Euch.--Weis deine Hände! Ist das hier
Fleisch? lebendig, wahres Fleisch? Und fließt hier Blut in diesen
bleichen Adern? Freit eine andre als er meint und liebt-- Mit Weib und
Kind, bei zwanzigtausend Mann, In kalten Herbstesnächten, frierend,
darbend! Mir kommt ein Grauen an. Sind hier nicht Menschen? Ich will
bei Menschen sein. Herbei! Herein!
(Mit dem Stocke auf den Boden stampfend. Die Hofleute kommen
zurück.)
Rudolf. Die Kinderzeiten werden wieder wahr, Und mich
umschaudert's wie Gespensterglauben. (Zu Erzherzog Ferdinand.)
Weilt Ihr noch länger hier bei uns in Prag, Treibt's Euch zurück
vielleicht schon nach der Heimat?
Erzherzog Ferdinand. Ich reise nächst, wenn manches erst geschlichtet
(lebhaft) Und meinen Bruder ich Euch vorgestellt.
Rudolf. So ist der Leupold da? Wo ist, wo weilt er?
Rumpf. Im Schloßhof tummelt er das türk'sche Roß, Das Ihr gekauft
und das Don Cäsar schulte. Sie jubeln, daß der Erker widerhallt.
Rudolf. Sie jubeln? Tummelt? Ein verzogner Fant, Hübsch wild und
rasch, bei Wein und Spiel und Schmaus. Wohl selbst bei Weibern auch;
man spricht davon. Allein er ist ein Mensch. Ich will ihn sehn, Den
Leupold sehn! Wo ist er? Bringt ihn her!
(Einige sind gegangen.)
Rudolf (zu Ferdinand). Beliebt's Euch unterdessen, die Gemächer, Die
man Euch hier bereitet, zu besehn? Wo bleibt der Range? Warum
kommt er nicht?
Erzherzog Leopolds Stimme (von außen). Senjor!
Rudolf. Aha, er ruft.--Was gibt es dort?
(Aus der Seitentüre links ist ein Hofbedienter herausgetreten.)
Rumpf. Die Kapelläne fragen untertänigst, Ob Eure Majestät den
Gottesdienst--
Rudolf (das Barett abnehmend und Mantel und Kleid ordnend). Des
Herren Dienst vor allem. (Zu Erzherzog Ferdinand.) Wenn's beliebt!
(Zu den übrigen.) Und kommt mein Neffe, heißt ihn nur uns folgen.
Erzherzog Leopold (zur Türe hereinstürzend). Mein gnäd'ger Ohm! (Da
er den bereits geordneten Zug sieht, stutzt er und zieht das Barett ab.)
Rudolf. Nur dort, an Eure Stelle.
(Auf einen Wink Erzherzog Ferdinands stellt sich Leopold ihm zur
Seite. --Der Zug setzt sich in Bewegung, die beiden Erzherzoge
unmittelbar vor dem Kaiser. Nach einigen Schritten tippt letzterer
Erzherzog Leopold auf die Schulter. Dieser wendet sich um und küßt
ihm lebhaft die Hand. Der Kaiser winkt ihm liebreich drohend
Stillschweigen zu und sie gehen weiter. Die übrigen folgen
paarweise.--Der Vorhang fällt.)
Zweiter Aufzug
Freier Platz im kaiserlichen Lager. Im Hintergrunde Gezelte.
Ein Hauptmann (tritt hinter sich schreitend auf, wobei er eine kurze
Partisane waagrecht vor sich hält). Zurück, sag ich, zurück auf eure
Posten! Seid ihr Soldaten, wie?--und flieht den Feind?
(Ein Trupp Soldaten kommt von derselben Seite, ein Fahnenträger
unter ihnen.)
Fahnenträger. Wir fliehen meint Ihr, Herr? Nun denn mit Gunst, Sagt
erst: wo ist der Feind, ob vor--ob rückwärts? Ein Krieger ficht wohl,
weiß er gegen wen, Doch wo nicht Ordnung, Kundschaft und Befehl,
Wehrt er sich seiner Haut und weiter nichts.
Hauptmann. So meisterst du, ein Knecht, den Heeresfürsten?
Fahnenträger. Ob zehnmal Herr und zwanzigmale Knecht, Wenn einer
irrt, hat doch der andre recht. Wir waren auf am Damm bei Raab
gestellt, Wir da und fünfzig andre, die der Säbel Der Türken fraß in
dieser blut'gen Nacht, Auf blachem Feld, zur Unterstützung rings
Soweit das Auge trug, nicht Wacht, noch Posten. Doch machten wir
'nen Kirchhof zum Kastell Und hielten straff. Da bricht's mit einmal los:
Allah, Allah! aus tausend bärt'gen Kehlen, Nicht vor uns, hinter uns.
Die Donau durch, Rauscht wie ein zweiter Strom, quer durch den
andern Der Spahi und sein Roß. Hilf' Jesu Christ! Da galt kein Säumen,
und war eitel Nacht. Trapp trapp, da sprengen kaiserliche Reiter Und
jagen andre kaiserlich wie sie. Der Musketier schießt los, und den er
traf Es war sein Landsmann, in des Dunkels Wirren Die rasche Kugel
wechselnd mit dem Freund. Bald ist das ganze Heer nur eine Flucht,
Ein Jammern und ein Töten und ein Schrein. In all der Hast vergaß man
ganz auf uns, Zu gehn, zu bleiben waren wir die Meister, Doch blieben
wir. Erst nach drei heißen Stürmen, Als mancher schon mit seiner Haut
bezahlt, Brach auf das kleine Häuflein; und nicht seitwärts, Nur
Sicherheit für unsre Leiber suchend, Zum Lager gradaus schlugen wir
uns durch. Und sind nun hier, dem Türken, sucht er uns, Der Rückkehr
Straße schwarz mit Blut zu zeichnen, Doch ihn zu suchen keineswegs
gewillt, Man zeig' uns denn wer führt und wer befiehlt.
Mehrere im Trupp So ist's!--Ein Führer erst!--Dann folgen alle.
Hauptmann. So bin ich unter Meutern?
(Oberst Ramee kommt.)
Hauptmann. Mein Herr Oberst, Verrat und Aufruhr in des Lagers Mitte.
Die hier und der--
(Es haben sich nach und nach immer mehrere gesammelt.)
Ramee (halblaut). Laßt nur, laßt nur für jetzt. Der Feind im Anzug und
das Heer entmutigt, Man drückt jetzt füglicher ein Auge zu, Als den
Gehorsam noch durch Strenge prüfen. Was weiß man von dem
Feldherrn?
Hauptmann. Prinz Mathias?
Ramee. Wen sonst?
Hauptmann. Verschieden gehen die Gerüchte. Er ward gesehn
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.