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sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. Alle diese Dinge, so sagte
sie sich, bedeuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos; sie lebt in ihren
Vorstellungen und Träumen, und wenn die Prinzessin Friedrich Karl
vorüberfährt und sie von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, so gilt ihr
das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug.
Das alles war auch richtig, aber doch nur halb. An dem Besitze mehr
oder weniger alltäglicher Dinge lag Effi nicht viel, aber wenn sie mit
der Mama die Linden hinauf- und hinunterging und nach Musterung
der schönsten Schaufenster in den Demuthschen Laden eintrat, um für
die gleich nach der Hochzeit geplante italienische Reise allerlei
Einkäufe zu machen, so zeigte sich ihr wahrer Charakter. Nur das
Eleganteste gefiel ihr, und wenn sie das Beste nicht haben konnte, so
verzichtete sie auf das Zweitbeste, weil ihr dies Zweite nun nichts mehr
bedeutete. Ja, sie konnte verzichten, darin hatte die Mama recht, und in
diesem Verzichtenkönnen lag etwas von Anspruchslosigkeit; wenn es
aber ausnahmsweise mal wirklich etwas zu besitzen galt, so mußte dies
immer was ganz Apartes sein. Und darin war sie anspruchsvoll.
Viertes Kapitel
Vetter Dagobert war am Bahnhof, als die Damen ihre Rückreise nach
Hohen-Cremmen antraten. Es waren glückliche Tage gewesen, vor
allem auch darin, daß man nicht unter unbequemer und beinahe
unstandesgemäßer Verwandtschaft gelitten hatte. »Für Tante Therese«,
so hatte Effi gleich nach der Ankunft gesagt, »müssen wir diesmal
inkognito bleiben. Es geht nicht, daß sie hier ins Hotel kommt.
Entweder Hotel du Nord oder Tante Therese; beides zusammen paßt
nicht.« Die Mama hatte sich schließlich einverstanden damit erklärt, ja,
dem Liebling zur Besiegelung des Einverständnisses einen Kuß auf die
Stirn gegeben.
Mit Vetter Dagobert war das natürlich etwas ganz anderes gewesen, der
hatte nicht bloß den Gardepli, der hatte vor allem auch mit Hilfe jener
eigentümlich guten Laune, wie sie bei den Alexanderoffizieren beinahe
traditionell geworden, sowohl Mutter wie Tochter von Anfang an
anzuregen und aufzuheitern gewußt, und diese gute Stimmung dauerte
bis zuletzt. »Dagobert«, so hieß es noch beim Abschied, »du kommst
also zu meinem Polterabend, und natürlich mit Cortège. Denn nach den
Aufführungen (aber kommt mir nicht mit Dienstmann oder
Mausefallenhändler) ist Ball. Und du mußt bedenken, mein erster
großer Ball ist vielleicht auch mein letzter. Unter sechs Kameraden -
natürlich beste Tänzer - wird gar nicht angenommen. Und mit dem
Frühzug könnt ihr wieder zurück.« Der Vetter versprach alles, und so
trennte man sich.
Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer havelländischen Bahnstation
ein, mitten im Luch, und fuhren in einer halben Stunde nach
Hohen-Cremmen hinüber. Briest war sehr froh, Frau und Tochter
wieder zu Hause zu haben, und stellte Fragen über Fragen, deren
Beantwortung er meist nicht abwartete. Statt dessen erging er sich in
Mitteilung dessen, was er inzwischen erlebt. »Ihr habt mir da vorhin
von der Nationalgalerie gesprochen und von der 'Insel der Seligen' -
nun, wir haben hier, während ihr fort wart, auch so was gehabt: unser
Inspektor Pink und die Gärtnersfrau. Natürlich habe ich Pink entlassen
müssen, übrigens ungern. Es ist sehr fatal, daß solche Geschichten fast
immer in die Erntezeit fallen. Und Pink war sonst ein ungewöhnlich
tüchtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck. Aber lassen wir das;
Wilke wird schon unruhig.«
Bei Tische hörte Briest besser zu; das gute Einvernehmen mit dem
Vetter, von dem ihm viel erzählt wurde, hatte seinen Beifall, weniger
das Verhalten gegen Tante Therese. Man sah aber deutlich, daß er
inmitten seiner Mißbilligung sich eigentlich darüber freute; denn ein
kleiner Schabernack entsprach ganz seinem Geschmack, und Tante
Therese war wirklich eine lächerliche Figur. Er hob sein Glas und stieß
mit Frau und Tochter an. Auch als nach Tisch einzelne der hübschesten
Einkäufe von ihm ausgepackt und seiner Beurteilung unterbreitet
wurden, verriet er viel Interesse, das selbst noch anhielt oder
wenigstens nicht ganz hinstarb, als er die Rechnung überflog. »Etwas
teuer, oder sagen wir lieber sehr teuer; indessen es tut nichts. Es hat
alles so viel Schick, ich möchte sagen so viel Animierendes, daß ich
deutlich fühle, wenn du mir solchen Koffer und solche Reisedecke zu
Weihnachten schenkst, so sind wir zu Ostern auch in Rom und machen
nach achtzehn Jahren unsere Hochzeitsreise. Was meinst du, Luise?
Wollen wir nachexerzieren? Spät kommt ihr, doch ihr kommt.«
Frau von Briest machte eine Handbewegung, wie wenn sie sagen wollte:
»Unverbesserlich«, und überließ ihn im übrigen seiner eigenen
Beschämung, die aber nicht groß war.
Ende August war da, der Hochzeitstag (3. Oktober) rückte näher, und
sowohl im Herrenhause wie in der Pfarre und Schule war man
unausgesetzt bei den Vorbereitungen zum Polterabend. Jahnke, getreu
seiner Fritz-Reuter-Passion, hatte sich's als etwas besonders »Sinniges«
ausgedacht, Bertha und Hertha als Lining und Mining auftreten zu
lassen, natürlich plattdeutsch, während Hulda das Käthchen von
Heilbronn in der Holunderbaumszene darstellen sollte, Leutnant
Engelbrecht von den Husaren als Wetter vom Strahl. Niemeyer, der
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