Egmont | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
gut aus! Du hast dich ungl��cklich gemacht! mich ungl��cklich gemacht.
Klare (gelassen). Ihr lie?et es doch im Anfange.
Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, l?chelte, nickte, mich gr��?te, war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt?
Mutter. Mache mir noch Vorw��rfe.
Klare (ger��hrt). Wenn er nun ?fter die Stra?e kam und wir wohl f��hlten, da? er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete?
Mutter. Dachte ich, da? es so weit kommen sollte?
Klare (mit stockender Stimme und zur��ckgehaltenen Thr?nen). Und wie er uns abends, in den Mantel eingeh��llt, bei der Lampe ��berraschte, wer war gesch?ftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb?
Mutter. Und konnte ich f��rchten, da? diese ungl��ckliche Liebe das kluge Kl?rchen so bald hinrei?en w��rde? Ich mu? es nun tragen, da? meine Tochter--
Klare (mit ausbrechenden Thr?nen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu ?ngstigen.
Mutter (weinend). Weine noch gar! mache mich noch elender durch deine Betr��bnis! Ist mir's nicht Kummer genug, da? meine einzige Tochter ein verworfenes Gesch?pf ist?
Klare (aufstehend und kalt). Verworfen? Egmonts Geliebte verworfen?-- Welche F��rstin neidete nicht das arme Kl?rchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter--meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln--Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
Mutter. Man mu? ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen.
Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der gro?e Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verb?rge! wie er um mich besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
Mutter. Kommt er wohl heute?
Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn's an der Th��r rauscht? Ob ich schon wei?, da? er vor Nacht nicht kommt, vermut' ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. W?r' ich nur ein Bube und k?nnte immer mit ihm gehen, zu Hufe und ��berall hin! K?nnt' ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht!--
Mutter. Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser an?
Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe.--Gestern, denkt, gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens war sein Name in den Liedern; das ��brige konnt' ich nicht verstehn. Das Herz schlug mir bis an den Hals.--Ich h?tte sie gern zur��ckgerufen, wenn ich mich nicht gesch?mt h?tte.
Mutter, Nimm dich in acht! Dein heftiges Wesen verdirbt noch alles; du verr?tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter, wie du den Holzschnitt und die Beschreibung fandst und mit einem Schrei riefst: Graf Egmont!--Ich ward feuerrot.
Klare. H?tt' ich nicht schreien sollen? Es war die Schlacht bei Gravelingen; und ich finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten in der Beschreibung C. Steht da: "Graf Egmont, dem das Pferd unter dem Leibe totgeschossen wird." Mich ��berlief's--und hernach mu?t ich lachen ��ber den holzgeschnitzten Egmont, der so gro? war als der Turm von Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite.--Wenn ich mich manchmal erinnere, wie ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt, und was ich mir als M?dchen f��r ein Bild vom Grafen Egmont machte, wenn sie von ihm erz?hlten, und von allen Grafen und F��rsten--und wie mir's jetzt ist!
(Brackenburg kommt.)
Klare. Wie stehts?
Brackenburg. Man wei? nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er m?chte sich hieher verbreiten. Das Schlo? ist stark besetzt, die B��rger sind zahlreich an den Thoren, das Volk summt in den Gassen.--Ich will nur schnell zu meinem alten Vater. (Als wollt' er gehen.)
Klare. Sieht man Euch morgen? Ich will mich ein wenig anziehen. Der Vetter kommt, und ich sehe gar zu liederlich aus. Helft mir einen Augenblick, Mutter.--Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder so eine Historie.
Mutter. Lebt wohl!
Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand!
Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt.
(Mutter und Tochter ab.)
Brackenburg (allein). Ich hatte mir vorgenommen, gerade wieder fortzugehn, und da sie es daf��r aufnimmt und mich gehen l??t, m?cht' ich rasend werden.--Ungl��cklicher! und dich r��hrt deines Vaterlandes Geschick nicht? der wachsende Tumult nicht?--und gleich ist dir Landsmann oder Spanier, und wer regiert und wer Recht hat?--War ich doch ein andrer Junge als Schulknabe!--Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: "Brutus' Rede f��r die Freiheit, zur ��bung der Redekunst"; da war doch immer Fritz der erste, und
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 34
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.