Egmont | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
sollen wir aber auch mit Gott spielen, wie unter einander? Sollen wir gleichg��ltig gegen unsere bew?hrte Lehre sein, f��r die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?
Machiavell. Denkt nur deswegen nicht ��bler von mir.
Regentin. Ich kenne dich und deine Treue, und wei?, da? einer ein ehrlicher und verst?ndiger Mann sein kann, wenn er gleich den n?chsten, besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere, Machiavell, M?nner, die ich sch?tzen und tadeln mu?.
Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir?
Regentin. Ich kann es gestehen, da? mir Egmont heute einen recht innerlichen, tiefen Verdru? erregte.
Machiavell. Durch welches Betragen?
Regentin. Durch sein gew?hnliches, durch Gleichg��ltigkeit und Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an, ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete: "Seht, was in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der K?nig sich alles versprach?"
Machiavell. Und was antwortete er?
Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache w?re, versetzte er: W?ren nur erst die Niederl?nder ��ber ihre Verfassung beruhigt! Das ��brige w��rde sich leicht geben.
Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der Niederl?nder sieht, da? es mehr um seine Besitzt��mer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu thun ist? Haben die neuen Bisch?fe mehr Seelen gerettet als fette Pfr��nden geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit Niederl?ndern besetzt; lassen sich es die Spanier nicht zu deutlich merken, da? sie die gr??te, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art von den Seinigen regieret werden, als von Fremden, die erst im Lande sich wieder Besitzt��mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden Ma?stab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen?
Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner.
Machiavell. Mit dem Herzen gewi? nicht; und wollte, ich k?nnte mit dem Verstande ganz auf der unsrigen sein.
Regentin. Wenn du so willst, so th?t' es not, ich tr?te ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich gro?e Hoffnung, diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden.
Machiavell. Ein gef?hrliches Paar.
Regentin. Soll ich aufrichtig reden, ich f��rchte Oranien, und ich f��rchte f��r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit gr??ter Vorsicht thut er, was ihm beliebt.
Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als wenn die Welt ihm geh?rte.
Regentin. Er tr?gt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der Majest?t nicht ��ber ihm schwebte.
Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die Herzen h?ngen an ihm.
Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern h?tte. Noch tr?gt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu h?ren; als wollte er nicht vergessen, da? seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum thut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen?
Machiavell. Ich halte ihn f��r einen treuen Diener des K?nigs.
Regentin. Wenn er wollte, wie verdient k?nnte er sich um die Regierung machen, anstatt da? er uns schon, ohne sich zu nutzen, uns?glichen Verdru? gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den Adel mehr verbunden und verkn��pft als die gef?hrlichsten heimlichen Zusammenk��nfte. Mit seinen Gesundheiten haben die G?ste einen dauernden Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel gesch?pft. Wie oft setzt er durch seine Scherzreden die Gem��ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte der P?bel ��ber die neuen Livreen, ��ber die th?richten Abzeichen der Bedienten!
Machiavell. Ich bin ��berzeugt, es war ohne Absicht.
Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und n��tzt sich nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft, und wir, um nicht m��?ig und nachl?ssig zu scheinen, m��ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er ist gef?hrlicher als ein entschiednes Haupt einer Verschw?rung; und ich m��?te mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, da? er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht.
Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln.
Regentin. Sein Gewissen hat einen gef?lligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der v?lligen ��berzeugung lebe, er sei Herr, und wolle es uns nur aus Gef?lligkeit nicht f��hlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben.
Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein gl��ckliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gef?hrlich aus. Ihr schadet
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