Egmont | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
nur ihm und Euch.
Regentin. Ich lege nichts aus; ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederl?ndischer Adel und sein golden Vlie? vor der Brust st?rken sein Vertrauen, seine K��hnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willk��rlichen Unmut des K?nigs sch��tzen. Untersuch' es genau; an dem ganzen Ungl��ck, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht genommen, und vielleicht sich heimlich gefreut, da? wir etwas zu schaffen hatten. La? mich nur! Was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschie?en; ich wei?, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich.
Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch?
Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuw?lzen; sie sollen sich mit mir dem ��bel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erkl?ren. Eile, da? die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bew?hrten Vaska nach Madrid; er ist unerm��det und treu; da? mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, da? der Ruf ihn nicht ��bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht.
Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden.
B��rgerhaus.
Klare. Klarens Mutter. Brackenburg.
Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg?
Brackenburg. Ich bitt' Euch, verschont mich, Kl?rchen.
Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen Liebesdienst?
Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann Euern Augen nicht ausweichen.
Klare. Grillen! kommt und haltet!
Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so h��bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.
Brackenburg. Sonst.
Klare. Wir wollen singen.
Brackenburg. Was Ihr wollt.
Klare. Nur h��bsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein Leibst��ck.
(Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.)
Die Trommel ger��hret! Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffnet Dem Haufen befiehlt, Die Lanze hoch f��hret, Die Leute regieret. Wie klopft mir das Herze! Wie wallt mir das Blut! O h?tt' ich ein W?mslein Und Hosen und Hut! Ich folgt' ihm zum Thor 'naus Mit mutigem Schritt, Ging' durch die Provinzen, Ging' ��berall mit. Die Feinde schon weichen, Wir schie?en darein! Welch Gl��ck sondergleichen, Ein Mannsbild zu sein!
(Brackenburg hat unter dem Singen Kl?rchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die Thr?nen kommen ihm in die Augen, er l??t den Strang fallen und geht ans Fenster. Kl?rchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschl��ssig wieder um und setzt sich.)
Mutter. Was giebt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich h?re marschieren.
Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin.
Klare. Um diese Stunde? Was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die t?gliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! h?rt einmal, was es giebt? Es mu? etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, thut mir den Gefallen.
Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da! (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.)
Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg.
Klare. Ich bin neugierig. Und auch, verdenkt mir's nicht, seine Gegenwart thut mir weh. Ich wei? immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe Unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, da? er es so lebendig f��hlt.--Kann ich's doch nicht ?ndern!
Mutter. Es ist ein so treuer Bursche.
Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich mu? ihm freundlich begegnen. Meine Hand dr��ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfa?t. Ich mache mir Vorw��rfe, da? ich ihn betr��ge, da? ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung n?hre. Ich bin ��bel dran. Wei? Gott, ich betr��g' ihn nicht. Ich will nicht, da? er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen.
Mutter. Das ist nicht gut.
Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich h?tte ihn heiraten k?nnen, und glaube, ich war nie in ihn verliebt.
Mutter. Gl��cklich w?rst du immer mit ihm gewesen.
Klare. W?re versorgt und h?tte ein ruhiges Leben.
Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt.
Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, wei? ich's wohl und wei? es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja, w?re mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das gl��cklichste Gesch?pf von der Welt sein?
Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden?
Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage?
Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird? Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht
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