich sogleich in den Wagen. (Marinelli geht ab.)

Siebenter Auftritt
Der Prinz. Sogleich! sogleich!--Wo blieb es?--(Sich nach dem Portr?te umsehend.) Auf der Erde? das war zu arg! (Indem er es aufhebt.) Doch betrachten? betrachten mag ich dich f��rs erste nicht mehr.--Warum sollt' ich mir den Pfeil noch tiefer in die Wunde dr��cken? (Setzt es beiseite)--Geschmachtet, geseufzet hab ich lange genug--l?nger als ich gesollt h?tte: aber nichts getan! und ��ber die z?rtliche Unt?tigkeit bei einem Haar alles verloren!--Und wenn nun doch alles verloren w?re? Wenn Marinelli nichts ausrichtete?--Warum will ich mich auch auf ihn allein verlassen? Es f?llt mir ein--um diese Stunde (nach der Uhr sehend), um diese n?mliche Stunde pflegt das fromme M?dchen alle Morgen bei den Dominikanern die Messe zu h?ren.--Wie, wenn ich sie da zu sprechen suchte?--Doch heute, heut an ihrem Hochzeittage--heute werden ihr andere Dinge am Herzen liegen als die Messe.--Indes, wer wei??--Es ist ein Gang.--(Er klingelt, und indem er einige von den Papieren auf dem Tische hastig zusammenrafft, tritt der Kammerdiener herein.) La?t vorfahren!--Ist noch keiner von den R?ten da?
Der Kammerdiener. Camillo Rota.
Der Prinz. Er soll hereinkommen. (Der Kammerdiener geht ab.) Nur aufhalten mu? er mich nicht wollen. Dasmal nicht!--Ich stehe gern seinen Bedenklichkeiten ein andermal um so viel l?nger zu Diensten. --Da war ja noch die Bittschrift einer Emilia Bruneschi.--(Sie suchend. ) Die ist's.--Aber, gute Bruneschi, wo deine Vorsprecherin Achter Auftritt
Camillo Rota, Schriften in der Hand. Der Prinz.
Der Prinz. Kommen Sie, Rota, kommen Sie.--Hier ist, was ich diesen Morgen erbrochen. Nicht viel Tr?stliches!--Sie werden von selbst sehen, was darauf zu verf��gen.--Nehmen Sie nur.
Camillo Rota. Gut, gn?diger Herr.
Der Prinz. Noch ist hier eine Bittschrift einer Emilia Galot.. Bruneschi will ich sagen.--Ich habe meine Bewilligung zwar schon beigeschrieben. Aber doch--die Sache ist keine Kleinigkeit.--Lassen Sie die Ausfertigung noch anstehen.--Oder auch nicht anstehen: wie Sie wollen.
Camillo Rota. Nicht wie ich will, gn?diger Herr.
Der Prinz. Was ist sonst? Etwas zu unterschreiben?
Camillo Rota. Ein Todesurteil w?re zu unterschreiben.
Der Prinz. Recht gern.--Nur
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