sich den Vater der Idee nennen durfte, hatte keinen Augenblick
gesäumt, auch die versäumte Nutzanwendung auf Innstetten und Effi
hinzuzudichten. Er selbst war mit seiner Arbeit zufrieden und hörte,
gleich nach der Leseprobe, von allen Beteiligten viel Freundliches
darüber, freilich mit Ausnahme seines Patronatsherrn und alten
Freundes Briest, der, als er die Mischung von Kleist und Niemeyer mit
angehört hatte, lebhaft protestierte, wenn auch keineswegs aus
literarischen Gründen. »Hoher Herr und immer wieder Hoher Herr -
was soll das? Das leitet in die Irre, das verschiebt alles. Innstetten,
unbestritten, ist ein famoses Menschenexemplar, Mann von Charakter
und Schneid, aber die Briests - verzeih den Berolinismus, Luise-, die
Briests sind schließlich auch nicht von schlechten Eltern. Wir sind doch
nun mal eine historische Familie, laß mich hinzufügen Gott sei Dank,
und die Innstettens sind es nicht; die Innstettens sind bloß alt,
meinetwegen Uradel, aber was heißt Uradel? Ich will nicht, daß eine
Briest oder doch mindestens eine Polterabendfigur, in der jeder das
Widerspiel unserer Effi erkennen muß - ich will nicht, daß eine Briest
mittelbar oder unmittelbar in einem fort von 'Hoher Herr' spricht. Da
müßte denn doch Innstetten wenigstens ein verkappter Hohenzoller
sein, es gibt ja dergleichen. Das ist er aber nicht, und so kann ich nur
wiederholen, es verschiebt die Situation.«
Und wirklich, Briest hielt mit besonderer Zähigkeit eine ganze Zeitlang
an dieser Anschauung fest. Erst nach der zweiten Probe, wo das
»Käthchen«, schon halb im Kostüm, ein sehr eng anliegendes
Sammetmieder trug, ließ er sich - der es auch sonst nicht an
Huldigungen gegen Hulda fehlen ließ - zu der Bemerkung hinreißen,
das Käthchen liege sehr gut da, welche Wendung einer
Waffenstreckung ziemlich gleichkam oder doch zu solcher
hinüberleitete. Daß alle diese Dinge vor Effi geheimgehalten wurden,
braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei mehr Neugier auf seiten dieser
letzteren wäre das nun freilich ganz unmöglich gewesen, aber Effi hatte
so wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und geplanten
Überraschungen einzudringen, daß sie der Mama mit allem Nachdruck
erklärte, sie könne es abwarten, und Wenn diese dann zweifelte, so
schloß Effi mit der wiederholten Versicherung: Es wäre wirklich so, die
Mama könne es glauben. Und warum auch nicht? Es sei ja doch alles
nur Theateraufführung und hübscher und poetischer als
»Aschenbrödel«, das sie noch am letzten Abend in Berlin gesehen hätte,
hübscher und poetischer könne es ja doch nicht Sein. Da hätte sie
wirklich selber mitspielen mögen, wenn auch nur, um dem lächerlichen
Pensionslehrer einen Kreidestrich auf den Rücken zu machen. »Und
wie reizend im letzten Akt 'Aschenbrödels Erwachen als Prinzessin'
oder wenigstens als Gräfin; wirklich, es war ganz wie ein Märchen.« In
dieser Weise sprach sie oft, war meist ausgelassener als vordem und
ärgerte sich bloß über das beständige Tuscheln und Geheimtun der
Freundinnen. »Ich wollte, sie hätten sich weniger wichtig und wären
mehr für mich da. Nachher bleiben sie doch bloß stecken, und ich muß
mich um sie ängstigen und mich schämen, daß es meine Freundinnen
sind.« So gingen Effis Spottreden, und es war ganz unverkennbar, daß
sie sich um Polterabend und Hochzeit nicht allzusehr kümmerte. Frau
von Briest hatte so ihre Gedanken darüber, aber zu Sorgen kam es nicht,
weil sich Effi, was doch ein gutes Zeichen war, ziemlich viel mit ihrer
Zukunft beschäftigte und sich, phantasiereich wie sie war,
viertelstundenlang in Schilderungen ihres Kessiner Lebens erging,
Schilderungen, in denen sich nebenher und sehr zur Erheiterung der
Mama eine merkwürdige Vorstellung von Hinterpommern aussprach
oder vielleicht auch, mit kluger Berechnung, aussprechen sollte. Sie
gefiel sich nämlich darin, Kessin als einen halbsibirischen Ort
aufzufassen, wo Eis und Schnee nie recht aufhörten.
»Heute hat Goschenhofer das letzte geschickt«, sagte Frau von Briest,
als sie wie gewöhnlich in Front des Seitenflügels mit Effi am
Arbeitstisch saß, auf dem die Leinen- und Wäschevorräte beständig
wuchsen, während der Zeitungen, die bloß Platz wegnahmen, immer
weniger wurden. »Ich hoffe, du hast nun alles, Effi. Wenn du aber noch
kleine Wünsche hegst, so mußt du sie jetzt aussprechen, womöglich in
dieser Stunde noch. Papa hat den Raps vorteilhaft verkauft und ist
ungewöhnlich guter Laune.«
»Ungewöhnlich? Er ist immer in guter Laune.«
»In ungewöhnlich guter Laune«, wiederholte die Mama. »Und sie muß
genutzt werden. Sprich also. Mehrmals, als wir noch in Berlin waren,
war es mir, als ob du doch nach dem einen oder anderen noch ein ganz
besonderes Verlangen gehabt hättest.«
»Ja, liebe Mama, was soll ich da sagen. Eigentlich habe ich ja alles,
was man braucht, ich meine, was man hier braucht. Aber da mir's nun
mal bestimmt ist, so hoch nördlich zu kommen ... ich bemerke, daß ich
nichts dagegen habe, im Gegenteil, ich freue mich darauf, auf die
Nordlichter und auf den helleren Glanz der Sterne ... da mir's nun mal
so bestimmt ist, so hätte ich wohl gern einen Pelz gehabt.«
»Aber Effi, Kind, das ist doch alles bloß leere Torheit. Du
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