Ein Mann | Page 8

Joachim Nettelbeck
daß ich mich in Amsterdam mit einem
Landsmanne, dem Schiffer Christian Damitz, zusammenfand. Auf
seinem Schiffe ging ich nach Kolberg zurück. Von meinem Empfange
daheim aber tue ich wohl am besten, zu schweigen.
In meiner Vaterstadt blieb ich nun und hielt mich wieder zum
Schulunterricht, bis ich mein vierzehntes Jahr erreichte und die
Konfirmation hinter mir hatte. Dann aber war auch kein Halten mehr,
ich wollte und mußte zur See, wie der Fisch ins Wasser, und mein
Vater übergab mich (zu Ostern 1752) an Schiffer Mich. Damitz, der
soeben von Kolberg nach Memel und von da nach Liverpool abgehen
wollte, und in den er ein besonderes Vertrauen setzte. Beide Fahrten
waren glücklich. Wir gingen weiter nach Dünkirchen, wo wir eine
Ladung Tabak einnahmen; dann über Norwegen nach Danzig -- und so
kam ich, kurz nach Neujahr, zu Lande, um neunzehn Taler Löhnung
reicher, nach Kolberg zurück. Ich glaubte Wunder, was ich in diesen
neun Monaten verdient hätte! Und noch vor wenig Jahren brachten es
unsere Matrosen wohl auf fünfzehn und mehr Taler monatlich. So
ändern sich die Zeiten!
In den beiden nächstfolgenden Jahren (1753 und 54) schwärmte ich auf
mehr als einem Kolbergschen Schiffe und unter verschiedenen
Kapitänen auf der Ost- und Nordsee umher, und war bald in Dänemark
und Schweden, bald in England und Schottland, in Holland und
Frankreich zu finden.
* * * * *
Aber der alte Hang zum Abenteuern erwachte, so daß ich in
Amsterdam, wo ich mit Kapitän Joach. Blank, einem alten lieben
Kolbergschen Landsmann und Verwandten, zusammentraf, der
Versuchung zu einem weiteren Ausflug länger nicht widerstehen
konnte, sondern mich, ohne weitere Erlaubnis von Hause, flugs und
freudig auf sein Schiff Christina, das nach Surinam bestimmt war, als
Konstabler verdingte. Als indes auf der Hinfahrt unser Steuermann das
Unglück hatte, über Bord zu fallen und zu ertrinken, kam ich für diese

Reise zu der Ehre, den Untersteuermann vorzustellen.
Man weiß, daß die Kolonie Surinam ihren Namen von dem Flusse führt,
an welchem auch dritthalb Meilen aufwärts die Hauptstadt Paramaribo
gelegen ist. An seiner Mündung ist er wohl zwei Meilen breit und
bleibt gegen sechzig Meilen landeinwärts, auch bei der niedrigsten
Ebbe, für kleinere Fahrzeuge noch schiffbar. Nur wenig geringer ist der
mit ihm verbundene Fluß Komandewyne, welcher bis gegen fünfzig
Meilen aufwärts befahren wird. Mit beiden steht noch eine Menge toter
Arme oder Kreeks in Verbindung, und an allen Ufern hinauf drängen
sich die Zucker- und Kaffeeplantagen, während alles übrige Land eine
fast undurchdringliche Waldung ausmacht. Eben dadurch wird diese
Kolonie eine der ungesundesten in der Welt; und wenn eine
Schiffsequipage von vierzig Mann binnen den vier Monaten, welche
man hier gewöhnlich verweilt, nur acht bis zehn Tote zählt, so wird
dies für ein außerordentliches Glück gehalten.
Diese große Sterblichkeit hat aber zum Teil auch wohl ihren Grund in
den anstrengenden Arbeiten, wozu die Schiffsmannschaften nach
hiesigem Gebrauche angehalten werden: denn sie müssen ebensowohl
den Transport der mitgebrachten Ladung an europäischen Gütern nach
den einzelnen Plantagen, als die Rückfracht aus denselben an
Kolonialwaren, besorgen. Man bedient sich dazu einer Art von
Fahrzeugen, Punten genannt, die wie Prahme gebaut sind und ein
zugespitztes, mit Schilf gedecktes Wetterdach tragen; so daß sie das
Ansehen eines auf dem Wasser schwimmenden, deutschen
Bauernhauses gewähren. Zwei solcher Punten werden jedem Schiffe
zugegeben, und mir, als Untersteuermann, kam es zu, mit Hilfe von
vier Matrosen die Fahrten auf den Strömen damit zu verrichten, wozu
denn oft vierzehn Tage und noch längere Zeit erfordert wurden.
Bei unserer Ankunft gab es auf dem Schiffe ein kleines Abenteuer, das
unseren Schiffer eine Zeitlang in nicht geringe Sorge setzte, endlich
aber dennoch einen ziemlich lustigen Ausgang gewann. Unter der
Ladung nämlich, die wir in Amsterdam eingenommen hatten, befand
sich auch eine Kiste von etwa drei Fuß ins Gevierte, worüber der
Kapitän zwar das richtige Konnossement in Händen hatte, ohne

gleichwohl beim Löschen vor Paramaribo die Kiste selbst an Bord
wieder auffinden zu können. Sie war an einen dortigen Juden adressiert,
dessen wiederholte Nachfrage trotz alles Suchens unbefriedigt bleiben
mußte. Diese Verlegenheit schlau benutzend, brachte endlich der
Hebräer nicht nur seine Klage bei dem holländischen Fiskal
(Kolonie-Richter) an, sondern reichte zugleich ein langes Verzeichnis
ein von goldenen und silbernen Taschenuhren, Geschmeiden und
anderen Kostbarkeiten, zu einem Belaufe von beinahe viertausend
Gulden an Wert, die in der Kiste enthalten gewesen. Der Prozeß ging
seinen Gang, und der Jude brachte seine Beweise so bündig vor, daß
das endlich erfolgte rechtskräftige Erkenntnis meinen Kapitän zur
völligen Schadloshaltung binnen vierzehn Tagen verurteilte, dem es
übrigens überlassen blieb, sich wiederum an seine Leute zu halten.
Ganz unerwartet aber fand sich nunmehr die verwünschte Kiste im
hinteren untersten Schiffsraum wieder auf, wo sie durch irgendein
Versehen hoch mit Brennholz überstaut gewesen war.
Glücklicherweise hatte ihr Siegel, das auch auf dem Konnossement
abgedruckt war, keinen Schaden gelitten. Aber zugleich kam es uns
wunderlich vor, daß
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